Bis dahin

Manche Leser ahnen, dass ich endemisch allgemeine Anfragen bekomme und nur die wenigsten beantworten kann. Ein Leser bringt die korrekte Erwartungshaltung am Ende seiner Mail auf den Punkt:

Es wäre schön, wenn ich von Ihnen hören würde, wenn nicht macht auch nichts und so verbleibe ich bis dahin…

Aber das OLG hat es entschieden…

Ich habe mich vorhin mit einem Strafrichter am Amtsgericht darauf geeinigt, dass das Verfahren gegen meinen Mandanten ohne Hauptverhandlung eingestellt wird.

Der Antrag, mich als Pflichtverteidiger beizuornden, war nach Auffassung des Richters damit „erledigt“:

Es findet ja keine Haupverhandlung mehr statt. Da kriegen Sie ohnehin kein Honorar aus der Staatskasse.

Verwechselte da jemand die Beiordnung des Verteidigers mit der Prozesskostenhilfe im Zivilverfahren? Ich wies darauf hin, dass ich zig Fälle pro Jahr habe, in denen ich erst in der Hauptverhandlung beigeordnet werde. Trotzdem zahle die Staatskasse anstandslos auch die Gebühren aus dem Ermittlungsverfahren.

Der Richter hielt das für einen „schweren Fehler“ – der Staatskasse. Das sei nämlich ganz anders. Zumindest laut Oberlandesgericht Düsseldorf. Das habe nämlich so entschieden.

Wenn das so ist, hoffe ich nur, dass die OLG-Richter keine Probleme wegen Rechtsbeugung bekommen. Im Gesetz (§ 48 Abs. 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) ist die Wirkung der Beiordnung nämlich unmissverständlich geregelt:

Wird der Rechtsanwalt in Angelegenheiten nach den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses im ersten Rechtszug bestellt oder beigeordnet, erhält er die Vergütung auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung, in Strafsachen einschließlich seiner Tätigkeit vor Erhebung der öffentlichen Klage und in Bußgeldsachen einschließlich der Tätigkeit vor der Verwaltungsbehörde. Wird der Rechtsanwalt in einem späteren Rechtszug beigeordnet, erhält er seine Vergütung in diesem Rechtszug auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung. Werden Verfahren verbunden, kann das Gericht die Wirkungen des Satzes 1 auch auf diejenigen Verfahren erstrecken, in denen vor der Verbindung keine Beiordnung oder Bestellung erfolgt war.

Die erwähnten Teile 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses sind Strafsachen, Bußgeldsachen und sonstige Verfahren.

Bestens vorbereitet

Das Gutachten gerade war eine Freude. Der Sachverständige hat gleich die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners samt Adresse und die Versicherungsscheinnummer ermittelt. Außerdem hat er eine Kopie des Unfallberichts in das Gutachten geheftet. Am Anfang des Gutachtens hat er seine Ergebnisse in einer übersichtlichen Tabelle zusammengefasst.

Da bleibt für mich ja kaum noch was zu tun…

Plötzlich zwölf Handys

Michael Kohl hatte Gelegenheit, dem Bundesinnenminister eine Frage zu stellen:

„Herr Dr. Schäuble, wie können Sie garantieren, dass die Online-Durchsuchung tatsächlich nur in Einzelfällen eingesetzt wird?“

Die Antwort im Video:

Die Antwort schriftlich (gefunden im RA-Blog):

…genehmigen von den G-10-Kommissionen, da muss im Einzelfall begründet werden. Es gibt mehr Maßnahmen, das ist schon wahr [unverständlich], das will ich nicht sagen.

Da haben wir doch, neulich hat die Polizei, Bundesanwaltschaft drei so, die terroristische Anschläge von erheblicher Qualität geplant haben, 600 Kilogramm Sprengstoff ist ja nun keine Kleinigkeit, und die benutzen, die haben ungefähr ein Dutzend Handys benutzt, nicht, so mit Prepaid-Karten und ein Mal telefonieren kurz, gleich wieder wegschmeißen, nächste. Und dann muss natürlich die Polizei, wenn sie überwachen will, oder der Richter, genehmigt der zwölf Handys, plötzlich [unverständlich] sich verzwölffachen.

Und deswegen bleibt, der Norbert Geis, dass 99, die Aussage, dass 99% nicht betroffen sind, wenn er gesagt hätte 99,9% werden niemals davon betroffen sein, hätte er auch Recht gehabt. Das ist so.

Das ist gesetzlich sicherzustellen, nur, wir haben ja den, wir haben ja den Vorschlag gemacht, es darf nur in engen Fällen, Abwehr wirklich terroristischer Bedrohung ernsthafter Art, dann muss, kann das Bundeskriminalamt, wir haben sogar gesagt, nur der Präsident darf den Antrag stellen und ein Richter muss ihn genehmigen und er muss begründen warum. So. Glauben Sie, das werden viele Maßnahmen sein? Erstens. Zweitens, um [unverständlich] was immer man unter Online-Durchsuchung versteht, da reden ja auch die Leute alle ganz klug, die keine Ahnung haben. Es ist so aufwändig, dass der Chef des Bundeskriminalamts, der Herr Ziercke, der versteht e bissel was davon. Ich versteh nix davon. Er hat gesagt, so ’ne Maßnahme ist so aufwändig, wir wären überhaupt nur in der Lage, zehn pro Jahr überhaupt zu versuchen, ob sie gelingen, ist noch was anderes. Also der Norbert Geis hatte mit anderen Worten einfach Recht.

Zu 80 %

Der neue Mandant hat heute noch einen Termin bei einem anderen Strafverteidiger. Was er mir am Ende des Gesprächs sagte. Er fügte an: „Aber Sie haben den Auftrag schon zu 80 %.“

Also, 95 hätte ich eher als Kompliment verstanden.

Die PIN ist sicher – wirklich?

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen steckt mitten in einer ihrer größten Schlachten. Sie kämpft gegen nahezu übermächtige Kreditinstitute, die alle behaupten: Das Abheben von Bargeld am Automaten mit der Persönlichen Identifikationsnummer (PIN) ist sicher. Ist es nicht, hält Hartmut Strube strikt dagegen. Und deshalb hat er namens der Verbraucherzentrale gleich fünf Klagen eingereicht.

Postbank, Deutsche Bank und Stadtsparkasse Düsseldorf sind in diesen Musterprozessen ebenso Gegner wie die Citibank und die Euro-Kartensystem-Gesellschaft („Mastercard“). Dabei geht es hart her. Die Stadtsparkasse etwa hatte rundweg bestritten, dass die Verbraucherzentrale überhaupt klagen darf. Denn die hatte sich, wie in den anderen Fällen, von geschädigten Kreditinstitut-Kunden deren Forderung abtreten lassen.

Es ist ein Marsch durch die Instanzen. Das Landgericht Düsseldorf hielt die Klage für unzulässig; dieser Entscheidung folgte das Oberlandesgericht (OLG). Erst der Bundesgerichtshof hielt das „Verbandsklagerecht“ für rechtens. Mit der Folge, dass nun wieder das OLG Düsseldorf die Sicherheit des PIN-Systems zu überprüfen hat.

Strube hält es mit starken Argumenten und drastischen Beispiel für lausig. „Auf Mallorca“, so berichtet er, „wurde jemand angerempelt – 15 Minuten später ist begonnen worden, das Konto abzuräumen“. Woher, das ist Strubes folgerichtige Frage, soll der Dieb der ec-Karte die PIN gehabt haben? Die war, im Zweifelsfall, auf der Karte notiert, antworten die Kreditinstitute unisono.

Gerne auch diese Variante: Der Kunde hat die Karte samt PIN weggegeben. Strube glaubt das nicht und legt mit einem anderen Beispiel nach. Er kann beweisen, sagt er, dass die PIN noch im verschlossenen Umschlag steckte, dennoch Geld abgehoben wurde. Strube hat drei Thesen für die Unschuld der geneppten Kunden. Wenn zwei von erlaubten drei PIN-Eingaben falsch sind, errechnet irgendein (illegales) Programm die letzte richtige Ziffernfolge.

Es gibt, so die zweite Überlegung, eine Möglichkeit, Übertragungspunkte anzugreifen. Hebt ein Kunde aus Düsseldorf in Neuseeland am Automaten Geld ab, dann gibt es keine direkten Übertragungsweg. Irgendwo dazwischen könnte also gepfuscht worden sein. Schließlich, so denkt Strube, sei ja doch ein Mittäter innerhalb eines Kreditinstitutes nicht auszuschließen.

Die Verbraucherzentrale will also die Beweislast umkehren. Nicht ein Kunde muss seine Unschuld beweisen, sondern die Institute sollen ihre nachweisen. Doch die hüllen sich in einen großen Nebel des Schweigens, moniert Finanzjurist Strube. Sie wollen in den Prozessen ihre technischen Verfahren nicht offenbaren. Dazu befragt, antwortet Kerstin Liesem vom Bundesverband deutscher Banken in Berlin nur knapp: „Wir sagen, die PIN-Verfahren sind sicher“.

Michaela Roth pflichtet ihr bei. Sie sitzt beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband, der momentan im Deutschen Kreditausschuss die Feder führt: „Der PIN ist nicht erratbar, nicht errechenbar“. Und sie fragt zurück: „Offenlegung? Warum sollten wir unser Verfahren öffentlich machen?“ Im übrigen hätten es Experten schon untersucht. Die vom Bonner Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Dessen Sprecher Matthias Gärtner dämpft merklich: „Jedes technische System birgt Risiken“.

Es gebe Gutachten des BSI zu den jeweils geführten Prozessen. Das sind noch immer schwebende Verfahren. Dazu darf Gärtner nichts sagen. Aber die kategorische Haltung der Kreditinstitute rückt er überdeutlich gerade: „Die Aussage, ein Verfahren ist sicher, ist bezogen auf technische Systeme falsch!“

Die Verbraucherzentrale erwartet die höchstrichterlichen Urteile des Bundesgerichtshofs frühestens im nächsten Jahr. Bis dahin gilt leider, was die Deutsche Seniorenliga in ihrem druckfrischen Ratgeber verkündet: „Wurde Ihr Konto nach dem Diebstahl der EC-Karte geplündert“, so warnt die Liga „gehen Banken und Sparkassen davon aus, dass Sie die Karte zusammen mit der PIN aufbewahrt haben“. Zweitens: „Verbraucherschützer vertreten eine andere Rechtsauffassung, da moderne Computertechnik es mittlerweile ermöglicht, die PIN schnell zu entschlüsseln“.

Den Kunden, ob jung oder alt, so zwischen Baum und Borke, bleibt nur Mühe. Die Karten nur mitnehmen, wenn sie gezielt eingesetzt werden sollen. Bei der Eingabe des PIN die Hand abdecken. Falls die Karte abhanden gekommen ist, sie sofort unter Rufnummer 116 116 sperren lassen und die Polizei benachrichtigen. Gut ist es auch, den Kassenbon mit den Kontodaten nicht achtlos wegzuwerfen. Jedenfalls so lange, bis die Schlacht noch nicht für die Verbraucher entschieden ist. (pbd)

Zweites Telefon

Ich überlege mir ernsthaft, ein zweites Telefon auf den Schreibtisch zu stellen. Damit kann ich dann endlos und ohne Sorge, Anrufer bei mir zu verprellen, in den Warteschleifen der Zentrale hängen. Wie zum Beispiel gerade beim Amts- und Landgericht Düsseldorf.

„Soeben“ – von wegen

Einen knappen Monat vor dem Urlaub teilt der Reiseveranstalter mit, er habe schlechte Nachrichten. Von der Agentur vor Ort. Diese habe ihn „soeben“ darüber informiert, gegenüber dem gebuchten Hotel werde gebaut. Ob ich umbuchen möchte? Falls nicht, steht zwischen den Zeilen, gilt der mögliche Lärm als genehmigt.

Das ist interessant. Im April hatte ich das Hotel schon mal gebucht. Schon im April gab es die Baustelle. Und schon im April war der damalige Veranstalter in der Lage, mich vor der Reise nicht nur über die Baustelle zu informieren. Er bot überdies auch zehn Prozent Minderung an, was ich akzeptierte.

Habe ich schon erwähnt, dass es sich um denselben Veranstalter handelt?

Auf dem Weg zum sauberen Netz

Ausgerechnet ein Pornoanbieter sorgt dafür, dass Internetprovider den Zugang zu Pornoseiten sperren müssen. Die Kirchberg Logistik GmbH („Sexyfilms“) erwirkte beim Landgericht Frankfurt eine einstweilige Verfügung gegen Arcor. Die Verfügung verpflichtet den Provider, das Angebot von „Youporn“ zu sperren, berichtet heise online.

Zusammen mit der heutigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die hohe Hürden für die Altersverifikation aufstellt, ist das ein großer Schritt, das Internet in Deutschland zu säubern.

Mit Kollateralschäden darf gerechnet werden.

Autsch

„Tatvorwurf: Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 90 km/h. Zulässige Geschwindigkeit: 80 km/h. Festgestellte Geschwindigkeit (abzgl. Toleranz): 170 km/h.“

Das kann drei Monate Fahrverbot geben. Der Mandant bat ausdrücklich darum, ihm kein schönes Wochenende zu wünschen.