Nach 22 Jahren Haft ist ein Mörder aus dem Gefängnis entlassen worden. Er ist ein freier Mann, dennoch verfolgt ihn die Polizei rund um die Uhr. Es handelt sich um eine „offene Begleitung“, nicht um eine heimliche Beschattung.
Mit der Maßnahme will das Innenministerium in Sachsen-Anhalt „größtmögliche Sicherheit“ herstellen. Offenbar ist man nicht mit der Entscheidung der Gerichte einverstanden, die eine gegen den Mann verhängte Sicherungsverwahrung nicht verlängert haben.
Nach diesem Zeitungsbericht geben die Behörden in Sachsen-Anhalt einer Gesetzeslücke schuld an der Entlassung des Mannes. Für die Sicherungsverwahrung werde eine gegenwärtige, konkrete und hochgradige Gefährlichkeit verlangt. Der Entlassene sei aber laut Gutachter nur „mittelgradig gefährlich“.
Das klingt weniger nach einer Gesetzeslücke. Und mehr nach Unwilligkeit, sich mit gerichtlichen Entscheidungen, die sich am Gesetz und den Vorgaben des Bundesgerichtshofes orientieren, abzufinden. Ob man damit noch dem Rechtsstaat dient, ist eine berechtigte Frage.
Sollten solche Sonderbehandlungen für entlassene Gewalttäter die Regel werden, stoßen die Behörden natürlich bald an die Grenzen des Machbaren. Was kommt dann? Der Ruf nach noch härteren Strafen oder automatischer Sicherungsverwahrung bis ans Lebensende?