Wenig angetan

Elf Jahre hat der Mandant in einer Gaststätte als Kellner gearbeitet. Erst neulich kam ihm der Gedanke, dass er möglicherweise Anspruch auf Urlaub hat. Und dass er auch nicht durchgehend sieben Tage die Woche arbeiten muss. Der Wirt wies diese neumodischen Ideen zurück; die Kündigung schob er gleich nach.

Vor dem Termin bei mir hat sich der Mandant, der nicht sehr gut deutsch spricht, eingehend von Freunden „beraten“ lassen. Die haben ihm schon mal ausgerechnet, was er für elf Jahre rückwirkend fordern kann. Zuzüglich der fetten Abfindung. Heraus kam eine stolze Summe, die mir auf einem Zettel präsentiert wurde.

Ich durfte dann erklären: Urlaub verfällt, vergütungspflichtige Mehrarbeit ist zu beweisen. Außerdem gibt es Verfallfristen und Verjährung. Hierauf können sich auch böse Arbeitgeber berufen.

Bei dem, was rechnerisch übrig blieb, hielt sich die Begeisterung deutlich in Grenzen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nicht erklärt, dass es in Kleinbetrieben keinen Kündigungsschutz gibt…

Lkw-Convention

Auf dem Medienforum Mittweida war es sehr nett. Auch wenn ich leider den gestrigen „Biergipfel“ verpasst habe, weil ich heute im Büro sein muss.

Allerdings hätte ich fast auf dem Rastplatz Herleshausen Nord übernachten müssen. Der war so mit Lkws vollgestopft, dass ich kaum noch rausgefunden habe. Lag wohl daran, dass Brummifahrer mittlerweile lieber im Parkverbot stehen als ihre Fahrzeit zu überschreiten.

Jedenfalls musste ich einem verzweifelten Mann („Ich darf nicht weiter fahren“), der mir die Durchfahrt blockierte, erst mit der Autobahnpolizei drohen, bevor er etwas zur Seite setzte. „Ist überall dasselbe, nirgends gibt es genug Ruheplätze“, fluchte der Lkw-Fahrer.

Ach so, und ich dachte zuerst, der Rasthof ist besonders beliebt, weil es ja sonst eher selten direkt an der Autobahn einen Beate-Uhse-Schuppen gibt.

Nicht nötig

Telefonnotiz:

Fr. A. hat den Termin für Mi abgesagt weil das Jugendamt ihr sagte, dass sie keinen RA braucht.

Ganz schön schlau, die beim Jugendamt. Ob sie dabei bleiben, wenn der Jugendrichter Frau A. demnächst wegen gefährlicher Körperverletzung für zwei Wochen einfahren lässt?

Anwaltskalender 2008

Juristenkalender 2008? Warum nicht, so lange er die bissigen Motive von Wulkan bringt. Die Bilder des Karikaturisten sind regelmäßig auch im law blog zu sehen. Wer sich Wulkans neueste Werke an die Wand hängen will, kann sich den Kalender für 19,90 Euro (zuzüglich 5,50 € Versand) bestellen. Telefonisch unter 0172 200 35 70. Oder per Mail: wulkan@arcor.de.

Bekehrung

Stundenlang durch neue Bundesländer gefahren. Wichtigste Erkenntnis: Es ist schwer, im Radio was Härteres als Simon & Garfunkel zu finden. Und ich dachte echt, ich wäre der Letzte, der sich mal einen iPod kauft.

Werktägliche Geschäftigkeit

Obwohl Automaten-Videotheken ohne Personal funktionieren, sollen sie in Nordrhein-Westfalen auch sonntags geschlossen bleiben. So will es das Oberlandesgericht Düsseldorf. Die Richter sehen es als wettbewerbswidrig an, wenn sich Bürger am Sonntag von einem Roboter Videos geben lassen:

Gestützt wird der Beschluss auf § 3 Feiertagsgesetz NRW:

An Sonn- und Feiertagen sind alle öffentlich bemerkbaren Arbeiten verboten, die geeignet sind, die äußere Ruhe des Tages zu stören, sofern sie nicht besonders erlaubt sind.

Dass in der Videothek eigentlich niemand arbeitet, umgehen die Richter mit einer bemerkenswerten Auslegung der Vorschrift:

Durch die Öffnung ihres Ladengeschäfts an Sonn- und Feiertagen für den Kundenverkehr und die Vermietung von Filmen übt die Beklagte nach außen erkennbar ihre gewerbliche Tätigkeit und damit öffentlich erkennbare Arbeit aus, auch wenn sie an Sonn- und Feiertagen die Ladenöffnung und den Vermietungsvorgang ohne den Einsatz von Personal in automatisierter Form bewerkstelligt.

Wieso stört aber eine Automaten-Videothek die „Ruhe des Tages“? Dazu die Richter:

Wenn, wie im Streitfall, die Vermietung von Videofilmen in einem für die Kunden zugänglichen Ladengeschäft betrieben wird, erweckt dies aufgrund des Kundenverkehrs in dem Ladengeschäft auch nach außen den Eindruck werktäglicher Geschäftigkeit und stört damit die äußere Ruhe von Sonn- und Feiertagen. Anders als an Bankautomaten halten sich Kunden, die Videofilme zunächst aussuchen und sodann – automatisiert – mieten, für eine gewisse Zeit in dem betreffenden Ladengeschäft auf, was eine typisch werktägliche Tätigkeit ist. Für den Kauf von Lebensmitteln an Warenautomaten, die in der Regel an Orten wie Bahnhöfen aufgestellt sind, um den Reisebedarf zu decken, ist das Betreten eines Ladengeschäfts nicht erforderlich.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, auf den sich das OLG Düsseldorf bezieht, erkennt in einem älteren Beschluss sogar eine gesellschaftspolitische Dimension:

Die vermieteten Videokassetten und DVDs dienen zwar auch dem Freizeitvergnügen der Kunden an Sonn- und Feiertagen. Sie müssen zu diesem Zweck aber nicht notwendigerweise auch an diesen Tagen entliehen werden, sondern können werktags zum Gebrauch an Sonn- und Feiertagen gemietet werden…. Art. 140 GG, Art. 139 WRV machen die Rechtmäßigkeit der zum Schutz der Sonntagsruhe getroffenen gesetzlichen Regelungen auch nicht davon abhängig, dass spontane Wünsche auf der Stelle befriedigt werden können, und muten dem betroffenen Publikum mit dem gesetzlichen Schutz der Sonntage und Feiertage eintretende Beschränkungen als verfassungsmäßige Beschränkungen grundrechtlicher Freiheiten zu.

Aber es gibt doch die Ausnahmevorschrift des § 4 Ziff. 5 Feiertagsgesetz NRW. Erlaubt sind danach

Arbeiten, die der Erholung im Rahmen der Freizeitgestaltung dienen. Dazu gehört insbesondere der Betrieb von Saunas, Bräunungs- und Fitnessstudios.

Aus dem Nachsatz („insbesondere“) entnehmen die Richter, dass es sich um Angebote handeln muss, die „an Ort und Stelle“ gemacht werden. DVDs ausleihen und zu Hause gucken, falle „ersichtlich“ nicht darunter.

Warum, wird nicht erklärt. Ausgerechnet am entscheidenden Punkt fehlen den Richtern also die Argumente. Sie haben auch keine. Der Nachsatz macht nur klar, dass die Ausnahme für bestimmte Sparten jedenfalls gilt und es auch andere Ausnahmen gibt. Keineswegs grenzt er aber die in Frage kommenden „Arbeiten“ ein. Schon gar nicht ergibt sich aus ihm der Grundsatz, dass der Kunde unmittelbar an Ort und Stelle direkt von der Arbeit profitieren muss.

Aber wo eine Mission ist, da findet der Jurist auch den passenden Dreh. Man könnte auch sagen: Wünsche einen schönen Kirchgang gehabt zu haben.

Folklore

Die Stadt Hannover stoppt den Verkauf eines Adventskalenders. Auf einem Motiv is – mitten in weihnachtlicher Idylle – ein Mann mit Hut und Hackebeil abgebildet. Es soll sich um den Mörder Fritz Haarmann, den „Werwolf von Hannover“, handeln. Haarmann soll bis 1924 mindestens 24 Menschen umgebracht haben.

Zu den Umständen seiner Überführung heißt es in der Wikipedia:

Vor dem Geständnis wurde Haarmann in eine Zelle gesperrt, die durch die Polizei präpariert worden war. Unter der Decke waren in jeder Ecke der Zelle Bretter angebracht, auf die Schädel platziert wurden, deren Augenhöhlen mit rotem Papier ausgekleidet waren. Die Schädel wurden dann von hinten beleuchtet. Haarmann selbst wurde in die Zelle geführt und dort angekettet. Außerhalb der Reichweite der Kette wurde ein Sack mit Gebeinen der Leichen aufgestellt. Die Polizisten sagten Haarmann, dass die Seelen der Verstorbenen ihn jetzt holen kommen würden, wenn er nicht geständig wäre. Diese Tatsache wurde erst Anfang der 1960er Jahre bekannt. Außerdem wurde Haarmann bei den Polizeiverhören mit einem Gummischlauch geschlagen und in die Genitalien getreten.

Wie dpa berichtet, war Haarmann schon auf dem letztjährigen Adventskalender zu sehen. Damals habe allerdings niemand Anstoß genommen.

(Quelle des Links)

Schweigepflicht über das Übliche

Faire Konditionen dürfen nicht beworben werden – wenn sie marktüblich sind. Mit dieser Begründung straft das Landgericht Düsseldorf ein Tankkartenunternehmen ab, das mit folgendem Text Reklame gemacht hatte:

Faire Konditionen

Die Einrichtung und die Nutzung des Road Account kosten Sie keinen Cent. Weder versteckte Gebühren noch unkalkulierbare Zinsen erschweren Ihnen den Überblick über den aktuellen Stand Ihrer Mautgebühren. Sie sind stets up-to-date.

Einrichtung und Nutzung sind kostenlos

keine versteckten Gebühren

keine Zinsen

Ein Wettbewerber beanstandete nicht, dass dies nicht stimmt. Vielmehr stimmt alles, aber es handelt sich laut Landgericht Düsseldorf um „Selbstverständlichkeiten“. Durch die Betonung dieser Punkte erwecke die Tankkartenfirma den Eindruck, „dass all dies ein Vorzug der beworbenen Leistung vor vergleichbaren anderen Angeboten sei“. Da aber kein anderer Mitbewerber Gebühren oder Zinsen nehme, seien die Angaben wettbewerbswidrig.

Müssen Supermärkte jetzt aufpassen, wenn sie mit „kostenlosen Parkplätzen“ werben? Oder, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen, Banken, die darauf hinweisen, dass ihre Tagesgeldkonten „gratis“ sind?

re:publica 2008

Die re:publica geht in die zweite Runde. Vom 2. bis 4. April 2008 geht es um die kulturellen und gesellschaftlichen Aspekte des Web 2.0. Titel der Konferenz: „Die kritische Masse.“

Eine der wenigen Veranstaltungen, zu denen ich mich blind anmelden würde. Nur leider bin ich in der Woche weg.