Rückständige Akten

Durch einen Besuch auf der Geschäftsstelle des Gerichts konnte ich jetzt feststellen, warum das Urteil in einer Strafsache Monate zu spät geschrieben worden ist.

Laut dem nicht beigefügten Vermerk, den ich einsehen durfte, wurde der Richter erst durch eine Anfrage der Staatsanwaltschaft am 23. Juni 2006 wieder auf das Verfahren hingewiesen. Er habe die Akte dann unter rückständigen Akten des laufenden Dezernats gefunden. Den Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist, so heißt es lakonisch und ohne weitere Begründung, habe er nicht bemerkt.

Ich wollte den Vermerk sehen, weil die Frist zur Abfassung des Urteils nach § 275 Strafprozessordnung dann nicht eingehalten werden muss, wenn das „Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist“.

Schlamperei, wie sie sich aus der Notiz ergibt, gehört nicht dazu.

Das Urteil wird jetzt wohl aufgehoben werden. Der unentschuldigte Verstoß gegen die Urteilsabsetzungsfrist ist ein absoluter Revisionsgrund. Eine Neuverhandlung ist auch in der Sache korrekt, denn so lax wie er mit seinen Akten umgeht, so deftig langt der Richter bei den Strafen zu.

Nachtrag: Erster Entwurf der Revisionsbegründung

Computer-GEZ wird billiger

Die GEZ-Gebühr für internetfähige Computer soll „nur“ 5,52 € pro Monat beantragen. Darauf haben sich Rundfunkanstalten geeinigt, berichtet Spiegel online. Ursprünglich sollte der volle Fernsehtarif von 17,03 € fällig werden.

Natürlich ist auch der aktuelle Vorschlag eine unverschämte Abzocke. Allerdings hat der Protest bislang immerhin erreicht, dass die Gebühr um zwei Drittel sinkt.

That’s life

Im Vorübergehen auf einem Terminsaushang gelesen, dass am Amtsgericht auch heute wieder viele Scheidungen verhandelt wurden.

Darunter auch die Sache „Amore ./. Amore“.

Riester: Unklare Klausel spart Geld

Die Tücken stecken oft im Detail. Davon können die Vertragsjuristen der Versicherungsgruppe MLP derzeit ein Lied singen. Eine frühere Tochtergesellschaft von MLP muss womöglich bei 15.000 Riester-Verträgen mit rund 90 % weniger Einnahmen auskommen. Ein Kunde hatte gegen eine Klausel geklagt, nach der er in den ersten zehn Jahren 0,692 % Abschluss- und Vertriebskosten bezahlen sollte. MLP wollte diesen Betrag jährlich haben.

Da dies aber nicht eindeutig angegeben war, hielt das Amtsgericht Heidelberg die Klausel für missverständlich. Das gehe zu Lasten des Anbieters, berichtet beck-aktuell. Der Kunde muss die 0,692 % nur einmal zahlen.

Blind im Justizdienst – ein Erfahrungsbericht

In der JurPC berichtet die blinde Rechtsreferendarin Ayiba Peters über ihren Vorbereitungsdienst am Landgericht Köln:

Ich habe alle Anklageschriften in Blindenschrift abgetippt und sie dann bei der Sitzung im Stehen Vorgelesen. Obwohl ich sehr aufgeregt war, hat das Vorlesen richtig gut geklappt. Den Schlussvortrag habe ich frei gehalten. Meine Assistenz war bei der gesamten Sitzung anwesend. Sie hat für mich Notizen gemacht, so dass wir nach der Sitzung zusammen das Formular für das Sitzungsprotokoll ausfüllen konnten.

Quelle des Links

Am besten mit Revolver

Die Akte begann dramatisch. Mein Mandant soll sich nicht nur mit seinem Nachbarn gestritten haben. Nein, er soll ihn auch mit einer „unzweifelhaft echten Schusswaffe“ bedroht haben.

Die Spannung löste sich, als ich den Vermerk des Polizeibeamten über die Anzeigenaufnahme las. Danach zeigte der Nachbar zunächst das Streitgespräch an, ohne eine Waffe zu erwähnen. Der Polizist wies ihn darauf hin, er könne nichts Strafbares erkennen.

Als er das hörte, habe sich der Nachbar tierisch über die Untätigkeit der Behörden aufgeregt. Etwas ruhiger, habe er sinngemäß gefragt: Wie wäre es, wenn Herr S. mir ein Messer an den Hals gehalten hat? Oder mit einem Revolver auf mich gezielt hat? Nach einigem Überlegen habe er sich dann für die Schusswaffe entschieden.

Die Verteidigungsschrift wird kurz.

Was mit VoIP

Unsere Siemens-Telefone sind über fünf Jahre alt. Die Mindestvertragslaufzeit ist vorbei. Die Technik ist auch nicht stehen geblieben. Deshalb habe ich folgende Mail an die Telefonfirma geschickt:

… wir würden gern mit Ihnen über eine neue Telefonanlage sprechen. Die neue Anlage sollte ins Netzwerk eingebunden sein und vielleicht VoIP etc. beherrschen. Am besten wäre es, wenn ein Kundenberater mit dem Sekretariat einen Termin mit mir ausmacht. Dann können wir Einzelheiten hier im Büro besprechen.

Das war am 28. Juli 2006. Eine Antwort habe ich nicht erhalten. Vielleicht wacht ja jemand auf, wenn ich jetzt die Kündigung schicke.

Kunden anpissen, Lektion 1

Ein schönes Beispiel für Marketing bietet mal wieder Herr Dr. Frank Huber. Er geht mit einer supertollen, grandiosen Idee hausieren. Für einen Milchblog. Damit blitzt er bei einer mittelständischen Molkerei ab. Die hat halt kein Interesse an der supertollen, grandiosen Blogidee.

Was macht Herr Huber? Er zieht die Firma öffentlich dafür durch den Schmutz, dass sie kein Milchblog mit ihm machen will. Im Gegensatz zu Herrn Huber finde ich, dass die Firma goldrichtig gehandelt hat. Zumindest, was die Person des Blogberaters angeht.

Bisherige Berichte: Cold Call vom Doktor

(Link gefunden bei Carsten Dobschat)

Falscher Jurist legt nach

Nachdem er schon mal als falscher Rechtsreferendar, der sogar in Strafsachen als Staatsanwalt vor Gericht auftrat, aufgeflogen ist, versuchte sich ein 31-Jähriger jetzt womöglich im Telefonkartenbusiness. Er soll unter falschem Namen Telefonkarten geordert und anschließend teure 0900er-Nummern angerufen haben. Dabei sei ein Schaden von bis zu 40.000 € entstanden, berichtet das Hamburger Abendblatt.

Trotz der erheblichen Vorwürfe und Vorstrafen über 26 Monate Gefängnis sah der Haftrichter offensichtlich keine Fluchtgefahr. Er soll Mark M. nicht in Untersuchungshaft genommen haben.

Bei ElbeLaw gibt es auch Links zur Vorgeschichte.

Mehr Schutz vor Werbeanrufen auf dem Handy

Handykunden müssen keine Werbeanrufe außerhalb der Geschäftsbeziehung dulden. Untersagt sind somit Anrufe von anderen Firmen, denen die Daten des Kunden verkauft worden sind. Das Oberlandesgericht in Hamm erklärte die übliche Klausel in Mobilfunkverträgen für unwirksam. Im entschiedenen Fall hatte sich der Kunde auf dem Vordruck damit einverstanden erklärt, Werbeanrufe „mit weiteren interessanten Informationen“ zu erhalten.

Für einen Verbraucher, so das Oberlandesgerichts, werde es angesichts des bestehenden Adressenhandels unüberschaubar, wer sich auf ein solches Einverständnis berufen könnte. Der Schutz des Verbrauchers vor belästigenden Anrufen wäre dadurch ausgehöhlt.

heise online /
OLG Hamm (Presse klicken)

SB-Konto

Ein Mandant von mir merkt, dass sich ein Nachbar an seinem Konto bedient. In einem Monat zahlt der Nachbar mit gefälschten Überweisungen sein Handy, im nächsten den Sportclub. In der Filiale bestätigt man meinem Mandanten, dass die Unterschriften auf den Überweisungsträgern nicht mit der hinterlegten Unterschrift übereinstimmen.

Aber das Geld erstatten? Da wird mein Mandant salopp abgewimmelt. Die Bank überprüfe nur ab 1.000 €, je nach Arbeitsanfall auch erst ab 3.000 €, ob die Unterschriften passen. Da habe er halt Pech gehabt. Aber immerhin einen guten Tipp hat die Frau am Schalter parat: „Holen Sie sich das Geld doch beim Nachbarn wieder.“

Ganz schön dreist. Das Risiko für gefälschte Überweisungen trägt hier nämlich die Bank. Ich bin zuversichtlich, dass mein Schreiben an die Rechtsabteilung zu schneller Einsicht führt. Und wenn nicht, muss ich halt mal einen Lokalredakteur anrufen.

Verbraucherthemen gehen ja immer.

Kaufleute

Wenn das erste Wort in der Firmen-E-Mail-Adresse „secretariat“ lautet, hat man es mit Hamburger Kaufleuten zu tun. Ob ehrbaren, will ich mal dahingestellt sein lassen.

Pädagogische Ansätze

Gespräch mit Sophie (9) und Julius (5).

Julius: Was ist in der Tasche?

Udo: Das ist meine Sporttasche.

Sophie: Gehst du oft zum Sport?

Udo: Ja, ich versuche es.

Julius: Warum?

Udo: Weil ich mich dann besser fühle. Wann fühlt ihr euch denn besser: Wenn ihr den ganzen Nachmittag auf dem Spielplatz getobt habt oder wenn wir im Kletterland waren? Oder wenn ihr stundenlang faul auf der Couch liegt und DVD oder Toggo guckt?

Julius: DVDeeee!

Sophie: Toggo!

Bei der nächsten Zeugenbefragung stelle ich mich schlauer an, versprochen.

The world is flat

„The world is flat“ heißt der Bestseller von Thomas L. Friedman. Warum das so ist, erklärt er zum Erscheinen der deutschen Ausgabe im Gespräch mit der FAZ:

Das hängt mit vier Dingen zusammen. Als erstes versetzte uns der Fall der Berliner Mauer in die Lage, die Welt wieder als flache Scheibe anzusehen. … Dann kam, zweitens, der Aufstieg des Personalcomputers, der jedem Individuum erlaubte, Worte, Bilder, Daten oder Videos zu vertreiben. … Als drittes wäre das Internet zu nennen, das den praktisch kostenlosen Transport der digitalen Inhalte ermöglichte, und als viertes das, was ich als „Workflow Software“ bezeichne. Damit konnte meine Software mit Ihrer in Verbindung treten, und so war ich fähig, meine Inhalte übers Internet kostenlos rund um die Welt schicken. Diese vier Dinge haben Ende der neunziger Jahre die Welt wieder flach gemacht.

Nach einer Lobeshymne auf die Blogger zerreißt der Autor die Chancen, welche Europa derzeit auf den Superhighways der Globalisierung hat:

Ich reise gern nach Europa! Ich liebe die Museen, ja Europa ist ein lebendes Museum, das, wie ich hoffe, weiterleben wird. Ich bewundere so viel an Europa, zum Beispiel die sechs Wochen Urlaub, die öffentlichen Verkehrsmittel, das Umweltbewußtsein. Ich meine das wirklich ernst, und wenn Europa den Zauberspruch kennt, wie diese Errungenschaften zu bewahren sind, ohne in die von einer flachen Welt ausgelösten Anpassungsnöte zu geraten, dann um so besser. … Ich bewundere eine Menge am sozialen Gefüge Europas, zugleich aber will es mir scheinen, als hintertreibe davon einiges jede Innovation.

Ich lese am liebsten Bücher, die mein Weltbild zementieren. „The world is flat“ habe ich mir deshalb gleich bestellt.