Mehr Sozialismus wagen

Friedrich Merz findet in der Wirtschaftswoche passende Worte zur angeblichen Gesundheitsreform. Der Gesundheitsfonds sei nichts anderes als die Verstaatlichung der Krankenkassen:

Wenn die große Koalition ihre geplante Gesundheitsreform durchsetzt, ist die staatliche Einheitskasse für alle nicht mehr weit. Und einen Weg zurück wird es nicht mehr geben, denn ein solches bürokratisches Monstrum wird sich auf Dauer selbst am Leben erhalten.

Diese Entwicklung passt in das Grundschema der deutschen Sozialpolitik der vergangenen 50 Jahre. Anders als die Festreden auf den deutschen Sozialstaat darzustellen versuchen, sind die sozialpolitischen Grundentscheidungen seit der Rentenreform des Jahres 1956 allesamt zulasten der nachfolgenden Generationen konzipiert worden; und mit jeder weiteren Reform ist die Umverteilung innerhalb der Systeme noch einmal systemübergreifend ein Stück weiter ausgebaut worden.

Urteilskollektion à la Schmidtlein

Auf der Homepage des Inkassoanwalts Olaf Tank finden sich jetzt einige Urteile sowie Einstellungsbescheide der Staatsanwaltschaft. Es geht um Forderungen seiner Mandanten, der Internet-Aboverkäufer Schmidtlein.

Hierzu einige Anmerkungen:

1. Amtsgericht Celle, Az.: 11 C 2212/06 (18b)

Die Beklagte hat hier offensichtlich einen Ratenzahlungsvergleich mit der Schmidtlein GbR abgeschlossen. Das heißt, sie hat sich von den außergerichtlichen Mahnungen beeindrucken lassen. Wahrscheinlich hat sie mitgeteilt, dass sie nicht alles auf einmal zahlen kann. Dann dürfte sie den Ratenzahlungsvergleich unterschrieben haben.

Diese Vergleiche enthalten in der Regel die Klausel, dass der Schuldner mit seiner Unterschrift die Forderung anerkennt. Und wenn nicht, kann schon die Bereitschaft zu Teilzahlungen als Anerkenntnis ausgelegt werden.

Das Anerkenntnis nagelt die Beklagte fest. Das Gericht musste sich deshalb nicht eingehend mit der Frage beschäftigen, ob tatsächlich ein Vertrag zustande gekommen ist, ob dieser möglicherweise anfgefochten wurde etc.

Das ergibt sich schon aus der Formulierung “unstreitig”. Die Beklagte hat offensichtlich überhaupt nicht die sachlichen Argumente vorgebracht, die gegen einen Vertragsschluss sprechen.

2. Amtsgericht Lünen, Az.: 7 C 725/06

Es handelt sich um ein Anerkenntnisurteil. Der Beklagte hat die Forderung akzeptiert. Im Falle eines Anerkenntnisses prüft das Gericht nicht, ob die geltend gemachte Forderung gerechtfertigt ist.

3. Amtsgericht Oldenburg Az.: E8 C 8499/06 (XIII)

Ebenfalls ein Anerkenntnisurteil. Das Gericht prüft in diesem Fall nicht, ob die Forderung berechtigt ist.

4. Vollstreckungsbescheide

Vollstreckungsbescheide ergehen gegen Antragsgegner, die sich nicht gegen die Forderung wehren. Das Mahngericht prüft nicht, ob die Forderung begründet ist.

Interessanterweise ist als Forderungsgrund stets „Schuldanerkenntnis“ abgegeben. Es dürfte sich also um Fälle handeln, in denen Betroffene während der außergerichtlichen Korrespondenz die Forderung schriftlich akzeptiert haben, zum Beispiel im Rahmen einer Ratenzahlungsvereinbarung. Es handelte sich also stets um Angelegenheiten, in denen sich die Schmidtlein GbR nicht nur auf den angeblichen Vertragsschluss im Internet berufen konnte. Sondern auch auf ein Anerkenntnis ihrer „Kunden“.

5. Briefe der Staatsanwaltschaften

Aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Ellwangen ist nicht ersichtlich, worum es geht.

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück beschäftigte sich wohl mit der Frage, wann eine Anmeldung erfolgte. Also ein Einzelfall, der mit den maßgeblichen Fragen nichts zu tun hat.

Im Fall Passau hatte sich die Anzeigenerstatterin offensichtlich darüber beschwert, sie habe keine Rechnung erhalten, sondern direkt eine Mahnung des Rechtsanwaltes. Das erfüllt auch nicht den Betrugstatbestand.

Die Kriminalpolizei soll im Übrigen festgestellt haben, dass die Seite gedichte-heute.com zivilrechtlich in Ordnung ist. Die rechtliche Bewertung ist an sich immer Sache des Staatsanwaltes. Dieser Staatsanwalt verlässt sich auf die Wertung eines Kriminalpolizisten, der aller Wahrscheinlichkeit noch nicht mal Jurist ist. Der Polizist wiederum orientiert sich an nicht näher dargelegten Maßstäben einer Verbraucherzentrale.

6. Bewertung

Weder die veröffentlichten Urteile noch die Vollstreckungsbescheide lassen einen Rückschluss darauf zu, dass Gerichte die Forderungen der Schmidtlein GbR akzeptieren.

Sollten die Vollstreckungsbescheide stellvertretend für die erfolgreichen Mahnverfahren der Schmidtlein GbR stehen oder mit diesen sogar identisch sein, lässt sich folgender Schluss für Internetabos ziehen: Ein Mahnverfahren wird nur dann angestrengt, wenn die Schmidtlein GbR ihre Forderung auf ein gesondertes Anerkenntnis stützen kann.

Die Einstellungsmitteilungen bringen keine abschließende Klarheit. Lediglich die Staatsanwaltschaft Passau beschäftigt sich ansatzweise mit dem Thema. Die Arbeit der Behörde in diesem Fall ist jedoch oberflächlich.

Ist dies alles, was die Schmidtlein GbR an juristischen Ergebnissen aufzuweisen hat? Falls ja, dürfen sich eher Kritiker dieser Geschäftsmethode bestätigt sehen. Fest stünde dann jedenfalls, dass nach wie vor kein Gericht den Herren nach nach streitigem Vortrag in der Sache und entsprechener Verhandlung Recht gegeben hat.

Früherer Bericht zum Thema

Weiterer Antrag gegen Mikado

Der Hamburger Rechtsanwalt Markus Böhmer hat für einen Mandanten ebenfalls Rechtsmittel gegen die Aktion Mikado eingelegt.

Seine Antragsschrift ist hier nachzulesen.

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Mikado

Kinderpornografie – ein Blick ins Gesetz

Der für die Aktion Mikado verantwortliche Staatsanwalt hat gestern im Fernsehen etwas Kluges gesagt. Auf die Frage, was die jetzt ermittelten möglichen Straftäter zu erwarten haben, erklärte er zusammengefasst: Wer die Inhalte nur konsumiere und sie nicht weiter verbreite, müsse mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren rechnen. Das sei das Gleiche wie bei Sachbeschädigung.

Dabei ist zu bemerken, dass die Höchststrafe für den Besitz von Kinderpornografie kürzlich verdoppelt wurde, von einem auf zwei Jahre. Trotzdem liegt sie vom Unwertgehalt nach dem Willen des Gesetzgebers im Bereich, den der Staatsanwalt dankenswerterweise offen angesprochen hat. Es ist also keineswegs so, dass unser geltendes Recht die Konsumenten von Kinderpornografie auf die Stufe von Schwerverbrechern stellt.

Das sollte man, bei aller Abscheu über das Phänomen, jedenfalls zur Kenntnis nehmen. Möglicherweise klafft hier eine Lücke zwischen dem Strafbedürfnis der interessierten Öffentlichkeit und der Rechtslage. Aber zunächst zählt die Rechtslage. Ob sie einem gefällt oder nicht.

Die bloße Tatsache, (zahlender) Kunde eines Kinderpornoanbieters zu sein, führt übrigens noch nicht notwendig zur Strafbarkeit. Das liegt am Gesetz selbst. § 184 b Abs. 4 Strafgesetzbuch stellt nicht jeden Kontakt mit Kinderpornografie unter Strafe. Dort heißt es:

Wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer die in Satz 1 bezeichneten Schriften besitzt.

Strafbar macht sich demnach nur, wer sich Besitz verschafft oder sich zumindest verschaffen will. Besitz ist aber nicht das bloße Aufrufen bzw. Betrachten einer derartigen Seite im Internet. Das erläutert der juristische Standardkommentar Schönke/Schröder so:

Das bloße Betrachten einer Schrift ist damit nicht tatbestandsmäßig. Bei Computerdateien ist dieses auf eine gewisse Dauer gerichtete Herrschaftsverhältnis nicht schon mit der Darstellung auf dem Bildschirm und dem Gelangen der Dateien in den Arbeitsspeicher des Rechners begründet, sondern erst mit dem dauerhaften Abspeichern auf einem Datenträger wie zB Festplatte, Memory-Stick, CD-R, DVD, Diskette.

Die zeitweise Speicherung der Daten im Arbeitsspeicher des Rechners ist nicht ausreichend, da diese beim Ausschalten des Geräts endgültig verloren gehen, falls sie nicht zuvor auf der Festplatte gespeichert werden. Bei einer Übertragung aus dem Internet erfolgt eine Abspeicherung allerdings regelmäßig automatisch durch die Software im sog. Cache, weshalb die Daten auch nach Abschalten des Geräts erhalten bleiben. Diesbezüglich wird jedoch häufig der Vorsatz zu verneinen sein, weil sich der Nutzer dieser Speicherung oftmals nicht bewusst ist.

Die Frage, ob eine hinreichende dauerhafte Speicherung in solchen Fällen vorliegt, lässt sich letztlich kaum allgemeingültig beantworten, weil dies letztlich auch von den jeweiligen Konfigurationen abhängt.

Wer sich derartiges Material also lediglich ansieht und es nicht abspeichert, macht sich nicht strafbar. Dazu bedarf es keiner juristischen Winkelzüge; es ist die Rechtslage. Ebenso wenig macht sich zum Beispiel jemand strafbar, der Kinderpornografie auf dem Computer, Handy oder DVD-Player eines Dritten betrachtet. So traurig man es finden mag, bedeutet dies zum Beispiel, dass sich bei einem „Videoabend“ mit derartigem Material lediglich der Gastgeber strafbar macht.

Letztlich führt dies zur Erkenntnis, dass die anhand von Zahlungsdaten ermittelten Kunden einer kinderpornografischen Bezahlseite zwar einer Straftat verdächtig sind. Denn realistischerweise werden derartige Dateien meistens abgespeichert. Es muss aber nicht so sein. Der Schluss, wer sich bei einer derartigen Seite angemeldet und sich die Inhalte angesehen hat, sei notwendig auch ein Stratäter, ist unzutreffend. Gleiches gilt auch für die Ansicht, schon allein die Anmeldung sei strafbar.

Einmaliger Disclaimer: Ich bin Fachanwalt für Strafrecht. Es ist meine Aufgabe, Menschen zu helfen, denen Straftaten vorgeworfen werden. Man kommt der Aufgabe eines Verteidigers vielleicht näher, wenn man sich klarmacht, dass es in unserem Rechtsstaat ab einer Straferwartung von einem Jahr Gefängnis kein Strafverfahren ohne Verteidiger geben darf. Wenn ein Angeklagter keinen Verteidiger sucht und vielleicht sogar keinen will, wird dieser ihm sogar aufgezwungen.

Ich helfe Beschuldigten im Rahmen des Zulässigen. Das ist unabhängig davon, ob der Tatvorwurf zutrifft oder nicht. Und dabei spielt es überhaupt keine Rolle, welche persönliche Meinung ich zu dem möglichen Fehlverhalten oder der Person des Betroffenen habe.

Aus den vorstehenden Gründen werde ich mich an einer Moraldiskussion nicht beteiligen, auf welcher Ebene auch immer sie geführt wird. Das heißt aber nicht, dass ich die Argumente nicht zur Kenntnis nehme.

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Achillesferse garantiert

Der Bundestrojaner ist das Tool zur derzeit gerichtlich untersagten Onlinedurchsuchung. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung soll seine Entwicklung maximal (!) 200.000 Euro kosten. So berichtet es heise online.

Wenn man so viel investiert, werden wirksame Gegenmittel nicht den Umweg über den Handel machen müssen. Sondern gleich auf einer Heft-CD erscheinen.

Mikado: Stäbchen für Stäbchen

Mit dem Antrag gegen die Aktion Mikado habe ich mich zunächst bemüht, die Sache ins Rollen zu bringen. Es musste ein Anfang gemacht werden, damit das Verfahren zur Klärung dieses Falles in Gang kommt.

Ich hoffe, dass andere Anträge besser begründet, eleganter formuliert und mit tolleren Fußnoten versehen sind. Das kann der Sache nur dienen.

Das Amtsgericht Halle hat heute verlauten lassen, es werde bei der Staatsanwaltschaft nicht nur die Akten anfordern. Sondern auch eine Stellungnahme. Ich bin sicher, dass sich Oberstaatsanwalt Vogt damit Mühe geben wird.

Aus dieser Erwiderung werden wir dann auch Fakten aus erster Hand erfahren, die wir uns bislang aus der Berichterstattung zusammensuchen mussten. Auf dieser dann – hoffentlich – breiteren Grundlage wird es uns sicherlich ermöglicht, auf die Staatsanwaltschaft zu erwidern, bevor eine Entscheidung fällt.

Das wäre der Zeitpunkt, um im Rahmen des Verfahrens argumentativ nachzulegen. Oder vielleicht auch zu merken, dass das eine oder andere von der Presse überlieferte Detail nicht stimmt. (Wenn die Aktion rechtsstaatlicher war als sie in den Medien rüberkam, würde ich mich freuen.)

Möglicherweise gibt es auch eine mündliche Verhandlung.

Nach dem derzeitigen Stand werde ich, wenn die Zeit ausreicht, für die nächste Stellungnahme interessierten Mitbetroffenen (von mir aus auch allen, die keine Kreditkarte haben) die Möglichkeit geben, daran mitzuarbeiten. Etwa über Google Docs oder ein Wiki.

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Mikado

Mikado

Vorab als Fax 0345 220 5030
Amtsgericht Halle
Thüringer Straße 16
06112 Halle

10. Januar 2007

Antrag auf gerichtliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 S. 2 StPO

des Rechtsanwaltes Udo Vetter, Lützowstraße 2, 40476 Düsseldorf,

wegen

der Datenabfrage der Staatsanwaltschaft Halle bei Kreditkartenunternehmen und Abrechnungsstellen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens „Mikado“ wegen mutmaßlicher Verstöße gegen § 184b StGB.

Ich beantrage,

festzustellen, dass die Datenabfrage der Staatsanwaltschaft Halle bei bundesdeutschen Kreditkarten und Abrechnungsunternehmen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens „Mikado“ rechtswidrig war.

Mit diesem Antrag wende ich mich gegen die oben näher beschriebene Ermittlungsmaßnahme der Staatsanwaltschaft Halle. Es handelt sich um eine bundesweit beachtete Aktion. Ich füge beispielsweise einen Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 10. Januar 2007 als Anlage 1 bei.

I.

Ich bin Inhaber zweier Kreditkarten, die von deutschen Banken ausgegeben wurden. Es handelt sich hierbei um eine Mastercard, herausgegeben von der Deutschen Bank, sowie um eine Visacard, herausgegeben von der DaimlerChrysler Bank.

Die Mastercard nutze ich ununterbrochen seit rund 20 Jahren. Die Visacard habe ich Ende 2004 erhalten.

Als Beleg füge ich zunächst zwei Kreditkartenbelege bei (Anlage 2)

II.

Die Staatsanwaltschaft Halle erhielt über ein Fernsehmagazin Hinweise auf eine Internetseite, auf der möglicherweise kinderpornografische Inhalte angeboten wurden. Die Inhalte konnten gegen Bezahlung mit Kreditkarte heruntergeladen werden.

Die Betreiber dieser Website konnten nicht ermittelt werden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft war es auch nicht möglich, den Geldstrom zu verfolgen. Die Spur habe sich auf den Philippinen verloren.

Um mögliche Nutzer des Angebotes zu ermitteln, richtete die Staatsanwaltschaft Halle an alle deutschen Kreditkartenunternehmen und Verrechnungsstellen eine Anfrage und bat um Mitteilung der Kreditkartenkunden, über deren Karte innerhalb eines bestimmten Zeitraum ein Betrag von 79,99 Dollar für einen bestimmten Vertragskunden der Kreditkartenunternehmen (Betreiber einer Verrrechnungsstelle bzw. der Webseite) ins Ausland übermittelt wurden.

In den Schreiben wurde den Empfängern mitgeteilt, sie machten sich ggf. strafbar, wenn sie der Aufforderung nicht nachkämen.

Nach Angaben der Ermittlungsbehörden durchsuchten die deutschen Kreditkartenfirmen daraufhin ihre Datenbestände auf Zahlungen, die den genannten Kriterien entsprechen. Es wurden den Ermittlungsbehörden dann 322 Kreditkartenkunden mitgeteilt, über deren Kartenkonto passende Zahlungen erfolgten.

Ich besitze zwei der jeweils meistverbreiteten Kreditkarten Deutschlands. Somit sind auch meine Kontendaten im Rahmen der Ermittlungen überprüft worden.

III.

Die Ermittlungsmaßnahme war rechtswidrig, jedenfalls aber unverhältnismäßig.

1. Es bestand noch nicht einmal ein Anfangsverdacht, um derartige Ermittlungen vorzunehmen.

Die bloße Existenz einer Internetseite mit Kinderpornografie liefert keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass diese Seite auch von deutschen Kunden aufgesucht und von dort gegen Bezahlung strafbare Inhalte heruntergeladen werden.

Die diesbezügliche Annahme der Staatsanwaltschaft war eine reine Spekulation. Es wurde ins Blaue hinein unterstellt, dass es deutsche Kunden geben könnte. Die für Ermittlungen erforderlichen tatsächlichen Anhaltspunkte (Zahlung aus Deutschland auf das betreffende Konto) wurden gerade erst durch die beanstandete Maßnahme produziert!

Wollte man schon aus der bloßen Existenz einer Internetseite mit strafbaren Inhalten künftig einen hinreichenden Tatverdacht dahingehend herleiten, dass Deutsche dieses Angebot nutzen, wäre der andauernden Überprüfung des gesamten Zahlungsverkehrs aller Bundesbürger Tür und Tor geöffnet. Und das nur aus der vagen Möglichkeit heraus, dass der eine oder andere von etlichen Millionen möglicherweise von einem derartigen Angebot Gebrauch macht.

Tatsächlich lag also kein Anfangsverdacht vor. Vielmehr schöpfte die Staatsanwaltschaft einen unzulässigen Generalverdacht gegen sämtliche Inhaber einer deutschen Kreditkarte. Betroffen waren demnach 22 Millionen Menschen.

2. Bei der Maßnahme handelt es sich faktisch um eine Rasterfahndung nach § 98a StPO.

Der Datenabgleich erfolgte nach allen Berichten automatisch nach bestimmten Kriterien.

Die Staatsanwaltschaft hat den Datenabgleich zwar nicht selbst durchgeführt. Jedoch hat sie den angeschriebenen Unternehmen in der Anfrage mitgeteilt, diese machten sich gegebenenfalls strafbar, wenn sie nicht mitwirkten.

Hierdurch hat die Staatsanwaltschaft die Kreditkartenfirmen über ihre Mitwirkungspflicht fehlerhaft informiert. Tatsächlich besteht die Verpflichtung zur Datenherausgabe nach § 98a StPO nur bei richterlicher Anordnung (§ 98b Abs. 1 S. 1 StPO), die hier gar nicht eingeholt worden war; Gefahr im Verzug lag offensichtlich nicht vor.

Durch die rechtswidrige Inaussichtstellung eines Ermittlungsverfahrens setzte die Staatsanwaltschaft die angeschriebenen Unternehmen dergestalt unter Druck, dass diese die Rasterfahndung durchführten.

Dieser Sachverhalt kann aber nicht anders behandelt werden, als wenn die Staatsanwaltschaft die Daten angefordert und die Rasterfahndung selbst durchgeführt hätte. Denn die beteiligten Unternehmen sahen sich durch die Mitteilung, sie machten sich bei einer Weigerung ggf. strafbar, verständlicherweise in einem Handlungszwang.

Das Verhalten der Staatsanwaltschaft diente ersichtlich dazu, den Richtervorbehalt für eine Rasterfahndung zu umgehen. Hierbei dürfte eine Rolle gespielt haben, dass ein richterlicher Beschluss auf „Durchsuchung“ sämtlicher deutschen Kreditkartenkonten ins Blaue hinein kaum zu erwirken gewesen wäre.

Die Maßnahme ist also schon rechtswidrig, weil die erforderliche richterliche Genehmigung nicht eingeholt wurde.

Im Übrigen bestehen auch erhebliche Zweifel, ob es sich bei den im Raume stehenden Delikten nach § 184b StGB auf Konsumentenseite um eine Straftat von „erheblicher Bedeutung“ handelt, wie es das Gesetz für eine Rasterfahndung verlangt.

3. Die Maßnahme ist aber jedenfalls grob unverhältnismäßig.

Durch den Datenabgleich wurden nicht nur sämtliche 22 Millionen Kreditkarteninhaber einem unzulässigen Generalverdacht ausgesetzt und so zum Objekt von Vorermittlungen gemacht, aus denen sich dann – möglicherweise – erst die Anknüpfungstatsachen für einen Tatverdacht ergeben sollten.

Die Maßnahme griff auch unzulässig in das informationelle Selbstbestimmungsrecht jedes einzelnen Betroffenen ein.

Beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung handelt es sich um ein Grundrecht (vgl. nur BVerfG 1 BvR 518/02 – Rasterfahndung -;
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20060404_1bvr051802.html).

Dieses Recht gewährleistet die aus dem Grundsatz der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl.BVerfGE 65, 1 <43>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194>; 96, 171 <181>; 103, 21 <32 f.>; 113, 29 <46> ). Es sichert seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl.BVerfGE 65, 1 <43>; 67, 100 <143>; 84, 239 <279>; 103, 21 <33> ; BVerfG, NJW 2006, S. 976 <979>). Denn individuelle Selbstbestimmung setzt – auch unter den Bedingungen moderner Informationsverarbeitung – voraus, dass dem Einzelnen Entscheidungsfreiheit über vorzunehmende oder zu unterlassende Handlungen einschließlich der Möglichkeit gegeben ist, sich entsprechend dieser Entscheidung tatsächlich zu verhalten. Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden (vgl.BVerfGE 65, 1 <42 f.>).

Selbst wenn man mit geeigneten Geeignetheit und Erforderlichkeit bejahen wollte – was wohl kaum möglich sein wird, da es bereits an der Eingriffsvoraussetzung des konkreten Tatverdachts fehlte – war der gerügte Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht jedenfalls nicht mehr verhältnismäßig im engeren Sinn.

Das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn verlangt, dass die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe stehen darf (stRspr; vgl.BVerfGE 90, 145 <173>; 92, 277 <327>; 109, 279 <349 ff.> ). Die Prüfung an diesem Maßstab kann dazu führen, dass ein an sich geeignetes und erforderliches Mittel des Rechtsgüterschutzes nicht angewandt werden darf, weil die davon ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen den Zuwachs an Rechtsgüterschutz überwiegen, so dass der Einsatz des Schutzmittels als unangemessen erscheint (vgl.BVerfGE 90, 145 <173> ). In dem Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zum Rechtsgüterschutz und dem Interesse des Einzelnen an der Wahrung seiner von der Verfassung verbürgten Rechte ist es dabei zunächst Aufgabe des Gesetzgebers, in abstrakter Weise einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu erreichen (vgl.BVerfGE 109, 279 <350> ). Dies kann dazu führen, dass bestimmte intensive Grundrechtseingriffe erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorgesehen werden dürfen. Entsprechende Eingriffsschwellen sind durch eine gesetzliche Regelung zu gewährleisten (vgl.BVerfGE 100, 313 <383 f.>; 109, 279 <350 ff.>; BayVerfGH, Entscheidung vom 7. Februar 2006 – Vf. 69-VI-04 -).

Vorliegend haben die Ermittlungsbehörden über die insoweit instrumentalisierten Kreditkartenfirmen ohne konkreten Tatverdacht die Daten von 22 Millionen Kreditkarteninhabern auf bestimmte Kontobewegungen abgleichen lassen. Der schwerwiegende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erfolgte also, obwohl noch nicht einmal die geringste Verdachtsstufe erreicht war, nämlich der konkrete, auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützte Anfangsverdacht.

In der Tat handelt es sich hier um Ermittlungen zur Produktion eines konkreten Tatverdachts. Dies widerspricht eklatant den vorstehenden dargestellten Anforderungen.

IV.

Ich bin als Kreditkartenkunde von der Maßnahme unmittelbar betroffen und in meinen Rechten verletzt. An der Feststellung der Rechtswidrigkeit habe ich ein Interesse. Es gibt weltweit unzählige weitere Internetseiten, die eine derartige Fahndungsmaßnahme auslösen können. Angesichts des offenkundigen Stolzes der Ermittlungsbehörden über ihren „Erfolg“ dürfte es außer Frage stehen, dass der nächste Globalabgleich von Kreditkartendaten nur eine Frage der Zeit ist.

V.

Sollte die Staatsanwaltschaft eine Erklärung abgeben, bitte ich um Gelegenheit zur Stellungnahme, bevor über den Antrag entschieden wird.

Rechtsanwalt

Kein Copyright

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Bitte entbinden Sie

Ein Formular der Kriminalpolizei:

Strafantrag Düsseldorf, den 3. März 2006

Ich, Melanie W. T.-Straße 185, 40… Düsseldorf, stelle gegen Tobias N. für alle in Betracht kommenden Straftatdelikte vorsorglich Strafantrag.

(Unterschrift)

Hiermit entbinde ich die zuständige(n) Bank(en) gegenüber der Polizei von ihrem Bankgeheimnis.

(Unterschrift)

Schon erstaunlich, was den Leuten so zur Unterschrift vorgelegt wird. Und was sie unterschreiben, so wie Melanie W.

Bei der Tat ging es um eine Rangelei vor einer Gartenlaube.

Streit um OB-„Beleidigung“

In der Justiz der Landeshaupstadt Düsseldorf streitet ein Staatsanwalt mit einem Amtsrichter. Der will einen Strafbefehl nicht unterschreiben, mit dem ein 44-jähriger Bürger der Beleidigung beschuldigt wird und deswegen 450 Euro zahlen soll. Er hatte Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) in einer E-Mail als „braune Natter im Pelz einer Schwarzdrossel“ bezeichnet, weil Erwin sich in der Diskussion um den Heinrich-Heine-Preis für den umstrittenen Schriftsteller Peter Handke eingesetzt hatte. Der Staatsanwalt bleibt beharlich. Deshalb muss der Richter sich noch einmal entscheiden. (pbd)

Hintergründe bei Indiskretion Ehrensache

Auskunftsersuchen

So lakonisch faxt zum Beispiel der Zoll an Telekommunikationsunternehmen:

„Sehr geehrte Damen und Herren, ich bitte um Mitteilung der PUK/PIN-Nummer für die nachfolgend aufgeführte SIM-Karte

25 …. ….. . . …..

sowie der zu diesem Vertrag angegebenen Kundendaten (Anschlussinhaber, Aktivierungsdatum pp.)“

Im Betreff heißt es lediglich: „Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft A. wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, hier: Auskunft zu Bestandsdaten nach § 113 TKG.“

Zwei Stunden später sind die Informationen da.

Berufsgenossenschaft – doch zu was gut

Ein Arbeitnehmer fährt aus Versehen seinen Kollegen um. Mit dem Gabelstapler. Der Anwalt des Geschädigten fordert jetzt vom Arbeitgeber 4.000,00 € Schmerzensgeld. Mit Vollmacht, Fristsetzung und viel Blabla.

Sicher, sein Mandant war einige Wochen krankgeschrieben. Und Schmerzen hat er garantiert auch gehabt.

Aber bei Arbeitsunfällen haftet das Unternehmen nicht für Personenschäden, also auch nicht für Schmerzensgeld. So steht es in § 104 Sozialgesetzbuch 7. Die Arbeitgeber bezahlen nämlich die gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft). Deshalb sollen sie nicht noch gesondert zur Kasse gebeten werden dürfen.

Ich frage mich nun, ob der Anwalt den Arbeitgeber für doof hält. Ansonsten bleibt ja nur eine unschöne Möglichkeit.