Die FAZ schreibt einen Brief an Natascha Kampusch, im Namen der Medien:
Es ist unsere Aufgabe, über die Mißstände in der Welt zu informieren – und wir können in Ihrem Fall nicht einfach eine Ausnahme machen. Natürlich gibt es noch eine andere Antwort, denn wenn wir ehrlich sind, wissen wir längst nicht mehr, was das ist: die Wahrheit. Aber wir wissen, was die Leute lesen wollen, hören wollen, sehen wollen. Das reicht uns. Die Leute wollen das Neue, das Dramatische, das Ungewöhnliche, sie wollen den Eklat und den Skandal. Wir wissen nicht, warum, aber wir können nichts dagegen tun. Das Gesetz unseres Berufs heißt nicht: „Du sollst nicht lügen!“ Es heißt: „Du sollst nicht langweilen!“ …
Sie hatten gehofft, daß außerhalb Ihres Gefängnisses die Wirklichkeit wartet; jetzt stehen dort Kameras und Reporter. Die Flucht vor ihnen führt Sie erneut in die Isolation. Sie wollen nicht an die Öffentlichkeit, aber Sie haben keine Wahl: Ihre Freiheit heißt Öffentlichkeit. Ihre Geschichte ist unsere Geschichte.
Das ist wohl die treffende Schlussfolgerung. Wenn Natascha Kampusch nicht ewig Verfolgte bleiben will, bleibt ihr nur eins, so lange sie es noch in der Hand hat: das große Interview im TV, die Serie im Print, das Buch, der Film. Oder waren ihre mittlerweile zahlreichen „Berater“ wirklich so selbstlos, sich uneingeschränkt zur Verschwiegenheit zu verpflichten?