Nicht mehr lange

Bei einer Kontrolle auf der Autobahn stellte sich heraus, dass mein südländisch aussehender Mandant keine Fahrerlaubnis hat. Von den Mitarbeitern des Zolls fühlte er sich etwas rüde behandelt. Er wies darauf hin, dass er deutscher Staatsbürger ist.

Die Antwort: „Aber bestimmt nicht mehr lange.“

Das nenne ich mal eine fundierte Einschätzung der Sach- und Rechtslage.

Die neue Definition von anständig

„Außerdem bin ich anständig, mir muss das BKA keine Trojaner schicken.“

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble im taz-Interview.

Wikipedia zur Rolle Schäubles in der CDU-Parteispendenaffäre:

Im Rahmen einer Sitzung des Deutschen Bundestages, am 2. Dezember 1999, wurde Wolfgang Schäuble durch Zwischenrufe des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele auf seine Kontakte zum Waffenhändler Karlheinz Schreiber angesprochen. Wolfgang Schäuble äußerte in öffentlicher Sitzung vor dem Deutschen Bundestag, er habe „irgendwann im Spätsommer oder im Frühherbst 1994“ bei „einem Gesprächsabend in einem Hotel in Bonn […] einen Herrn kennengelernt, der sich mir als ein Mann vorgestellt hat, der ein Unternehmen leitet. Ich habe später festgestellt, daß es dieser Herr Schreiber war. […] Auf der damaligen Veranstaltung bin ich Herrn Schreiber begegnet. Das war es.“

Am 10. Januar 2000 hatte Schäuble dann eingeräumt, von Karlheinz Schreiber im Jahre 1994 eine Bar-Spende von 100.000 D-Mark für die CDU entgegengenommen zu haben. Am 31. Januar 2000 gibt Schäuble ein weiteres Treffen mit Schreiber im Jahr 1995 zu. Die Schatzmeisterei der CDU habe den Betrag als „sonstige Einnahme“ verbucht.

Schäuble behauptete, dass er das Geld in einem Briefumschlag von Schreiber in seinem Bonner Büro persönlich empfangen habe. Diesen Umschlag habe er „ungeöffnet und unverändert“ an Brigitte Baumeister weitergeleitet, später habe er erfahren, dass die Spende nicht „ordnungsgemäß behandelt worden“ sei. Die damalige CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister widersprach allerdings dieser Version Schäubles.

Anfang September 2000 entschuldigte sich Schäuble vor dem Bundestag gegenüber der deutschen Öffentlichkeit dafür, „dass unter der Verantwortung der CDU Gesetze gebrochen wurden“. Weiterhin entschuldigte er sich auch „beim“ Bundestag dafür, dass er – Schäuble – im Dezember 1999 einen Teil der Wahrheit über seinen Kontakt zum Waffenhändler Karlheinz Schreiber verschwiegen hatte.

Das Geld jedenfalls tauchte in keinem Rechenschaftsbericht der CDU auf. Am 13. April 2000 erklärt Schäuble vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss zur CDU- Parteispendenaffäre, dass die CDU-Führung und die Bundesregierung unter Helmut Kohl nicht bestechlich gewesen seien. Ein Ermittlungsverfahren gegen Schäuble wegen uneidlicher Falschaussage im Zusammenhang mit der fraglichen Spende wurde eingestellt, ebenso wie die Ermittlungen gegen Brigitte Baumeister. Die Berliner Staatsanwaltschaft konnte keine hinreichende Tatbestandsverwirklichung für eine Anklage feststellen. Nach den damaligen Angaben der Staatsanwaltschaft sei aber davon auszugehen, dass die 100.000 D-Mark nur einmal gespendet wurden. Spekuliert wurde nämlich über die Frage, ob es womöglich zwei Mal 100.000 D-Mark von Schreiber gegeben hat: einmal als „unverfängliche“ Wahlkampf-Spende für die CDU, ein anderes Mal möglicherweise „unter der Hand“ als Bestechungsgeld für ein Rüstungsprojekt. Ungeklärt sind außerdem die Spekulationen, ob und gegebenenfalls inwiefern Schäuble seine Verbindungen ins Kanzleramt genutzt hat (was Schäuble stets vehement bestritten hat). Fraglich ist weiterhin, wo die 100.000 D-Mark verblieben sind.

Unabhängig davon grübele ich, ob die taz Schäuble falsch zitiert. Seit wann interessiert sich das Bundeskriminalamt dafür, ob jemand unanständig ist? Eigentlich hat es sich nur dafür zu interessieren, ob jemand einer Straftat verdächtig ist. Oder eine Straftat von erheblichem Gewicht vorbereitet.

Ich habe bei der Pressestelle des Bundesinnenministeriums nachgefragt, wie Herr Schäuble das gemeint hat. Bericht folgt, sofern ich eine Antwort erhalte.

Hoffnung auf Satire, knallhart wegrecherchiert

Es hat etwas länger gedauert, bis ich auf das Interview des Bundesinnenministers in der taz hinweisen konnte. Ich ging eigentlich davon aus, es handele sich um eine gut gemachte, weil auf leisen Sohlen daherkommende Satire.

Am Abend habe ich aber dann doch noch jemanden aus der taz-Redaktion erreicht. Man versicherte mir, ich sei weiß Gott nicht der erste Anrufer. Aber das Interview sei authentisch. Der Schäuble habe alles gesagt, was gedruckt wurde. Zum Beispiel:

Nein, ich öffne grundsätzlich keine Anhänge von E-Mails, die ich nicht genau einschätzen kann. Außerdem bin ich anständig, mir muss das BKA keine Trojaner schicken.

Außerdem ist ein Laptop ja auch leicht zu verstecken, vielleicht wird er bei einer Durchsuchung gar nicht gefunden. Ans Internet muss er aber immer wieder.

Ich kenne und respektiere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Privatsphäre. Aber wir müssen auch sehen, dass dieser Schutz in der Alltagswirklichkeit praktikabel bleibt. Verbrecher und Terroristen sind klug genug, so etwas auszunutzen. Die tarnen ihre Informationen dann zum Beispiel als Tagebucheintrag. So leicht dürfen wir es denen nicht machen.

Die meisten Menschen sind über Terrorismus und Kriminalität beunruhigt, nicht über polizeiliche Schutzmaßnahmen. Sie wollen, dass der Staat ihre Sicherheit garantiert.

Letztlich geht es immer um die Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit. Die Datenschützer sind ja nicht moralisch höherwertig, weil sie mehr Gewicht auf die Freiheit legen. Und ich bin kein schlechterer Mensch, weil ich mehr Gewicht auf den Schutz vor Verbrechern lege.

Nein, versicherte mein Gesprächspartner, so weit er wisse, sei der Innnenminister bei dem Gespräch nüchtern gewesen. Der Politiker habe auch nicht übernächtigt gewirkt. Man müsse wohl davon ausgehen, dass da der echte Schäuble gesprochen hat.

Wir wünschten uns noch einen „Guten Abend“. Nicht mal da hat im Hintergrund jemand verräterisch gegluckst. Wäre mir, ehrlich gesagt, lieber gewesen.

(Danke an Andreas Lehner für den Link)

Attraktives Feature

Wenn ich PC-Hersteller wäre, würde ich über die zuschaltbare Zweitfestplatte nachdenken. Das könnte für den deutschen Markt ein attraktives Feature werden. Bis dahin kann man sich aber auch selbst helfen. Ich zitiere mal einen Kommentar zu diesem Beitrag:

Einfach eine externe Festplatte benutzen und stets nur eines anschliessen, entweder Internetzugang oder Festplatte, die jeweils aktuell benötigten Dateien können vorher von der externen auf die interne Festplatte kopiert werden.

Dann muss man sich vom nordrhein-westfälischen Innnenminister wenigstens nicht mehr vorhalten lassen, man sei doch quasi selbst schuld am Online-Besuch des Verfassungsschutzes, wenn man die eigene Daten mittels eines Internetnanschlusses quasi weltweit verfügbar mache.

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Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

Dialektisch veranlagte Mieter

Vermieter sind ja manchmal gutmütig. Im Auftrag eines dieser Exemplare bin ich jetzt über ein halbes Jahr hinter den Mietern hergelaufen. Um die Kaution zu erhalten, zu der sie sich vertraglich verpflichtet haben. Der Vermieter hatte sie auf die bloße Zusage einziehen lassen, dass die Kaution fristgerecht gezahlt wird. Bislang bat er mich auch immer um schonende Nachfragen; man will sich die Kundschaft ja nicht verärgern.

Jetzt haben die Mieter gekündigt. Auf die Frage nach der Kaution kriege ich die Antwort: „Das lohnt sich doch gar nicht mehr, für die drei restlichen Monate.“

Sooooooo kann man es natürlich auch sehen.

Zentraldatei für Gebührengegner?

Der baden-württembergische Wissenschaftsminister möchte genau wissen, welche Studenten gegen die neue eingeführten Studiengebühren klagen. Deshalb hat er von den Hochschulen des Landes Listen mit den Gerichtsaktenzeichen und den Namen der Kläger angefordert, berichtet Spiegel online.

Die Gebührengegner fürchten Einschüchterungsversuche. Das Ministerium weist darauf, es führe die Prozesse stellvertretend für die Universitäten. Deshalb brauche man einen Überblick über die Verfahren.

Ganz von der Hand zu weisen sind die Argumente des Ministeriums nicht. Aber auch nicht die Befürchtung der Kläger, jetzt in einer zentralen Datei erfasst zu werden. Bleibt für Skeptiker wohl nur eins: noch eine Klage, diesmal gegen die Datensammlung.

(Danke an Thorsten Hein und Martin Königs für den Link)

Kremendahl-Prozess: Akten verschwunden?

Der Korruptionsprozess um den ehemaligen Wuppertaler Oberbürgermeister Hans Kremendahl (SPD) könnte an verschwundenen Strafakten scheitern, auf die die Staatsanwaltschaft Wuppertal wartet: „Wir brauchen sie“, sagte gestern Behördensprecher Alfons Grevener.

Er und seine Kollegen wollen nach Kremdendahls Freispruch durch das Landgericht Dortmund mit der Revision dessen Verurteilung vor dem Bundesgerichtshof erreichen. Doch die Akten kommen nicht an, obwohl sie angeblich bereits am 3. November vorigen Jahres von der Dortmunder Wachtmeisterei verschickt worden sind. Annedore Flüchter, Pressesprecherin des Landgerichts, sagte gestern: „Die Akten könnten noch bei uns sein oder bei der Post verschwunden. Sie könnten sich auch in Wuppertal befinden“.

Das wiederum bestreitet Grevener. Fest steht: Die Strafakten werden nicht von Justizbediensteten befördert, sondern mit der Post. Ohne jeden Nachweis, also nicht etwa per Einschreiben. (pbd)

Unser ausgelagertes Gehirn

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries spricht sich zwar nicht grundsätzlich gegen die Online-Durchsuchung von Computern aus. Immerhin zeigt sie aber Problembewusstsein und wenig Bereitschaft, etwas übers Knie zu brechen:

Aber man muss sehen, dass es einen Paradigmenwechsel in der Rechtspolitik bedeutet, wenn man die heimliche Durchsuchung erlauben würde. Das muss man ausführlich diskutieren und prüfen.

Zypries fordert laut Spiegel online, dass die Ermittler „triftige Gründe“ vorlegen, warum sie so massiv in die Privatsphäre Betroffener eindringen wollen. Eingriffe in diesen Bereich seien verfassungsrechtlich heikel.

So was ist selbstredend kein Problem für Innenminister Wolfgang Schäuble. Steht die Verfassung im Weg, wird sie halt geändert. Schäubles niedersächsischer Kollege Uwe Schünemann möchte am liebsten überhaupt keine Beschränkungen beim Abgreifen von Daten.

Die Online-Durchsuchung entwickelt sich offensichtlich zum feuchten Traum des Orwellschen Gewerbes. Es wird auch langsam klar, warum. Niemand hat es bislang treffender formuliert als der frühere NRW-Innenminister Burkhard Hirsch. Der PC oder das Notebook, sagt er, seien längst unser ausgelagertes Gehirn.

Wer darauf jederzeit und unbemerkt Zugriff hat, beeinflusst künftig alleine durch die Möglichkeit, zu den bereits nach 24 Stunden sprichwörtlichen 0,1 % zu gehören, das Denken und Handeln. Schäubles „Vorfeldaufklärung“ wäre dann die erste funktionsfähige Gedankenpolizei.

Mikado-Fahndung traf auch Unschuldige

Bei der Kontrolle der 22 Millionen deutschen Kreditkarten (Aktion Mikado) auf Kinderpornokäufer sind auch Unschuldige ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten, berichtet die Mainpost:

In Würzburg ging die Staatsanwaltschaft vier Verdachtsfällen nach, wie Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager auf Anfrage bestätigte. Inzwischen hat es Durchsuchungen gegeben, um Beweismaterial zu sichern. Ein Fall ist bereits abgeschlossen, zwei Ermittlungen laufen noch. In einem vierten Fall habe sich der Verdacht nicht bestätigt, sagt Ohlenschlager.

(Vielen Dank an J. Glaubitz für den Link)

Weitere Beiträge zum Thema:

AG Halle-Saalkreis 395 Gs 34/07

Falscher Kinderporno-Verdacht gegen Kreditkartenbesitzer

“ Volksstimme“: Interview zu Mikado

20 Anträge gegen „Mikado“

Mikado: Weiterer Antrag, neue Argumente

Kartenscreening für Datenschützer kein Problem

Citibank garantiert: Mikado war rechtmäßig

Mikado: Gefahr strafrechtlicher Verfolgung;

Telepolis: Fragen zu Mikado

Mikado: Strafanzeige gegen Verantwortliche und SAT 1

Weiterer Antrag gegen Mikado

Kinderpornografie: ein Blick ins Gesetz

Mikado: Stäbchen für Stäbchen

Vorfeldermittlungen

Mikado

Mannesmann-Prozess: Geld für viele Vereine

Nachdem der Mannesmann-Prozess endgültig eingestellt worden ist, stellt sich die Frage, welche gemeinnützigen Organisationen Geld erhalten. Insgesamt waren 2.321.000 € zu verteilen.

Die 10. Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf hat aus mehreren Tausend Bewerbern ausgewählt. Die Entscheidung wird – im Einverständnis aller Prozessbeteiligten – nicht begründet. Aber sie wird öffentlich bekanntgegeben:

zur Liste.

Die Tyrannei der Mehrheit

Prof. Dr. Roland Vaubel ist Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Politische Ökonomie an der Universität Mannheim. In dieser Eigenschaft schreibt er auch im Professoren-Blog „Wirtschaftliche Freiheit“ (ich habe in „Links 70“ auf einen Beitrag verwiesen).

Klingt ja erst mal gut. Bis man auf den Beitrag „Der Schutz der Leistungseliten in der Demokratie“ stößt. Dort zieht Prof. Vaubel – zwischen längeren Zitaten – richtig vom Leder. Im Kern kommt er zum Ergebnis, dass unsere Demokratie, also die des Grundgesetzes, wohl nichts taugt. Denn: Die Leistungseliten werden nicht hinreichend geschützt. Vor der „Tyrannei der Mehrheit“.

Der Professor lobt in höchsten Tönen die politischen Systeme „historisch höchst erfolgreicher Demokratien“ wie Athen und Rom. Die Sklaven in diesen politischen Systemen hätten ihm sicher Beifall geklatscht. Egal, ob nun Mehrkammernsystem, Abstimmung nach Klassen oder Einschränkung des passiven Wahlrechts – Hauptsache für Vaubel ist, dass die Stimmen der Bürger endlich politisch unterschiedliches Gewicht bekommen.

Die der Reichen wirtschaftlich Leistungsstarken mehr, die der Armen weniger.

Gut, kann man sagen. Zumindest unterscheidet der Gelehrte nicht nach Rasse, Religion oder Geschlecht. Aber das ist wirklich nur ein ganz schwacher und sicherlich auch trügerischer Trost. Vielleicht kommt der Mann zur Besinnung, wenn er in Rente ist. Und nicht mehr zur Leistungselite gehört.

Mannesmann-Verfahren endgültig vorbei

Das Mannesmann-Verfahren ist von der 10. großen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zehn Wochen nach der vorläufigen Einstellung am heutigen Dienstag endgültig eingestellt worden. In einem Beschluss hält die Kammer fest, dass die am 29. November vorigen Jahres erteilten Auflagen (Zahlungen der sechs Angeklagten von insgesamt 5,8 Millionen Euro) erfüllt worden sind.

Der zweite Beschluss nennt die gemeinnützigen Einrichtungen, an die 40 Prozent des Geldes (rund 2,3 Millionen Euro) in jeweils eher kleinen Beträgen gehen. Die Liste der Einrichtungen soll am Mittwoch öffentlich gemacht werden – diese Transparenz soll Gerüchten begegnen, wonach Angeklagte spezielle Institutionen bevorzugen wollten. (pbd)

Hauptsache, gut versichert

Die Bank informiert meine Mandantin, dass sich die Kosten des Kredits erhöhen. Die Restschuldversicherung koste jetzt monatlich 0,88 € je 100.- € der Außenstände.

Das sind stolze 10,56 Prozent pro Jahr. Dazu kommen noch die Nominalzinsen von 13,9 %. Nicht zu vergessen die Bearbeitungsgebühr von 3 %.

Der alltägliche Wucher also. Was mich aber stutzig macht, ist der Darlehensantrag:

Nettokredit                   30.688,90 €
Versicherungbeitrag         5.906,50 €
Antragssumme gesamt   36.595,40 €

Die Versicherungskosten sind also schon in das Gesamtdarlehen eingerechnet, werden verzinst und über die Raten mit abgestottert.

Allerdings stellt sich mir dann die Frage, wieso die Bank nicht nur die Kreditrate abbucht, sondern Monat für Monat auch einen gesonderten „Versicherungsbeitrag“. Das sind immerhin 76,13 €.

Am Telefon konnte mir das der Banker auch nicht erklären. Er will sich morgen noch mal melden.