Skeptische Stimmen zur Online-Überwachung
Ein Fall für den Staatsschutz
Schwarzfahrer wider Willen
Handys stören in Kliniken nicht mehr
Schiri-Betrug im US-Basketball?
Lerne die Regeln, dann weißt du, wie man sie richtig bricht.
Ich kriege täglich Briefe von Gefangenen, die ich bisher nicht kenne. Meistens geht es um die Übernahme eines Mandates, entweder neu oder in schon länger laufenden Verfahren. Letzteres meist wegen Unzufriedenheit mit dem bisherigen Verteidiger. Neulich schrieb mir ein Inhaftierter, er brauche dringend meine Hilfe. Das Gericht, merkte er an, habe ihm einen Pflichtverteidiger genehmigt. Ich solle mich möglichst schnell melden.
Das habe ich auch gemacht. Jetzt stellt sich heraus, dass der Betreffende die Wiederaufnahme seines Verfahrens betreiben will. Eine der kompliziertesten Angelegenheiten überhaupt.
Allerdings erfahre ich auch, dass überhaupt noch nichts in die Wege geleitet ist. Demgemäß hat sich auch noch kein Gericht oder sonstwer zur Frage geäußert, ob für das denkbare Verfahren ein Pflichtverteidiger bestellt wird. Mir wäre es ehrlich gesagt lieber, der Betreffende hätte von vornherein die Karten auf den Tisch gelegt. Nämlich, dass ich erhebliche Vorarbeiten auf eigenes Risiko machen muss. Möglicherweise hätte ich mich sogar dazu breitschlagen lassen. Die Akte hätte ich mir jedenfalls angesehen.
Aber wenn ich gleich zu Beginn des Mandats beschwindelt werde, sehe ich keine Grundlage für eine Zusammenarbeit.
Ein Mandant hatte Ärger mit einem Geschäftspartner. Der zahlte plötzlich nicht mehr. Die Geschäftsbeziehung währt schon über 20 Jahre; man war fast befreundet. Die Sache ging ihren Gang. Zahlungserinnerungen, Anwalt, Mahnbescheid.
Dann liefen sich die beiden zufällig über den Weg.
Warum hast du mich nicht mal angerufen?
Jeder hat eine schlechte Phase. Du weißt ja, Ärger mit der Frau, der Stress.
Du musst dich aber doch nicht verleugnen lassen. Ich habe es so oft bei dir versucht.
Ging nicht anders. Wenn ich schlechte Laune habe, telefoniere ich nur mit Leuten, die ich nicht leiden kann. Ich will doch meine Freunde nicht anpfeifen…
Die beiden haben sich an Ort und Stelle auf einen Vergleich geeinigt.
Guten Tag Udo Vetter,
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Herzliche Grüße + schöne Ferien
Ihr Opodo-Team
Klappe, Opodo. Sonst gibt’s eine Klage. Wegen Sadismus.
„… kam uns der Gedanke nach Venlo zu fahren, um uns einen Coffeeshop mal anzugucken. Es war reine Neugier. …“
Ich vermute stark, die Kripo im Grenzgebiet hat diesen Satz längst als Textbaustein gespeichert.
Das Gericht hat mir eine CD mit Beweisvideos zugesandt. Die Filme wurden mit einem Handy gemacht, das die Polizei beschlagnahmt hat. Ich kriegte natürlich die Krise, als mein Abspielprogramm „Unbekanntes Dateiformat“ meldete.
Auf den zweiten Blick sah ich, dass jemand auf die CD auch noch den passenden Nokia Media Player gepackt hat. Das ist wirklich zuvorkommend.
19.15 Uhr: Vor mir liegen acht proppenvolle Aktenordner. Protokolle einer Telefonüberwachung.
Kann ein einzelner Mensch in zwei Monaten überhaupt so viel telefonieren?
19.32 Uhr: Er kann. Aber die Staatsanwältin hat vorgearbeitet. An den interessanten Stellen kleben blaue Fähnchen. Es sind nur 20, 30 Stück.
Danke! Danke! Danke!
Die HUK Coburg muss die Kosten eines Verkehrsunfalls übernehmen. Zu den Sachverständigenkosten schreibt die Versicherung:
Die Rechnung für das Gutachten haben wir mit 225,55 € ausgeglichen. Wir erachten ein Sachverständigengutachten in dieser Höhe für üblich und angemessen. … Nach unseren Erkenntnissen akzeptiert der Sachverständige diese Abrechnung.
Gekürzt haben sie 6,50 €. Warum genau dieser stolze Betrag, erfahre ich zwar nicht. Aber wenn’s der Sachverständige mit sich machen lässt, soll es nicht meine Sorge sein.
Aus dem Schreiben einer Kollegin:
Die Unterzeichnerin befindet sich in der Zeit vom 20. Juli bis einschl. 04. August urlaubsabwesend.
In den USA haben sich Häftlinge ihre Namen schützen lassen. Anschließend erpressten sie die Gefängnisleitung mit Millionenforderungen. Naheliegende Begründung: Die Justizmitarbeiter hätten das Copyright verletzt, weil sie die Namen der Gefangenen ohne Genehmigung verwendet hätten.
Die Washington Post berichtet:
The indictment alleges that inmates Russell Dean Landers, Clayton Heath Albers, Carl Ervin Batts and Barry Dean Bischof sent demand notices for payment to the warden of the El Reno federal prison and filed liens against his property. They then hired someone to seize his vehicles, freeze his bank accounts and change the locks on his house.
Then, believing the warden’s property had been seized, the inmates said they wouldn’t return his property unless they were released from prison, according to the indictment.
Mit der „Vollstreckung“ ihrer Forderungen beauftragten die Häftlinge allerdings einen FBI-Agenten, der undercover ermittelte. Jetzt drohen ihnen weitere Haftstrafen wegen Erpressung.
Aus einem Durchsuchungsbericht:
Die Wohnung ist zweckdienlich eingerichtet.
Nach dem Betrachten der Fotos sage ich: Respekt für diese diplomatische Ausdrucksweise.
Okay, da gibt es einen Rafael Markus Jones*. Der hat als Toilettenmann gearbeitet. Mit den 50-Cent-Münzen der WC-Besucher soll er vorwiegend den eigenen Geldbeutel gefüllt haben. Das gab, logisch, eine Strafanzeige seines Arbeitgebers.
Die zuständige Bundespolizeiinspektion nimmt die Ermittlungen auf. Dabei stellt sie fest, dass ein Rafael Markus Jones an der Grünstraße 66 wohnt. Laut Ausländerzentralregister hat er im Mai 2006 eine Niederlassungserlaubnis erhalten.
Gleichzeitig vermerkt der Beamte, dass er für den Namen Rafael Markus Jones auch noch Aliaspersonalien gefunden hat. Ein gewisser Kingsley John David soll laut Computer mal unter dem Namen Rafael Jones Markus aufgetreten sein. Kingsley John David seien die „Führungspersonalien“ eines Mannes, der mit einer ausländerrechtlichen Duldung in der Nachbarstadt verzeichnet sei und in einer Asylbewerberunterkunft lebe. Sein Asylantrag sei abgelehnt.
Der Beamte schickt eine Vorladung zur Vernehmung an die Grünstraße 66. Die Post kommt zwar nicht zurück. Der Beamte will aber nicht ausschließen, dass er „aufgrund systembedingter Umstände des hier genutzten Datenverarbeitungsprogramms“ die Post aus Versehen an Kingsley John David und nicht an Rafael Markus Jones adressiert hat.
Deshalb lädt er Kingsley John David noch mal vor, und nun auch bewusst als Kingsley John David, weil es sich ja um die „Führungspersonalien“ handelt. Diesmal adressiert er das Schreiben auch nicht an die Grünstraße 66, sondern an das Asylbewerberheim in der Nachbarstadt. Dort soll Kingsley John David ja wohnen.
So erfährt also mein Mandant namens Kingsley John David, dass er unter seinem angeblichen Alias-Namen Rafael Jones Markus als Toilettenmann gearbeitet haben soll, wenn auch in leicht abgewandelter Form. Denn bei der Firma gearbeitet hatte nicht ein Rafael Jones Markus, sondern ein Rafael Markus Jones.
Fast überflüssig zu erwähnen, dass mein Mandant nicht der Toilettenmann ist. Er hat zwar mal einen Aliasnamen benutzt. Aber mit dem Familiennamen Markus. Nicht mit dem Familiennamen Jones. Dass man mit den Wildcards auch in öffentlichen Registern aufpassen muss, hat sich anscheinend noch nicht in allen Dienststuben rumgesprochen.
Stutzig hätte aber auch der Umstand machen können, dass Rafael Markus Jones ordnungsgemäß an der Grünstraße 66 gemeldet ist und seit über einem Jahr eine Aufenthaltsberechtigung hat. Wieso sollte der Betreffende dann noch gleichzeitig als abgelehnter Asylbewerber mit einer Duldung in einer städtischen Unterkunft wohnen?
Das Verfahren ist jetzt vier Monate alt. Keiner der Beamten kam übrigens bislang auf den Gedanken, mal an die Grünstraße 66 zu fahren, bei Jones zu klingeln und zu gucken, wer da wohl die Tür aufmacht. Stattdessen wird munter an der Theorie festgehalten, David sei Jones, und wenn nicht, dann jedenfalls Markus, auf jeden Fall aber potenziell der Täter.
Bevor jemand lacht: Dasselbe funktioniert auch mit Müller, Maier und Schulze.
*Namen und Adresse geändert.
Der Bezirksrevisor* am Landgericht Koblenz hat wenig Argumente, dafür spielt er auf der Klaviatur der Satzzeichen:
Die Angelegenheit hat für den Betroffenen nur eine geringe Bedeutung!
Geringe Bedeutung? Ich möchte den Mann mal sehen, wenn er drei Punkte in Flensburg aufs Auge gedrückt bekommen soll. Dabei ist er noch nicht mal Berufskraftfahrer, im Gegensatz zu meinem Mandanten.
*Der Bezirksrevisor prüft Erstattungsanträge, wenn die Staatskasse Kosten übernehmen muss.
Die Postbank rät:
Lernen Sie bitte Ihre Geheimzahl auswendig.
Es ist wirklich unglaublich, wie deutsche Gerichte den Persönlichkeitsschutz kultivieren. In einem aktuellen Fall verbietet das Landgericht Berlin der Tageszeitung „Die Welt“, das Porträtfoto eines bekannten Medien- und Prominentenanwalts zu veröffentlichen. Die Zeitung hatte unter dem Titel „Die Rache der Genervten“ berichtet, wie der betreffende Anwalt „auf die Berichterstattungsfreiheit einwirkt“. Diesen Artikel hatte sie mit einem Foto des Juristen illustriert.
Aus dem Urteil:
Der Prominentenanwalt kann – anders als manch einer seiner Prominenten – selbst darüber befinden, ob, wann und wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit im Bild darstellen will. Mag der Kläger auch gegen seine namentliche Nennung im Zusammenhang mit seinen Auftritten als Medienrechtsexperte sowie als Anwalt seiner prominenten Mandanten – verständlicherweise – nichts einzuwenden haben, und gelegentlich auch Bildberichterstattungen hinnehmen, ist nicht im Entferntesten dargetan oder ersichtlich, dass er auch sonst – ähnlich wie Teile seiner Mandantschaft – Gefallen an öffentlichen, aufsehen erregenden Auftritten und an der bildlichen Präsentation seiner Person in der Öffentlichkeit, auch über die Medien finden würde.
Selbst wenn der Kläger im Rahmen seines beruflichen Wirkens hervorgetreten ist und zum Teil das Interesse der Öffentlichkeit dabei selbst gesucht hat, hat er sich damit nicht des Rechts begeben, über sein eigenes Bildnis zu verfügen. Es steht dem Kläger frei, für seine berufliche Tätigkeit zu werben; dagegen ist es nicht Aufgabe der Presse, ohne seine Zustimmung etwaige Werbeeffekte zu intensivieren oder zu schmälern.
Ich könnte dem Urteil ja noch einen Hauch Verständnis entgegenbringen, wenn der betreffende Anwalt jahrein, jahraus im Hinterzimmer an Verträgen strickt und das Licht der Öffentlichkeit scheut. Aber einer, der nach den Feststellungen des Gerichts selbst als Medienrechtsexperte auftritt und dabei (was für eine grandiose Formulierung!) Bildberichte „hinnimmt“?
Geradezu obszön ist der Hinweis, es sei nicht Aufgabe der Presse, etwaige Werbeeffekte zu intensivieren oder zu schmälern. Kann den Berliner Richtern mal einer erklären, dass es im redaktionellen Teil einer Zeitung nicht um Werbung geht, sondern um freie, gewünschtermaßen auch kritische Berichterstattung?
Dass das virulente Thema Pressefreiheit und die Rolle von Presseanwälten selbst ein hinreichender Anlass für die Berichterstattung sein könnten, scheint dem Gericht nicht einmal eine Überlegung wert. Wahrscheinlich schon deshalb nicht, weil es mit einem Eingeständnis verbunden wäre, dass die Rechtsprechung einiger Pressekammern, zu denen auch die Berliner gehört, mittlerweile selbst ein zeitgeschichtliches Ereignis ist und der Kläger in dieser Inszenierung mehr als eine Statistenrolle spielt.