Nehmen an, was ja nicht schwierig ist, ein Internetnutzer interessiert sich nicht für Kinderpornografie. Aber für legale Pornografie, was ja vorkommen soll.
Wie groß ist sein Risiko, ins Visier der Kinderporno-Fahnder zu geraten?
Hierzu ein aktuelles Beispiel:
Bei einem Landeskriminalamt geht der Hinweis ein, dass unter der Domain http://… . … . info/guestbook/index.php ein Board eröffnet worden ist mit dem Titel „… Guestbook lolitas pics video board“. Thema des Boards: „keine Spams, saubere und funktionierende Links mit frei zugänglichen Bildern und Videos“.
Die Polizei nimmt dies zum Anlass, das Board zu überprüfen. Sie stellt dabei fest, dass sich möglicherweise (auch) Sammler von Kinderpornografie dort austauschen. Neben weiteren 2551 Einträgen sichert sie auch jenen eines „Carl“, der folgenden Link gepostet hat: http://(großer Uploadservice).de/files/2……30/3DSMax_22.mpgt.html. Die URL enthält keinen Hinweis darauf, welchen Inhalt die Datei hat. Es sei denn, „Max“ ist ein bestimmter Szenecode. Der dürfte unserem Pornokonsumenten aber kaum bekannt sein.
Die Datei ist bei einem Gratis-Uploadservice gehostet. Es handelt sich um einen Film, in dem ein vierjähriges Mädchen missbraucht wird. Die Polizei stellt fest, dass der Film innerhalb von 14 Stunden knapp 2700 mal heruntergeladen wurde.
Ihre Schlussfolgerung:
Es ist davon auszugehen, dass Personen, die diese Videodatei heruntergeladen haben, mit den Personen identisch sind, die sich auf dem Board aufhielten, da auf diesem Board der Downloadlink verbreitet wurde.
Ob und wie der Downloadlink vielleicht anderweitig verbreitet wurde, überprüft die Polizei nicht. Stattdessen lässt sie vom Hoster die Datei austauschen. Gegen die „strafrechtlich nicht relevante“ Videodatei Sandra-model2.mpeg.
In den folgenden drei Monaten schaut die Polizei zu, wer alles auf den Link http://(großer Uploadservice).de/files/2……30/3DSMax_22.mpgt.html klickt. Sie sammelt knapp 7500 IP-Adressen von über tausend Providern.
Die Inhaber aller rückverfolgbaren IP-Adressen werden zu Beschuldigten. Die Begründung:
Der Downloadlink stammt von einem Board mit eindeutig kinderpornografischen Charakter, so dass davon auszugehen ist, dass Personen, die den betreffenden Download vornahmen, sich ausschließlich kinderpornografische Schriften verschaffen wollten.
Diese Aussage enthält einige Unschärfen. Zunächst war das Board keineswegs kinderpornografisch. Was sich schon daran zeigt, dass unzählige dort gepostete Links keine weiteren Ermittlungen auslösten – weil sie zu legaler Pornografie führten.
Schlimmer ist aber noch, dass die Polizei einfach unterstellt, alle Personen, die den Link angeklickt hätten, seien darauf über das angeblich kinderpornografische Portal gekommen. Dass der Link – mit vielleicht irreführenden oder gar keinen Inhaltsangaben, zum Beispiel über eine der unzähligen Linklisten, in anderen Boards oder als Spam-Mail – auch anderweitig verbreitet worden sein könnte, liegt außerhalb ihrer Vorstellungswelt. Oder sie blendet es aus.
Ebenso wie die Möglichkeit, dass der Inhalt eines Links nicht statisch sein muss. Oder jene, dass Internetnutzer einfach „zufällig“ auf die Datei stoßen.
Unser Pornofreund hat sich jedenfalls über die strafrechtlich nicht relevante Videodatei Sandra-model2.mpeg gefreut. Bis er die Polizei im Hause hatte und nicht einmal ansatzweise nachvollziehen konnte, was die von ihm wollte. Bei der Durchsuchung machten die Beamten noch wichtige Gesichter. Später nur noch lange, denn sie fanden nur unzählige Dateien vom Schlage Sandra-model2.mpeg. Aber keine einzige mit Kinderpornografie.
Man könnte jetzt denken, dass die zuständigen Beamten sich fragen, wieso ihre auf dem Papier so wasserdicht klingenden Ermittlungen einschließlich rechtlich fragwürdiger Honeypots immer wieder zu so vielen Unschuldigen führen und die Verfahren eingestellt werden.
Für Fragen und Selbstkritik ist in diesem selbstgerechten Business aber keine Zeit. Unser Pornosammler ahnt das inzwischen. Unzählige andere sitzen aber heute vor ihren Rechnern und jagen nach kostenlosen Inhalten. Um in absehbarer Zeit ebenso wie er ungläubig zu staunen, wenn es morgens um halb sieben an der Türe klingelt.
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