Nach dem Doppelmord in Mönchengladbach-Rheydt nehmen örtliche Anwälte den Familienrichter in Schutz. Gleichzeitig geben sie der Anwältin der Opfer eine Mitschuld an dem Vorfall. Die 17 Anwälte haben einen Brief an die Justizbehörden geschrieben. Darin heißt es:
U.E. war eine Rechtsanwältin, die Kenntnis von der Existenz eines Haftbefehls erlangt, verpflichtet, rechtzeitig vor dem familiengerichtlichen Termin StA und Polizei von dem anstehenden Termin zu unterrichten und den zuständigen Familienrichter hiervon in Kenntnis zu setzen.
Zur Rolle des Richters stellen die Anwälte fest:
Die Übergabe eines wie auch immer gearteten Dokumentes erst im Termin (es soll sich lediglich um eine keineswegs vollstreckbare Kopie einer Mitteilung, daß Haftbefehl erlassen worden sei, gehandelt haben) setzte nach hiesigem Dafürhalten den Familienrichter keineswegs in den Stand, Vollstreckungsmaßnahmen einleiten zu können.
Vielmehr blieb ihm lediglich die von ihm auch genutzte Möglichkeit, sich bei der StA zu erkundigen, ob tatsächlich ein Haftbefehl erlassen wurde und dieser aktuell auch in Kraft ist. Da zum fraglichen Zeitpunkt Informationen seitens der StA nicht zu erlangen waren, hatte der Familienrichter keinerlei Handlungsmöglichkeiten.
Woraus sich die Verpflichtung der Anwältin ergeben soll, erklären die Juristen – vorwiegend Fachanwälte für Familienrecht – leider nicht. Tatsächlich gibt es hierfür keine Rechtsnorm. Es gibt auch keine Berufspflicht, den Ermittlungsbehörden bei ihrer Arbeit zu helfen. Nach dem bisherigen Informationsstand ging niemand davon aus, dass der Mann tatsächlich erscheint. Vor diesem Hintergrund bezweifle ich, dass Polizei oder Staatsanwaltschaft überhaupt Beamte zu dem Termin geschickt hätten.
Auch die Vorstellung der Familienrechtsanwälte, zur Verhaftung einer gesuchten Person bedürfe es einer „vollstreckbaren“ Ausfertigung des Haftbefehls, spricht nicht gerade für besondere Kenntnis der Materie. Zur Vollstreckung eines Haftbefehls genügt es, dass dieser sich unterschrieben in der Ermittlungsakte befindet. Im Original muss das Dokument nicht vorliegen.
Der betreffenden Anwältin also Vorwürfe zu machen, ist reichlich neben der Sache. Mehr als dem Richter Bescheid zu geben, nachdem der spätere Täter zum Termin erschien, konnte und musste sie nicht tun.
Nachvollziehbarer sind die Argumente hinsichtlich des Richters. Dieser hat ja bei der Staatsanwaltschaft angerufen und dort offensichtlich keine vernünftige Auskunft erhalten. Ob er dann tatsächlich die Wachtmeister des Amtsgerichts hätte rufen müssen, hängt wohl von der Aussagekraft des „Belegs“ ab, dem ihm die Anwältin für die Existenz des Haftbefehls präsentierte.
So lange der Richter nicht sicher von der Existenz des Haftbefehls wusste, konnte er den Mann schlecht festsetzen lassen. Wäre das zu Unrecht geschehen, wäre er später mit dem Vorwurf der Freiheitsberaubung konfrontiert worden.
Fragwürdig ist das Verhalten der Staatsanwaltschaft. Die Anfrage des Richters wurde nicht beantwortet. Und falls dieser auf die Idee gekommen wäre, bei der Polizei anzurufen, hätte das auch nichts genutzt. Wie sich aus diesem Bericht ergibt, soll der Haftbefehl nicht an die Polizei gemeldet worden sein. Die Beamten hätten also nichts im Fahndungscomputer gefunden.