Mord in der Jugendstrafanstalt

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Der Tod des 20-jährigen Häftlings in der Jugendhaftanstalt Siegburg war ein von den drei anderen Zellen-Insassen geplanter Mord von grausamsten Ausmaß, der von mehren Gefängniswärtern trotz Alarmierung nicht verhindert wurde. Das ist das Ergebnis eines Berichts, den Oberstaatsanwalt Friedrich Apostel veröffentlichte: „So viel Brutalität habe ich noch nicht erlebt“, sagte er in Bonn und wertete: „So etwas darf eigentlich nicht vorkommen“.

Nach den bisherigen Ermittlungen der Mordkommission haben die drei 17-, 19- und 20-Jährigen am vergangenen Samstag gegen Mittag schlichtweg beschlossen, ihren Mithäftling zu töten und die Tat als Selbstmord zu tarnen. Sie zwangen das Opfer, zwei Abschiedsbriefe zu schreiben, vernichteten die aber später. Sie misshandelten den 20-jährigen mit massiven Schlägen, benutzten dabei ihre Hände, Fäuste und Werkzeuge. Sie zwangen das Opfer, Wasser mit scharfem Pulver und Salz zu trinken und eine Tube Zahnpasta zu essen.

Als der 20-Jährige sich erbrach, musste er aus der Lache essen, aus dem Halter der Toilettenbürste eine Mischung von Urin und Spucke trinken. Das Opfer wurde mit Gewalt dazu gebracht, sich mit sexuellen Handlungen selber schwer zu verletzen. Nachdem der junge Mann von den Tätern mehrfach geschlagen worden war, sollte er erhängt werden. Weil innerhalb von zwei, drei Stunden verschiedene Kabel rissen, hingen die Täter den 20-jährigen an geknüpfte Bettlakenstreifen, die sie nach eineinhalb Minuten vom Hals lösten und den Bewusstlosen mit Schlägen zu Bewusstsein brachten. Kurz darauf erhängten sie ihn.

„Die Vorfälle in der Zelle sind von dem im Haus anwesenden Justizvollzugspersonal nicht erkannt worden“, sagte Oberstaatsanwalt Apostel lapidar. Er räumte aber ein: Wenigstens zwei Beamte haben bei dem Versuch, das Leben des Opfers zu retten, versagt. Der 20-Jährige hatte einen Rufknopf gedrückt. Der Beamte hielt aber eine Überprüfung nicht für notwendig, weil er sich von den drei Täten einen über die Gegensprechanlage einen „Fehlruf“ vorgaukeln ließ. Weil andere Gefangene sich über Lärm beschwert hatten, wollten Beamte später die Zelle kontrollieren, ließen sich aber abwimmeln und glaubten an „das Verrücken von Möbeln“.

Die Staatsanwaltschaft Bonn hat beim Amtsgericht Siegburg Haftbefehle gegen die drei Beschuldigten beantragt. Sie geht von der vollendeten Tötung eines Menschen aus Mordlust aus, von versuchtem Mord davor in drei Fällen, von vierfacher gefährlicher Körperverletzung, sexueller Nötigung und Vergewaltigung in zwei Fällen.

Wolfgang Neufeind, der Leiter der Jugendhaftanstalt Siegburg, rühmt das Haus im Internet: „Im Zentrum der Arbeit mit den Gefangenen stehen die schulische und berufliche Bildung – einschließlich der arbeitsmarktgerechten Entlassungsvorbereitung – sowie das Erlernen sinnvoller Beschäftigung in der Freizeit.“ Sein Grußwort klingt nach dieser Katastrophe zynisch. Neufeind hat sie nicht einmal kalkuliert. (pbd)