DIE WELT NACKT ZU GAST BEI FREUNDEN

Weibliche Besucher von Fußballspielen müssen damit rechnen, sich vor den Augen der Polizei nackt ausziehen und einer umfassenden Kontrolle unterziehen zu müssen. Das gilt auch, wenn sie selbst unverdächtig sind. Mit einem Urteil vom 27. April 2006 billigte das Verwaltungsgericht des Saarlandes die Leibesvisitation einer 17-Jährigen. Die Frau hatte gegen die aus ihrer Sicht unwürdige Behandlung geklagt.

Die Frau war am 11. März 2005 nach Saarbrücken gereist. Sie wollte sich die Zweitligabegegnung 1. FC Saarbrücken gegen 1. FC Dynamo Dresden ansehen. Den weiteren Verlauf schildert das Urteil:

Gegen 18.50 Uhr erreichte die Klägerin das Stadiongelände. Unmittelbar vor dem Stadioneingang war ein Bereich durch Beamte des Polizeibezirks Saarbrücken-Stadt … abgesperrt. An einer dort eingerichteten Druchlassstelle wurde der Bundespersonalausweis der Klägerin kontrolliert. Danach wurde sie von einem Beamten angewiesen, vor einem … Zelt zu warten.

Nach einer Wartezeit von etwa einer Viertelstunde wurde die Klägerin in das Zelt hereingerufen, in dem auf beiden Seiten mehrere Kabinen aufgebaut waren. Der Eingang der Kabinen war jeweils zum Gang gelegen und nicht mit Vorhängen vershen. Die Klägerin musste sich der Reihe nach der einzelnen oberen Kleidungsstücke entledigen, gefolgt von der Hose, den Schuhen und der linken Socke. Jedes der Kleidungsstücke wurde einzeln kontrolliert, ehe das nächste auszuziehen war.

Am Ende der Durchsuchung wurde die Klägerin angewiesen, den BH für eine Abtastkontrolle nach oben umzuklappen. Der Slip musste bis zu den Knien heruntergezogen werden und die Klägerin musste eine vollständige Körperdrehung durchführen.

Nach den Erkenntnissen der Polizei bestand die Vermutung, „unverdächtige Dynamo-Fans“ könnten „Bestandteil des Aktionsfeldes der gewaltsuchenden Dresdner Problemszene sein“. Diese „unverdächtigen Fans“ würden vermutlich verbotene Gegenstände (Waffen, Rauchpulver, Signalmunition) ins Stadion schmuggeln. Bei diesen „Unverdächtigen“ handele es sich um unscheinbare, jüngere oder ältere und insbesondere weibliche Personen, z.B. Lebensgefährtinnen oder Freundinnen von gewaltgeneigten Personen, die aufgrund ihres Erscheinungsbildes nicht der gewalttätigen Szene zugeordnet werden dürften.

Tatsächlich machte sich die Klägerin nur durch einen einzigen Umstand verdächtig: Sie trug einen Fanschal von Dynamo Dresden. Nach Auffassung der Polizei entsprach sie damit dem „Profil der Transportklientel voll und ganz“.

Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts des Saarlandes hat an der Behandlung der jungen Frau nicht das Geringste auszusetzen. Zwar weist das Gericht darauf hin, dass eine vorbeugende Durchsuchung von Personen nach dem Saarländischen Polizeigesetz sich auf objektiv beweisbare Tatsachen stützen müsse und nicht nur auf subjektive Werturteile.

Diese beweisbaren Tatsachen verlangt das Gericht aber letztlich nicht. Vielmehr lässt es die Behauptung der Polizei genügen, gewaltsuchende Personen würden erfahrungsgemäß andere Personen für sich instrumentalisieren. Wörtlich stellt das Urteil fest, den Polizeibeamten sei „gerade die Möglichkeit genommen, eine individuelle Prognose zu treffen“.

Somit verzichtet das Verwaltungsgericht praktisch auf jede Eingriffsvoraussetzung, die sich aus der Person der Betroffenen ergeben muss:

Würde man ausschließlich in der zu durchsuchenden Person liegende Hinweise verlangen, die den Schluss darauf ermöglichen, dass gerade diese Person sicherstellbare Gegenstände mit sich führt, wäre ein effektiver Polizeieinsatz zur Sicherung der Gewaltlosigkeit der Veranstaltung nicht mehr möglich.

Mit dieser Formulierung zeigt das Gericht eine beachtliche Ferne zu rechtsstaatlichen Grundsätzen. Das Ziel rechtfertigt plötzlich jedes Mittel. Wo keine Tatsachen vorliegen, sind sie eben entbehrlich. Der an sich unverdächtige Bürger kann zum bloßen Objekt gemacht werden und muss erhebliche Eingriffe in seine Menschenwürde klaglos dulden.

Das ist, wie ich finde, ein Offenbarungseid des Rechtsstaates.

Hier passt ins Bild, dass die Polizisten nach Auffassung des Gerichts noch nicht einmal verpflichtet waren, die Klägerin über Grund und Ablauf der Maßnahme aufzuklären oder sich zumindest vorzustellen. Dazu schreiben die Richter lapidar, für die junge Frau habe offensichtlich sein müssen, „dass sämtliche Maßnahmen zum Zwecke der Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen erfolgt sind“.

So weit sind wir also schon gekommen, dass der Betroffene sich selbst zusammenreimen muss, warum er in ein Zelt beordert wird und sich nackt ausziehen muss. Man stelle sich vor, wenn einmal Richter in das „Profil der Transportklientel“ passen sollten. Vielleicht demnächst bei einem Popkonzert, zu dem der Nachwuchs chauffiert wird?

Das Gericht scheut nicht einmal davor zurück, der Klägerin selbst eine Mitverantwortung für die Behandlung zuzuschreiben. Die junge Frau, schreiben die Richter, hätte doch einfach auf den Stadionbesuch verzichten können.

PDF des Urteils

(Vielen Dank an Thorsten Hein für den Hinweis und die weitere Unterstützung sowie an Kassandra für den Link zum Urteil)

AN DIE GRENZEN

Ich habe einen Großteil des Tages damit verbracht, bei der Exploration eines Mandanten dabei zu sein. Ich habe aufgepasst, dass nicht die falschen Fragen gestellt werden. Oder dass sie zumindest nicht beantwortet werden.

Bei folgenden Fragen des Psychiaters – antworten Sie bitte zügig und ohne großes Grübeln – wäre ich ins Schleudern gekommen:

– Ein Pfahl steckt zur Hälfte in der Erde. Ein weiteres Viertel ist mit Wasser bedeckt. Der restliche Teil schaut oben raus; dieser Teil ist 40 Zentimeter lang. Wie lang ist der Pfahl?

– Wie viel ist 1/2 + 1/3?

– Welches Bundesland hat die meisten Binnengrenzen?

Ganz schwierig fand ich auch das Zahlenaufsagen rückwärts. Der Psychiater sagt siebenzwei. Man antwortet zweisieben. Spätestens bei dreiachtsiebendrei spielt mein Hirn nicht mehr mit. Dabei sind sechs Ziffern normgerecht, behauptet der Seelendoktor.

Das mit den Binnengrenzen habe ich später noch einen Wachtmeister gefragt. Und eine Staatsanwältin. Die lagen übrigens auch daneben.

SMELLS LIKE …

Ich habe es zuerst nicht geglaubt. Aber das McDonald’s-Magazin (nur Salat, ich schwöre) ist ja eigentlich nicht bekannt für gelungene Satiren. Also gibt es ihn tatsächlich, den Herrenduft namens 2006 FIFA World Cup. Besonders gelungen finde ich die vorproduzierte Schleichwerbung fürs Radio:

Begeisterte Fans, jede Menge Tore, spannende Spiele, Triumph und Verzweiflung – all das kann man fast schon riechen. Diese Emotionen sollen aber auch im jetzt veröffentlichten, offiziellen Duft zur FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006 stecken.

Ja, nach Verzweiflung wollen wir Männer gerne duften.

Nachtrag: Ob die Anwälte von Baker & McKenzie zu lange an ihren Pröbchen geschnüffelt haben?

Nachtrag 2: Dorthin gehen die Berlinerinnen, wenn ihnen der Fußball stinkt. (Quelle des Links.)

WM: KRIPO-ARBEIT AUF SPARFLAMME

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Die Fußball-Weltmeisterschaft reißt Lücken in die Strafverfolgung – diese Furcht geht in vielen Staatsanwaltschaften um. „Wenn ein Kriminalbeamter ein Stadion bewachen muss, dann kann er nicht durchsuchen“, sagt der Landes-Vize-Vorsitzende des Deutschen Richterbundes. Oberstaatsanwalt Johannes Schüler (Köln) ist bereits „in Sorge“. Sein Bonner Kollege Fred Apostel wird deutlich: Die Polizei sei derart stark rund um das Fußball-Ereignise eingebunden, dass sie zu notwendigen strafprozessualen Maßnahmen „nur sehr eingeschränkt zur Verfügung steht“.

Dabei seien die Staatsanwaltschaften auf die Hilfe der Kripo stark angewiesen. Deren Beamten sind zuständig für kriminaltechnische Untersuchungen, Vernehmungen von Beschuldigten und Zeugen, Durchsuchungen und Beschlagnahmen. All diese Maßnahmen sieht Apostel in den nächsten vier Wochen „auf Sparflamme gekocht“. In Wuppertal holte Oberstaatsanwalt Alfons Grevener süffisant zu einem Rundumschlag aus: „Es wäre illusorisch zu glauben, dass die Polizeibehörden so opulent ausgestattet sind, dass ein so hoher Personalbedarf bei solchen Ereignissen nicht zur Einschränkung in anderen Bereichen führt“.

Beim Amtsgericht Düsseldorf gibt es Indizien dafür, dass Prozesse deswegen platzen, weil als Zeugen geladene Polizeibeamte zum Prozesstermin in Gelsenkirchen oder Köln eingesetzt sind. Der Chef der Anklagebehörde indes setzt auf Zweck-Optimismus: „Ich gehe davon aus“, sagte Hans-Reinhard Henke, „dass die Strafverfolgung nicht beeinträchtigt wird“. So sieht es auch Wolfgang Beus vom Innenministerium: „Natürlich ist die Polizei durch die WM stark gebunden. Sicher ist aber auch, dass genügend Polizisten für die Einsätze zur Kriminalitätsbekämpfung und zur Strafverfolgung zur Verfügung stehen. Die Polizei hat dies bei ihren Planungen für die WM seit langen berücksichtigt. Es wird keine Lücken bei der Strafverfolgung geben.“ (pbd)

EXKLUSIVE VEBRAUCHERTIPPS

Die Verbraucherzentrale NRW ist so stolz auf ihre eigenen Ratschläge, dass sie deren Weiterverbreitung nur eingeschränkt wünscht. Jedenfalls hat sie das Verbraucherforum Antispam.de abgemahnt, weil sie ihre Urheberrechte verletzt sieht. Dort hatte, wie heise online berichtet, ein Anwalt ohne Quellenangabe einen Text der Verbraucherzentrale gepostet, wie man sich gegen unerwünschte Werbung wehrt.

Der FINBLOG hat herausgefunden, dass ein weitgehend gleicher Text bereits im Jahr 2001 vom WDR verwendet wurde. Er ist derzeit noch auf der Homepage des Senders nachzulesen. Der WDR nennt auch zwei Autoren für den damaligen Artikel.

Im FINBLOG, auch in den Kommentaren, wird spekuliert, wer von wem abgeschrieben hat.
Aber selbst wenn das Original von der Verbraucherzentrale stammt, lässt sich auf eine etwas getrübte Wahrnehmung der Organisation schließen. Abschreiben im öffentlich-rechtlichen Rundfunk geht klar, in einem privaten Verbraucherfourm ist es ein abmahnwürdiger Rechtsverstoß. Ach so.

Schlecht für die Verbraucherzentralen wäre es natürlich, wenn sie ihren Text schon mal als Pressemeldung unters Volk gebracht hätte. Im Online-Archiv, das bis ins Jahr 2000 reicht, ist der Beitrag allerdings nicht zu finden.

PIRATE BAY: EIN MACHER SPRICHT

Chaosradio hat einen der Macher Von „The Pirate Bay“ interviewt:

Peter explains what exactly happened during the police raid and explains the history and philosophy behind the anti-copyright scene in Sweden and the technical details of the Pirate Bay system and the BitTorrent protocol in particular. He also explains what the technical difficulities are in maintaining the service and the amount private data the system stores and handles.

(Danke an Florian Holzhauer für den Link)

SÄGEBLATT IN DER AKTENTASCHE?

Ein Rechtsanwalt steht im Verdacht, Gefangenen bei einem Ausbruch aus der JVA Rennelberg geholfen zu haben. Die Staatsanwaltschaft vermutet, der Jurist habe ein Sägeblatt in seiner Aktentasche mit in die Justizvollzugsanstalt gebracht. Zwei mutmaßliche Drogenhändler hatten damit die Gitterstäbe durchgesägt und waren über die Gefängnismauer geflüchtet. Inzwischen sind sie wieder festgenommen.

Auf welche Tatsachen oder Indizien sich der schwere Verdacht gegen den Rechtsanwalt stützt, berichtet die Braunschweiger Zeitung nicht.

(Link gefunden bei Strafprozesse und andere Ungereimtheiten)

THE PIRATE BAY

Die Abschaltung des Torrent-Seite „The Pirate Bay“ schlägt in Schweden hohe Wellen, berichtet Spiegel online. Insbesondere wird hitzig diskutiert, ob das Angebot tatsächlich illegal ist – urheberrechtliche geschützte Daten finden sich auf den Servern jedenfalls nicht. Gemutmaßt wird, die US-Regierung habe massiven Druck auf die schwedische Justiz ausgeübt.

Mittlerweile gibt es auch englischsprachige Weblogs, die das Geschehen dokumentieren:

http://viborginternational.blogspot.com/
http://tpbeng.blogspot.com/

(Danke an Florian Holzhauer für den Hinweis)

EIN HAFTBEFEHL

Ein Mandant kam aufgelöst ins Büro. Seine Bank hat ihm den Dispokredit gekündigt. Grund, so der Mann am Schalter, sei ein Haftbefehl. Ich vermutete, dass nicht bezahlte Schulden dahinter stecken und der Gerichtsvollzieher tätig ist. Der Mandant beteuerte aber, dass er keine Schulden hat und auch nicht gegen ihn vollstreckt wird.

Von einem anderen Haftbefehl weiß ich aber nichts. Ein Ermittlungsverfahren vor einem knappen Jahr wurde eingestellt. Außerdem kommen Informationen aus Strafverfahren normalerweise nicht in in Wirtschaftsauskünfte; jedenfalls ist mir das nicht bekannt.

Ich habe den Auftraggeber erst einmal zur Schufa geschickt. Die Selbstauskunft wird uns sicher schlauer machen.

STARANWALT VERLIERT

Der prominente Anlegeranwalt Andreas Tilp soll glücklos agieren – zumindest in eigener Sache. Von einer früheren Firma am Neuen Markt will er Schadensersatz in Höhe von fast einer halben Million Euro. Jetzt hat Tilp allerdings schon in zweiter Instanz verloren, berichtet das manager magazin.

DIE SCHAFE

Angela Schröders Ex-Berater und Fast-Minister Paul Kirchhof fordert die Bürger zu Verfassungsklagen gegen die Mehrwertsteuererhöhung auf. Außerdem äußert er gegenüber dem Spiegel sein Unbehagen, dass die Steuerpolitik alles andere als konzeptionell ist. Die Bürger hätten die „Umklammerung des Bürokratischen“ satt:

„Der alte Grundsatz von Friedrich dem Großen lautet: Ein guter Hirte schert seine Schafe, aber er zieht ihnen das Fell nicht ab“, sagte Kirchhof. „So einfach war das damals formuliert, so richtig ist es noch heute.“