In Sachsen-Anhalt zeichnet sich ein ziemlich einmaliges Verfahren ab. Gegen Richter eines Familiensenats am Oberlandesgericht Naumburg hat die Generalstaatsanwaltschaft Anklage erhoben – wegen Rechtsbeugung.
Recht und Alltag zitiert eine Pressemitteilung des Oberlandesgerichts (23/06, derzeit wohl nicht online):
Dem OLG ist bekannt geworden, dass die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg gegen zwei Richter des OLG Naumburg und einen Richter des Landgerichts (LG) Halle Anklage wegen Rechtsbeugung beim LG Halle erhoben hat. Die Vorwürfe beziehen sich auf ein Verfahren, das als Familiensache gemäß § 170 GVG nichtöffentlich verhandelt wurde. Schon deshalb verbietet sich eine inhaltliche Stellungnahme. Das OLG vertraut darauf, dass die erhobenen Vorwürfe in einem rechtsstaatlichen Verfahren geprüft werden.
Für Angehörige der Justiz gelten in diesem Zusammenhang keine anderen Verfahrensregeln als für jeden anderen Bürger. Die Betroffenen können aber wie jeder andere Bürger auch ihre von der Verfassung garantierten Rechte wahrnehmen. Zu diesen Rechten gehört insbesondere die Unschuldsvermutung, d.h. dass die Betroffenen solange als unschuldig zu gelten haben, bis ein unabhängiges Gericht ihre Schuld rechtskräftig festgestellt hat.
Die Richter sollen im Verdacht stehen, einem türkischen Vater das Umgangsrecht mit seinem Kind zu verwehren. Unter anderem hatte sich der Familiensenat gegen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gestellt, welche dem Vater den Rücken stärkten.
Anklagen wegen Rechtsbeugung lassen sich in der Geschichte der Bundesrepublik an zwei Händen abzählen. Verurteilungen sind noch viel seltener.
Für die Richter ist dies jedenfalls eine ernste Sache. Die Mindeststrafe beträgt ein Jahr Gefängnis. Eine Veurteilung, auch auf Bewährung, hätte zwangsläufig zur Folge, dass die Justizdiener demnächst dem freien Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Frühere Berichte im law blog:
– Renitent