Ein Polizeibeamter hatte einen Tatverdacht. Oder sagen wir: so ein Bauchgefühl. Mein Mandant wird es schon gewesen sein. Gefahr im Verzuge war offensichtlich nicht gegeben. Deswegen rief der Polizeibeamte einen Staatsanwalt an und regte an, beim Ermittlungsrichter einen Durchsuchungsbeschluss zu besorgen.
Der Staatsanwalt hörte sich die Geschichte an und bezweifelte, dass der Richter den Beschluss erlässt. Stattdessen hatte er eine blendende Idee. Die Beamten sollten doch einfach den Beschuldigten aufsuchen und schauen, ob er mit einer Durchsuchung „einverstanden“ ist.
Das geschah dann. Die Beamten haben es tatsächlich hinbekommen, dass mein Mandant ein entsprechendes Formular unterschreibt. (Und die Einwilligung zur DNA-Probe gleich mit.) Sie durchsuchten die Wohnung. Erfolglos, übrigens.
Das ist, wenn auch in Variationen, kein Einzelfall. Die vom Beschuldigten „genehmigte“ Durchsuchung wird langsam zum Regelfall. Sie ist die Reaktion der Ermittlungsbehörden auf Urteile des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts. Diese Gerichte haben in den letzten Jahren mehrfach klargestellt, dass „Gefahr im Verzuge“ keine Floskel ist, sondern tatsächlich gegeben sein muss. Die tatsächlichen Umstände müssen außerdem vor der Durchsuchung schriftlich in der Akte festgehalten werden. Das heißt, die Maßnahme kann nicht einfach nachträglich durch gefundene Beweismittel gerechtfertigt werden.
Statt jedoch die Konsequenzen aus den Vorgaben zu ziehen, wird ein Schlupfloch genutzt. Seht her, der Beschuldigte war doch einverstanden! Wer schon mal morgens um 6.30 Uhr von einem Polizeitrupp aus dem Bett geworfen worden ist, kann sich gut vorstellen, wie so ein Einverständnis zustande kommt:
– „Wenn Sie nicht zustimmen, besorgen wir uns einen Beschluss.“
– „Auf Ihre Unterschrift kommt es gar nicht an, dann durchsuchen wir halt wegen Gefahr im Verzuge.“
– „Wenn ich jetzt den Staatsanwalt aufwecke, ist der bestimmt nicht gut auf Sie zu sprechen.“
– „Wenn Sie nichts zu verbergen haben, können Sie ja auch unterschreiben. Sonst ziehen wir daraus unsere Schlüsse.“
– „Wenn Sie nicht zustimmen, kommen Sie in Untersuchungshaft, bis der Richter einen Beschluss erlassen hat. Das kann dauern…“
In einem anderen Fall beteuert mein Mandant, dass er das Formular erst nach der Durchsuchung vorgelegt bekam. Ein anderer Mandant hatte darauf bestanden, dass er mich vorher anrufen darf. Das wurde ihm verweigert. Wegen Verdunkelungsgefahr. (Diese Aussage hat mir der zuständige Beamte bestätigt.)
Das Ganze ist eine fragwürdige Masche, um den ungeliebten Richtervorbehalt zu umgehen. Wer allerdings unterschrieben hat, muss damit rechnen, dass das Durchsuchungsergebnis auch in vollem Umfang verwertet wird. Das schriftliche Einverständnis kriegt man nur selten kaputt. Denn, welche Überraschung, selbstverständlich sind die zitierten Sätze nie gefallen. Selbstveständlich hat man den Beschuldigten eingehend informiert, dass er nicht zustimmen muss. Er hat dennoch, häufig geradezu begeistert über die Gelegenheit seine Unschuld zu beweisen, die Polizisten hereingebeten.
Ich schließe dann immer die Frage an, ob die vier, fünf Mann einfach wieder abgezogen wären, wenn sie keine Unterschrift kriegen. Ein Beamter hat mir neulich ins Gesicht gelacht und gesagt: „Selbstverständlich.“ Ich habe ihm jedes Wort geglaubt. Genau wie die nebulösen Erklärung, warum man denn drei Monate (Urlaub eingeschlossen) ermittelt, dann aber die Zeit fehlt, einen Durchsuchungsbeschluss zu beantragen.
Wenn man seine gesetzlichen Rechte nicht verspielen will, bleibt derzeit nur eins: die Unterschrift verweigern. Deutlich widersprechen. Und nicht irgendwie an der Durchsuchung mitwirken. Wäre nämlich nicht das erste Mal, dass aus dem Öffnen der Schränke eine „schlüssige Zustimmung“ zur Durchsuchung wird.