Jeder Jurist glaubt sich gern im Recht. Deshalb zoffen sich auch schon mal Anwälte mit Richtern. Bei der Suche nach dem richtigen Urteil wird eben auch scharf mit Argumenten und Meinungen gefochten. Aber selten so hart, dass die Justiz zu ihrer schärfsten Waffe greift, der Staatsanwaltschaft. Die Strafverfolger in Düsseldorf gehen gegen einen Rechtsanwalt aus Wuppertal vor, weil der einen Antrag giftig formuliert haben soll.
Es sind die fünf Berufsrichter im Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG), die sich von Anwalt Jochen Thielmann in ihrer Ehre verletzt fühlen – der soll deshalb insgesamt 9 000 Euro Geldstrafe zahlen, will es aber nicht.
Thielmann verteidigt einen vor dem OLG auch wegen Betruges angeklagten Mann. Am 60. Verhandlungstag warf der Anwalt dem Senat vor, der argumentiere bei der rechtlichen Beurteilung „rein ergebnisorientiert“. Und habe das Ziel, den Angeklagten zu verurteilen. Dafür nehme es in Kauf, „die Betrugsstrafbarkeit noch weiter auszudehnen, als sie ohnehin schon ist“.
Diese Äußerung missfiel auch dem Vertreter des Generalbundesanwaltes. Er informierte die Präsidentin des OLG, die einen Strafantrag stellte. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin einen Strafbefehl, den ein Düsseldorfer Amtsrichter auch erließ. Rechtsanwalt Thielmann, so heißt es, habe eine üble Nachrede begangen. Er habe mit seinen Äußerungen „erkennbar“ das Gericht „des Verbrechens der Rechtsbeugung bezichtigt“. Macht 60 Tagessätze zu je 150 Euro Geldstrafe.
Bei der Anwaltskammer Düsseldorf sind sie baff: „So was ist so gut wie noch nie passiert“. Ute Haßkamp, Vorstandsangehörige und selbst Rechtsanwältin, kritisiert das Justizgebaren: „Verteidigern muss es möglich sein, im berechtigten Interesse der Mandanten ein Gericht auf fatale Folgen aufmerksam zu machen, wenn das Gericht aus Verteidigersicht an einer irrigen Rechtsauffassung festhält“.
Inzwischen ist die Akte auf über 220 Blätter angeschwollen und wird noch dicker. Denn Rechtsanwalt Thielmann will durch seine Kollegin Andrea Groß-Bölting einen Freispruch erreichen. Für diesen Weg wiederum sind – bei einer eh überlasteten Justiz – drei Gerichtsinstanzen möglich. Mit jeweils acht Zeugen, darunter die fünf angeblich beleidigten Berufsrichter.
Es sieht ganz so aus, als könne dieses Verfahren die Waage der Justitia aus dem Lot bringen. (pbd)