Heribert Prantl analysiert in der Süddeutschen Zeitung das neue Gesicht des Staates:
Was bei den Legehennen als nicht artgerecht gilt, gilt nun offenbar bei den Menschen als gerecht. Für Legehennen ist die Käfighaltung mit Ablauf 2008 verboten; für Menschen wurde sie soeben eingeführt. In Heiligendamm sind die festgenommenen Demonstranten in Gitterkäfige gesperrt und dort verwahrt worden, jeweils 20 Menschen auf 25 Quadratmeter, Tag und Nacht beleuchtet und bei all ihren Regungen gefilmt.
Diese Käfighaltung manifestiert: Das Recht der inneren Sicherheit in Deutschland ist gekennzeichnet vom Verlust der Maßstäbe und von der Veralltäglichung der Maßlosigkeit. Bezeichnend dafür ist auch der ungeheuerliche Verdacht, dass staatliche Gewaltaufwiegler, Zivilpolizisten in schwarzer Maskerade, sich unter die Demonstranten von Heiligendamm gemischt, sie zu Straftaten angestiftet und zu diesem Zweck Steine auf die Polizei geworfen haben sollen.
Es handelt sich bei solchen Cochonnerien leider nicht einfach um Entgleisungen. Hier verdichtet sich der Ungeist, der die Politik der inneren Sicherheit beherrscht. So sieht es aus, wenn der Zweck die Mittel heiligt: Dann wird die Absurdität ein Merkmal der Repression, und der Irrwitz ein Instrument der Prävention; dann wird der Rechtsstaat partiell ausgeschaltet, um ihn auf diese Weise angeblich zu schützen.
Doch das sei längst nicht alles. Aktiv unterlaufenes Demonstrationsrecht, Online-Durchsuchung, zentrale Speicherung von Fingerabdrücken, Totalprotokollierung der Telekommunikation, Globalverdacht gegen Ausländer. Der Autor nennt zahlreiche Belege dafür, dass das Ganze ins Wanken gerät.
In Richtung des artgerechten Staates. Welch gruseliges Bild.