Handwerker haben die Arbeit von Ärzten gemacht: Das Werksarztzentrum in Recklinghausen hat jahrelang Anstreicher und Bäcker damit beauftragt, Blutproben von Arbeitnehmern im ganzen Bundesgebiet zu nehmen und diese zu impfen. Die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Wirtschaftdelikte in Bochum ermittelt deswegen wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung gegen „einen Strauß von Beschuldigten“.
Behördensprecher Bernd Bienioßek bestätigte gestern, dass gegen Roland Sch., den ehemaligen Geschäftführer der Gesellschaft, wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr ein Haftbeschluß vom Amtsgericht Bochum erlassen worden ist: „Wir ermitteln auch wegen Subventions- und Abrechnungsbetruges und Steuerhinterziehung“. Eine anonyme Anzeige hatte vor gut zwei Jahren das Verfahren ausgelöst.
In Zusammenarbeit mit Kriminalbeamten und Steuerfahndern ging die Staatsanwaltschaft zunächst behutsam vor. Sie wollte im florierenden Werksarztzentrum und bei dessen renommierten Chef (46) keinen unnötigen Schaden anrichten. Sch., der promovierter Mediziner und Hochschullehrer ist, hatte das Zentrum 1991 gegründet. Ein Team aus Fachärzten verschiedenster Bereiche berät und betreut seitdem rund um den Arbeitsplatz bei medizinischen Problemen. Dadurch werden nach Auskunft des Zentrums, Risikofaktoren rechtzeitig erkannt und abgewendet, Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten verhindert, gesundheitliche Schäden vermieden und Produktionsausfälle verringert.
Die Ermittler entdeckten: Das Geschäft lief so gut, dass schon seit sechs Jahren Laien ohne jede medizinische Ausbildung in weiße Kittel gesteckt wurden. Sie behandelten ahnungslose Patienten auch mit Spritzen: „Die Zahl der Geschädigten ist noch gar nicht bekannt“, sagte Staatsanwalt Bienioßek.
Solche illegalen Behandlungen wurden als ärztliche Leistungen abgerechnet. Ex-Geschäftsführer Sch. soll sich außerdem auf betrügerische Weise öffentliche Mittel für Projekte gesichert haben. Aus der Untersuchungshaft hat sich Sch. inzwischen schriftlich gemeldet. Mit, wie es bei der Staatsanwaltschaft heißt, „einem Teilgeständnis“. (pbd)