Null Reaktion

Für die Haftprüfung gelten eigentlich klare Vorgaben:

Die mündliche Verhandlung ist unverzüglich durchzuführen; sie darf ohne Zustimmung des Beschuldigten nicht über zwei Wochen nach dem Eingang des Antrags anberaumt werden.

Umso erstaunter bin ich, dass übermorgen in einer Haftsache die Zweiwochenfrist abläuft. Eine Ladung liegt bislang nicht vor. Auch keine Nachricht des zuständigen Richters. Ich kenne es schon, dass Untersuchungsrichter es terminlich einfach nicht hinbekommen und fragen, ob der Termin vielleicht einige Tage später stattfinden kann. Da findet sich fast immer ein Kompromiss.

Aber null Reaktion – das hatte ich vor Jahren nur einmal. Die Beschwerde gegen die Untätigkeit des Richters hatte damals sogar einen Teilerfolg. Der Haftbefehl wurde, wenn auch grummelnd, gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

Ich warte also erst einmal den Fristablauf ab…

Aufschlussreiche Kopien

Ein Schuldner schreibt an den Gerichtsvollzieher, dass er am Tag des angekündigten Besuchs nicht da sein wird. Außerdem:

Damit Sie unsere finanzielle Lage abschätzen können, füge ich Kopien unserer Lohnabrechnungen bei. Ich bitte Sie inständig, von Lohnpfändungen abzusehen, da dies zur Kündigung führen würde.

Der Gerichtsvollzieher hat uns natürlich eine Kopie des Schreibens zugesandt, einschließlich der Abrechnungen. Auf einfacherem Weg kann man den Arbeitgeber und die aktuelle Bankverbindung des Schuldners wirklich nicht erfahren.

Die Anweisung von unserem Mandanten ist auch klar. Wir tun dann mal, was getan werden muss.

Die neue Adresse

Wenn ich hier Smileys hätte, würde ich jetzt den kleinen Wirrkopf nehmen, der ständig gegen eine Wand hämmert. Obwohl meine Mandantin inständig darum gebeten hat, dass die Polizei ihre neue Adresse nicht in die Ermittlungsakte schreibt, ist genau das passiert.

Bietet sich ja auch an, bei einem Stalking-Opfer, das nach einigen sehr unschönen Vorfällen extra umgezogen ist. Dass der Beschuldigte über einen Anwalt Akteneinsicht nehmen könnte, damit war ja nun rein gar nicht zu rechnen.

Und jetzt hätte das Männchen seinen Auftritt.

ELENA weiß es

Die Bundesregierung möchte, dass alle Arbeitgeber künftig jeden Monat elektronisch an eine Zentralstelle melden, wie viel jeder ihrer Arbeitnehmer verdient. Der elektronische Einkommensnachweis (ELENA) soll es Behörden angeblich erleichtern, Anträge auf Arbeitslosengeld oder sonstige Leistungen zu bearbeiten.

Gegen die neue Datenkrake regt sich nun Kritik:

heise online

Walfischbucht

Focus

Man sollte dringend überlegen, auch die Arbeit der Sozialämter zu vereinfachen. Die prüfen bei Antragstellern ja auch die Kontoauszüge. Ist es da nicht dringend erforderlich, schon mal vorsorglich die Kontodaten aller Bundesbürger zu speichern? Der eine oder andere wird ja sicher mal ein Sozialfall werden.

Was mit Fristen

„Sehr geehrter Herr D.,

hiermit kündigen wir das mit Ihnen seit dem 2. November 2006 bestehende Arbeitsverhältnis zum 25. Juli 2007 aufgrund der Stornierung des Auftrags von unserem Auftraggeber. In der Anlage erhalten Sie Ihre Lohnsteuerkarte zurück.“

Das Schreiben kriegte der Mandant am 24. Juli 2007 in die Hand gedrückt.

War da nicht was mit Kündigungsfristen?

Lesen hilft

Der Mandantin eine Minute was zu einer Gerichtskostenrechung auf den AB erzählt. Dann gemerkt, dass sie gar nichts zahlen muss. Sondern die Gerichtskasse einen Überschuss erstatten wird.

Ich schiebe es auf den Montag.

Musikindustrie: Gericht stemmt sich gegen Massenanzeigen

heise online:

Das Amtsgericht Offenburg hat der dort ansässigen Staatsanwaltschaft wegen „offensichtlicher Unverhältnismäßigkeit“ untersagt, eine Provider-Anfrage zur Ermittlung der IP-Adresse eines mutmaßlichen Tauschbörsennutzers zu stellen. Das Anbieten von wenigen urheberrechtlich geschützten Musikstücken per Tauschbörsen-Client sei „der Bagatellkriminalität zuzuordnen“, erklärte das Gericht im entsprechenden Beschluss vom 20. Juli 2007 (Az. 4 Gs 442/07). Dies könnte einen Rückschlag für die deutsche Musikindustrie bedeuten, die im laufenden Jahr erklärtermaßen verschärft mit Massenstrafanzeigen gegen widerrechtliche Tauschbörsennutzung vorgeht.

Eine spannende Entscheidung. Leider gibt es genug Staatsanwaltschaften, die erst gar keinen gerichtlichen Beschluss einholen. Sie lassen einfach die Polizei beim Provider anfragen, der meist bereitwillig Auskunft gibt. Ist dies der Fall, stellt sich die Frage, ob die Weitergabe der Daten per Akteneinsicht an die „Geschädigten“ vielleicht zur Folge hat, dass die erlangten Informationen nicht verwertet werden dürfen. Diese Frage wäre für das Straf- und das Zivilverfahren getrennt zu beantworten.

Im Strafverfahren haben Bagatelluser ohnehin kaum etwas zu befürchten. Die Ermittlungen werden fast immer wegen geringer Schuld eingestellt. Deshalb sind, worauf das Amtsgericht Offenburg ja auch hinweist, die Ermittlungen von vornherein absehbar nutz- und sinnlos. Sie dienen in Wirklichkeit nur dazu, dass die „Geschädigten“ die User namentlich ermitteln und dann vor den Zivilgerichten auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch nehmen können.

Zu einem Verwertungsverbot im Zivilverfahren könnte man vielleicht kommen, indem man im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren einen Antrag auf Feststellung einreicht, dass die Akteneinsicht durch die „Geschädigten“ rechtswidrig war. Die Einsicht in die Akten ist nämlich zu versagen, wenn schutzwürdige Interessen des Beschuldigten entgegenstehen (§ 406e Absatz 2 Strafprozessordnung). Bei unzulässigen Ermittlungsmaßnahmen und sachfremden Zielen könnte man das bejahen.

Die Krux ist leider, dass der Beschuldigte ja erst von dem Verfahren erfährt, wenn der Provider die Auskunft erteilt hat. Er kann also meist nur nachträglich aktiv werden, wenn sein Name schon bekannt ist. Fast immer erhalten auch die „Geschädigten“ zuerst Akteneinsicht, da die Staatsanwaltschaften die meisten Verfahren ja ohnehin einstellen und den Beschuldigten noch nicht mal einen Bescheid zukommen lassen.

Ob ein Zivilgericht sich an die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit gebunden fühlte und zu einem Verwertungsverbot für die Informationen kommen würde? Das scheint mir eher unwahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Es gibt zum Beispiel eine vergleichbare Konstellation bei heimlich mitgeschnittenen privaten Telefonaten. Und bei sogenannten Hörfallen, wo eine versteckte Person das Gespräch mithört und dann als Zeuge benannt wird. Die so gewonnenen Informationen sind im Zivilprozess oft unverwertbar.

Offene Fragen ohne Ende. Aber der Beschluss des Amtsgerichts Offenburg ist jedenfalls ein erster Ansatz, um die unsägliche Verfolgungsmaschinerie auszubremsen.

Doppelter Gewinn

NRW prescht vor: Auf vielen zweispurigen Autobahnen sollen Laster künftig nicht mehr überholen dürfen. Nach den Sommerferien will der Verkehrsminister Schilder aufstellen lassen, berichtet RP online. Los geht‘ es auf der A 57.

Gute Sache. Für Autofahrer. Und Anwälte. Bei der zu erwartenden Kontrolldichte gibt das Mandate satt. Schneller am Gericht bin ich dann überdies.

Grenzen für Verdeckte Ermittler

Der Bundesgerichtshof zeigt der Polizei mal wieder auf, wo die Grenzen des Rechtsstaats verlaufen. Um den sogenannten Mallorca-Mord aufzuklären, hatten die Ermittlungsbehörden in Wupppertal keine Kosten und Mühen gescheut, um dem schweigenden Beschuldigten eine Äußerung zu entlocken.

Unter anderem wurde ein Verdeckter Ermittler auf ihn angesetzt, der sich das Vertrauen des Mannes erschlich. Schließlich setzte der Ermittler dem Beschuldigten so zu, dass dieser in einer „vernehmungsähnlichen Befragung“ zur Sache äußerte und Angaben zur Sache machte.

Zwar hat der Bundesgerichtshof kein Problem mit dem Einsatz Verdeckter Ermittler. Aber:

Dieser hätte jedoch den Angeklagten, der sich auf sein Schweigerecht berufen hatte, nicht unter Ausnutzung des geschaffenen Vertrauensverhältnisses zur Aussage drängen und in einer vernehmungsähnlichen Befragung zu Angaben veranlassen dürfen, die ohne die Täuschung – bei einer förmlichen Vernehmung – nicht zu gewinnen gewesen wären. Dieses Vorgehen verstoße gegen den Grundsatz, dass niemand verpflichtet ist, zu seiner eigenen Überführung beizutragen und sich selbst zu belasten.

Die Aussagen des Verdeckten Ermittlers sind deshalb unverwertbar.

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs

Alles alltäglich

Diese Bezirksrevisoren, Sparkommissare der Staatskasse, treiben mich noch in den Wahnsinn. Ich hatte bei einem Freispruch die sogenannten Mittelgebühren angesetzt und dargelegt, dass es sich um eine durchschnittliche Strafsache handelt. Dazu schreibt der Bezirksrevisor vier Seiten (!), um meine Gebühren um 150 Euro zu drücken. Die Krönung ist das hier:

Dass die hier zu beurteilende Rechtsfrage, inwieweit aufgrund der gegenteiligen Aussagen der Tatbeteiligten der Vorwurf der falschen Verdächtigung seitens der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Betroffenen haltbar ist, eine Besonderheit für einen Strafverteidiger darstellt, trifft nicht zu. Dies rechnet zum Rüstzeug eines Verteidigers und stellt keine Besonderheit im Rahmen der strafrechtlichen Materie dar. Die Besprechung mit dem Mandanten und die eingehende Auseinandersetzung mit dem Akteninhalt rechnet ebenfalls zum üblichen Verteidigungsaufwand, den jeder Mandant erwarten darf.

Mal abgesehen vom anmaßenden Unterton ist es genau das, was ich sage. Der Fall war durchschnittlich und erforderte einen normalen Aufwand. Deshalb ja auch die Mittelgebühren. Ich hatte mir nur den Hinweis erlaubt, dass Anklagen wegen falscher Verdächtigung – noch dazu aufgrund eines von der Staatsanwaltschaft komplett missverstandenen Sachverhalts – nicht unbedingt alltäglich sind und die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfragen deshalb jedenfalls auch nicht unterdurchschnittlich war.

Aber wenn der Herr Bezirksrevisor weiß, dass Rechtsanwälte ständig mit falscher Verdächtigung zu tun haben, verneige ich mich demütig vor so viel Erfahrung. Darf ich zum Abschluss noch wünschen, dass er sich bei der Brotzeit morgen den Finger in der Tupperdose klemmt. Dankeschön.