Das muss ein erhebendes Gefühl sein, wenn der eigene Anwalt nicht hinter einem steht. In Braunschweig passiert das gerade, wie der Kollege Werner Siebers berichtet. Nach seinen bisherigen Beiträgen hat sich Folgendes ereignet:
Ein Angeklagter ist in erster Instanz freigesprochen worden. Sein bisheriger Verteidiger scheint aus dem Verfahren ausgeschieden zu sein. Vermutlich hat dies damit zu tun, dass die die Vorsitzende des Berufungsgerichts seine Kanzlei und seine Privaträume durchsuchen ließ.
In zweiter Instanz hat der Mann jetzt eine Pflichtverteidigerin. Die hat nach Akteneinsicht mitgeteilt, sie sei von der Schuld ihres Auftraggebers überzeugt und stehe nicht für einen Antrag auf Freispruch zur Verfügung. Das Oberlandesgericht hat es abgelehnt, dem Angeklagten einen neuen Pflichtverteidiger beizuordnen. Begründung: Der Angeklagte habe keinen Anspruch auf einen Verteidiger, der sich unkritisch seinen Wunschvorstellungen unterordnet.
Darüber könnte man ja diskutieren. Aber nur, wenn der Angeklagte nicht in erster Instanz freigesprochen worden wäre! Dann gehört es doch – selbstverständlich – zur Pflicht des Verteidigers, darauf hinzuarbeiten, dass die Berufung der Staatsanwaltschaft erfolglos bleibt. Immerhin wird sich der Amtsrichter beim Freispruch ja etwas gedacht haben. Außerdem ist es natürlich ein Unding, wenn ein Verteidiger schon vor der Verhandlung erklärt, er sei von der Schuld seines Mandanten überzeugt. Das mag es ja geben. Aber dann muss der Anwalt zumindest die Klappe halten.
Wirklich unbegreiflich, dass dem Angeklagten weiter eine Anwältin zugemutet wird, die (aus welchen Gründen auch immer) nicht bereit ist, seine Interessen zu vertreten. Vielleicht sollte die Kollegin fairerweise neben dem Staatsanwalt Platz nehmen.