Im Mikado-Verfahren haben 20 Antragsteller beantragt, das bundesweite Kreditkarten-Screening der Staatsanwaltschaft Halle für rechtswidrig zu erklären.
Jetzt liegt die Antragserwiderung der Staatsanwaltschaft vor; das Gericht selbst hat noch nicht entschieden.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ist der Antrag grundsätzlich zulässig. Es fehle aber ein Rechtsschutzinteresse. Die Antragsteller seien nicht selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihren Grundrechten betroffen. Der Vortrag, Inhaber zweier Kreditkarten zu sein, reiche für eine Betroffenheit nicht aus. Die abgeforderten und übermittelten Daten hätten die Antragsteller nicht direkt betroffen.
Die Anonymität der Antragsteller sei zu jeder Zeit geschützt gewesen. Durch eindeutige, unverwechselbare Selektionskriterien, insbesondere der konkreten Merchant-ID, sei die Betroffenheit von Unbeteiligten nicht nur auf ein Minimum, sondern gänzlich auf Null reduziert worden.
Der vollautomatisierte Suchlauf über die Buchungsdaten sei somit kein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Buchungsdaten der Antragsteller seien nur abgeglichen und sogleich automatisiert als irrelevant ausgeschieden worden. Damit sei die Entscheidungsbefugnis der Antragsteller, wann und in welchen Grenzen diese persönliche Lebenssachverhalte offenbarten, nicht tangiert worden.
Die Staatsanwaltschaft habe Daten der Antragsteller nicht erhalten. Die Daten seien dort verblieben, wo sie mit dem Einverständnis der Antragsteller gespeichert wurden, nämlich in der Datenbank der Abrechnungssoftware. Nicht einmal die Mitarbeiter, welche dem Ersuchen nachkamen, hätten Zugang zu anderen Daten als denen der Beschuldigten gehabt.
Nahezu identische Selektionsvorgänge im Bereich der Telekommunikation würden als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen. So zum Beispiel die Ermittlung anhand von IP-Nummern und individueller Verbindungsdaten. Die IP-Nummer sei mit der Merchant-ID vergleichbar. Die Einmaligkeit des Kriteriums bringe immer ein eindeutiges Ergebnis, wobei der einzige Unterschied darin liege, dass bei der Ausfilterung der Merchant-ID mehrere Tatverdächtige ausselektiert werden könnten, bei der dynamischen IP jedoch nicht.
Nach herrschender Meinung handele sich sich bei der betreffenden Anfrage im Bereich der Telekommunikation um ein schlichtes Auskunftsersuchen nach § 113 TKG. In dieser vergleichbaren Maßnahme sei bislang kein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung des nicht betroffenen Kunden des Providers gesehen worden.
Mangels gegenwärtiger und unmittelbarer Beschwer seien die Anträge unzulässig.
Auch in der Sache sei der Antrag unbegründet.
Die Strafanzeige des Redakteurs eines Nachrichtenmagazins und die sich hieran anschließenden Ermittlungen hätten keinen Zweifel daran gelassen, dass auf der fraglichen Seite Kinderpornografie angeboten werde.
Ein ausreichender Anfangsverdacht habe vorgelegen. Dieser stütze sich auf kriminalistische Erfahrung. Im Rahmen internationaler Umfangsverfahren („Pecunia“, „Nautilus“) seien immer deutsche Kunden aufgefallen.
Auch im nichtkommerziellen „Markt“ sei die Tatsache festzustellen, dass deutsche Internet-User internationale Boards bzw. Communities aufsuchen.
Diese Ausführungen zeigten nur beispielhaft das „Internetverhalten“ deutscher User. Sie machten jedoch deutlich, dass die Umstände für den konkreten Anfangsverdacht, der auf eindeutiger kriminalistischer Erfahrung fuße, nicht zu niedrig angesetzt wurden.
Eine Rasterfahndung nach § 98a StPO habe nicht stattgefunden. Es habe kein maschinell-automatisierten Datenabgleich zwischen bestimmten auf den Täter vermutlich zutreffenden Prüfungsmerkmalen mit aus anderen Gründen an anderer Stelle gespeicherten Daten stattgefunden.
Es seien weder Publikationen noch Gerichtsentscheidungen bekannt, die das vorgenommene Auskunftsersuchen mit Selektionskritierien als eine Rasterfahndung im Sinne des § 98a StPO ansehen.
Die Auskunftersuchen würden in der Regel schriftlich gestellt, um zeitraubende Vernehmungen zu umgehen. Für den Fall, dass der Zeuge unmittelbar vernommen werde, gehöre es zu dessen Zeugenpflicht, sich zur Vorbereitung auf die Vernehmung Kenntnis über die fraglichen Daten zu verschaffen und entsprechende Unterlagen mitzubringen.
Da es sich nicht um eine Rasterfahndung gehandelt habe, sei die Auffassung der Antragsteller, die Maßnahme sei grob unverhältnismäßig, weil das das verfolgte Delikt nach § 184 b StGB auf Konsumentensteie keine Straftat von erheblicher Bedeutung sei, unerheblich.
Es treffe nicht zu, dass die Mitwirkungspflicht der Kreditkartenserviceunternehmen sei durch fehlerhafte Informationen dieser, speziell duch Inaussichtstellung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen sie, erzwungen worden.
Die Schreiben enthielten lediglich eine formularmäßige Belehrung des Zeugen, wie sei bei derartigen Schreiben bundesweit üblich sei.
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