Hartz V

Im Fall Allianz geht das Gejammer los. Jürgen Rüttgers vermutet laut Netzeitung etwa, dass ein Konzern, der in solchem Umfang Personal abbaut, auch nicht gut zu seinen Kunden sein kann.

Vielleicht sollten sich unsere Politiker mal etwas zurückhalten. Im Gegensatz zu Deutschland ist die Allianz nämlich noch kein Sanierungsfall. Der Personalabbau erfolgt, weil das Management erkannt hat, dass die Allianz in einigen Jahren ein Sanierungsfall zu werden droht. Wenn man nämlich weiter mit mehr Personal arbeitet als die heimische Konkurrenz. Vom internationalen Niveau ganz zu schweigen.

Aber nein, hohe Gewinne rechtfertigen es in den Augen unserer Politiker, sehenden Auges in die Unwirtschaftlichkeit zu schlittern. So hat man es ja auch mit dem Land gemacht, warum sollte es bei Konzernen nicht auch funktionieren. Fehlt nur noch der Hinweis, dass das Auslandgeschäft der Allianz doch hervorragend läuft und es für eine deutsche Firma moralische Pflicht ist, diese Auslandsgewinne in Deutschland zu investieren (Hartz V).

Den Katzenjammer inszenieren jene, die selbst nicht mal mehr so tun, als würden sie auch an Einsparungen arbeiten. Beispiel Gesundheitsreform: Wer redet noch davon, endlich an die Ausgaben zu gehen? Oder das marode System auf eine tragfähige Grundlage zu stellen? Es geht nur noch um die Einnahmenseite. Und die Frage, aus wem man die Milliarden herauspresst, mit denen für ein paar Jahre (oder Monate) die Löcher gestopft werden können.

Alle Politiker, die jetzt vor Mitleid mit den Allianz-Angestellten zerfließen, sollten sich über eines im Klaren sein. Sie haben den Zustand des Sanierungsgebiets Deutschland zu verantworten. Zum Zustand gehört auch die Tatsache, dass Allianz-Mitarbeiter nur deshalb keine neuen Jobs finden werden, weil diese nur noch in anderen Ländern entstehen.

Ein Haftbefehl zuviel

Heute Morgen hätte ich nicht viel darauf gewettet, dass mein Mandant um 14.30 Uhr ein freier Mann sein wird. Aber es geschehen noch Zeichen und Wunder. Beispielsweise in Person einer Mitverteidigerin, die für ihren Mandanten, der noch heftiger in der Schusslinie stand, kluge Beweisanträge stellte und das Gericht damit dazu bewegte, ein Rechtsgespräch im stillen Kämmerlein zu führen.

Das gab eine ziemlich umfangreiche Debatte. Aber am Ende siegte die Einsicht, dass die letzte Chance aus dem Strafverfahren zuvor halt doch nur die vorletzte Chance insgesamt gewesen ist. Wir trafen eine Verständigung, die lautete: Geständnis gegen Bewährung. Die Freude währte allerdings nicht lange, denn die Wachtmeister murmelten was von „Überhaft“. Ein weiterer Haftbefehl? Das hätte ich eigentlich wissen müssen.

Auf dem Laufzettel stand neben dem Aktenzeichen des Jugendgerichts noch ein Aktenzeichen des Landgerichts. In der Rubrik Haftbefehl. Es sah also so aus, als ob es zwei Haftbefehle gibt. Nun hilft es nicht viel, einen Wachtmeister darauf hinzuweisen, dass das Aktenzeichen zu einer Beschwerdeentscheidung gehört. Das Landgericht hatte die Beschwerde gegen den Haftbefehl des Jugendgerichts zwar zurückgewiesen. Aber es hatte natürlich keinen eigenen, zweiten Haftbefehl erlassen.

Der Richter sah das genauso. Allerdings sah er auch keinen Grund, einen Haftbefehl aufzuheben, den es gar nicht gibt. Stattdessen schickte er einen der Justizangestellten los, um sich von einem der zuständigen Richter am Landgericht bestätigen zu lassen, dass seine Kammer in dieser Sache keinen Haftbefehl erlassen hat.

Am Freitagnachmittag ist das natürlich ein riskantes Manöver. Zumindest, wenn man von den Richtern keine Handynummer hat. Bis die Sache geklärt wird, sollte mein Mandant aber schnell noch mal ins Hausgefängnis. Zum Sachen abholen war ich einverstanden. Aber jetzt noch stundenlang brüten, bis jemand den Fehler aufgeklärt hat, das wäre für mich nicht in Frage gekommen.

Ich murmelte also was zurück. „Vorsicht, nicht dass das eine Freiheitsberaubung wird.“ Nach einigem Hin und Her war dann auch hier eine Lösung zu finden. Es ging auch ohne Auskunft des Richters, wenn die Justizvollzugsanstalt grünes Licht gibt. Dort war natürlich nichts von einem Haftbefehl des Landgerichts bekannt. Mein Mandant durfte also zügig raus.

Trotzdem bin ich froh, dass das Ganze nicht erst am späten Freitagnachmittag passiert ist. Ob dann auch noch jemand aufzutrieben gewesen wäre, der eine Auskunft gibt?

Mitarbeiter klagt Kaufhof zu

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Der Düsseldorfer „Kaufhof Am Wehrhahn“ muss am kommenden Montag- und Dienstagabend schon um 20 Uhr statt, wie vorgesehen, um 22 Uhr schließen. Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (AZ 3 L 1110/06) hat ein einzelner Beschäftigter erstritten.

Er war für die je zwei Stunden außerhalb der normalen Geschäftszeit zur Arbeit eingeteilt, klagte aber gegen eine Verfügung der Bezirksregierung. Die hatte im März für die Zeit der Fußball-Weltmeisterschaft Warenhäusern erlaubt, ihre Läden länger offen zu halten. Die 3. Kammer des Gericht entschied jedoch zugunsten des Arbeitnehmers: Dessen Interesse „an der Einhaltung der Ladenschlusszeiten“ sei höher einzustufen, als das Interesse, während der WM 2006 die Läden ganztägig zu öffnen.

Regierungspräsident Jürgen Büssow ließ wissen, er habe lediglich auf Weisung des Wirtschaftsministeriums gehandelt. Dessen Sprecher Joachim Neuser sagte, das Urteil werde sorgfältig geprüft: „Wir halten fest daran, den WM-Gästen Öffnungszeiten zu bieten, die sie in ihrer Heimat gewohnt sind“. Die Kölner Kaufhof-Zentrale zeigte sich gestern überrascht: „Wir kennen die Entscheidung weder hier noch im Düsseldorfer Haus“, sagte Pressesprecher Steffen Kern der Nachrichtenagentur pbd.

Mögliche Verluste konnte er nicht nennen, und er wusste auch nicht, wie viel Personal unfreiwillig zwei Stunden eher in den Feierabend gehen wird. (pbd)

Prepaid-Guthaben dürfen nicht verfallen

Prepaid-Guthaben dürfen nicht verfallen. Das Oberlandesgericht München bestätigte heute ein entsprechendes Urteil des Landgerichts München. Danach darf der Mobilfunkanbieter O2 nicht einfach Guthaben seiner Kunden löschen, bloß weil eine gewisse Zeit abgelaufen oder der Vertrag beendet ist.

Andere Anbieter verwenden ähnliche Bedingungen. Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts dürften Kunden aber gute Karten haben, sich gegen gestrichene Guthaben zu wehren.

(via verbraucherrechtliches; dort auch ein Link zum Urteil des Landgerichts)

Esser wechselt den Anwalt

Der ehemalige Mannesmann-Chef Klaus Esser wechselt den Anwalt. Bei der Neuaflage des Untreueprozesses wegen Millionenzahlungen bei der Übernahme durch Vodafone wird künftig der Berliner Strafverteidiger Daniel Krause für Esser arbeiten. Er löst Sven Thomas ab, berichtet das Handelsblatt.

Die Zeitung spekuliert, Essers Starrsinnigkeit könne Grund für den Anwaltswechsel sein. Der ehemalige Mannesmann-Chef hat wiederholt erklärt, dass für ihn nur ein Freispruch in Frage kommt. Von Seiten der Düsseldorfer Justiz, das war schon in mehreren Zeitungen zu lesen, soll aber auch signalisiert worden sein, dass eine Einstellung des Verfahrens möglich ist, sofern die Angeklagten hohe Geldauflagen zahlen.

Nicht richtig ist in dem Artikel, dass dass das Verfahren nur einheitlich eingestellt werden kann. Deutsche-Bank-Chef Ackermann kann zum Beispiel auch eine Auflage zahlen und aus dem Verfahren ausscheiden, während es Esser auf ein Urteil ankommen lässt.

(Link gefunden in der Handakte)

El Masri: Anwälte protestieren gegen Lauschangriff

Der Lauschangriff der Polizei auf den Anwalt des von der CIA entführten Deutschen Khaled El Masri löst Proteste aus. Die Iniative bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger wendet sich mit einer Erklärung gegen die zweifelhafte Aktion:

Mit Empörung haben wir heute aus der Presse erfahren, daß der Kollege Gnjidic, der engagiert und couragiert den Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri wegen dessen Entführung und illegalen Verschleppung durch die CIA vertritt, über Monate hinweg abgehört wurde.

Initiiert wurde die nach unserer Auffassung eindeutig rechtswidrige Maßnahme durch die Staatsanwaltschaft München I, deren eigentliche Aufgabe die Aufklärung der Entführung und Verschleppung sowie die Strafverfolgung der Entführer von Khaled el-Masri ist. Daß diese Ermittlungen in der Vergangenheit mit besonderem Eifer oder Erfolg betrieben worden wären, ist nicht ersichtlich.

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Kein Ticket für Kongo

Einige Bundeswehrsoldaten werden womöglich nicht mit in den Kongo dürfen. Sie sind, so die Welt, mit „zweifelhaften Sexpraktiken“ aufgefallen. Unter anderem soll Soldaten bei Feiern Obst ins Gesäß geschoben worden sein. Anschließend sei mit einem Paddel draufgeschlagen worden.

Sicherlich ist so was nicht zu tolerieren. Aber für mich klingt das eher nach barbarischem Ritual, weniger nach, nun ja, exzentrischer Sexualität.

Bericht in der Welt.

(Danke an Danny Faak für den Link)

Falsch investiert

Vorhin habe ich in einer Sache zum zweiten Mal vor einem Strafrichter gesessen. Ohne Mandant. Beim ersten Mal sah der Richter von bösen Dingen ab, einem Vorführbefehl zum Beispiel. Stattdessen erließ er einen Strafbefehl.

Gegen den legte ich Einspruch ein. Denn der Mandant, der die erste Ladung nicht bekommen hatte, wollte die Sache unbedingt verhandelt wissen. Wir haben den zweiten Verhandlungstermin sogar noch vorbereitet. Wo und wann waren also hinreichend bekannt.

Und jetzt kommt er wieder nicht, sagt auch vorher nicht ab. Also wird der Einspruch gegen den Strafbefehl verworfen. Jetzt brauchen wir schon sehr gute Entschuldigungsgründe, um die Sache wieder in Gang zu bekommen.

Das alles wäre mir ja keine Erwähnung wert, hätte der Auftraggeber nicht schon meine Rechnungen bezahlt. Und zwar auch die für den heutigen Termin.

Das war dann wohl wirklich eine Fehlinvestition (im Anschluss an den vorigen Beitrag).

Ich bin enttäuscht

„Ich bin enttäuscht von Ihnen.“

Ich beginne Telefongespräche gern mit erfreulicheren Aussagen. Aber es war eine Fast-Mandantin, die mir diesen Satz entgegenschleuderte.

Was war geschehen?

Die Dame hatte schon zum wiederholten Male angerufen. Und mir ihre Geschichte erzählt, die sich um einen Haftbefehl dreht. Der ist nach einigen Wochen außer Vollzug gesetzt worden, aber das Verfahren geht nicht voran. Ihr Verteidiger tut nichts, hat keine Ideen. Sagt sie. Ob ich helfen kann?

Gute Frage. Aber ohne Aktenkenntnis seriös nicht zu beantworten. Ich habe ihr deshalb angeboten, mir die Ermittlungsakte zu schicken. Dann würde ich mir mal reinsehen und sagen, was die Einarbeitung und der Entwurf eines Strategiepapiers kosten.

Ich kriegte drei prall gefüllte Leitz-Ordner. Offensichtlich kein Fall für fünf Minuten. Ich kalkulierte drei Stunden und teilte das der Frau mit. Verbunden mit der Bitte, einen Kostenvorschuss zu überweisen, wenn ich für sie tätig sein soll.

Dass ich für meine Arbeit bezahlt werden möchte, führte dann zu dem denkwürdigen Satz:

„Ich bin enttäuscht von Ihnen.“

Mit dieser Enttäuschung muss ich wohl leben, wenn ich früher oder später nicht verhungern will.

Die Hoheit kommt – alles glänzt

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Wir schreiben das Jahr 2006. Kaiser und Könige sind abgeschafft. Aber es gibt noch Majestäten. Anne-José Paulsen, die Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf, gehört offenbar dazu. Sie besucht derzeit in ihrem (Be-) Reich die Untertanen. Die sind zwar keine, aber einige benehmen sich so.

Eigens aus Anlaß des Besuchs der Hoheit aus Düsseldorf wurde der Garten des Amtsgerichts Langenfeld hergerichtet. Von vier Gefangenen der Justivollzugsanstalt Bochum-Langendreher, in der der offene Vollzug gepflegt wird. „Unser Garten sah aus wie Kraut und Rüben“, beschwichtigt Amtsgerichtsdirektor Lutz Wollenhaupt, „der musste sowieso gemacht werden“.

Aber, na ja, in „gewisser Weise“ bestehe schon ein Zusammenhang. Denn er habe gedacht, wenn schon der Garten einen gepflegten Eindruck machen soll, dann, bevor der Hohe Besuch aus der Landeshauptstadt kommt.

Vorgestern ist Frau Oberlandesgerichtspräsidentin Paulsen in Düsseldorf vom dortigen Herrn Landgerichtspräsidenten Heiner Blaesing empfangen worden. Es war wohl der reine Zufall, dass der Kaffee noch in mehrfach benutztem Geschirr gereicht wurde. Denn gerade am Tag zuvor musste ein Wachtmeister neues Porzellan kaufen gehen. 50 Tassen und Untertassen zu 74,50 Euro. Behördensprecher Ulrich Thole sieht keinerlei Zusammenhang. Das Porzellan sei „für das Pensionärstreffen“ angeschafft worden. Das ist im Oktober. Zufälle gibt es. Auch noch im Jahre 2006. (pbd)

Kalt lächelnd

Für zwei wortlos über den Tresen gereichte Eisteeflaschen, ein paar Minuten zuvor am Kiosk in Kö-Nähe gekauft, gab mir eine andere Bedienung kalt lächelnd 30 Cent zurück.

Die Welt ist bei uns zu Gast, und wir verarschen sie beim Getränkepfand.

Spitzelsteuersatz

In Deutschland gibt es tatsächlich einen Spitzelsteuersatz. V-Leute der Geheimdienste zahlen gerade mal pauschal zehn Prozent Einkommenssteuer, berichtet das Handelsbatt.

Damit dürfte Spitzeltätigkeit in Deutschland zu den lukrativsten Einkommensquellen zählen. Denn schon der Eingangssteuersatz liegt bei 15 Prozent. Die Bundesregierung begründet den günstigen Tarif mit dem Hinweis, Spitzel könnten ja kaum Werbungskosten geltend machen. Sonst wäre ihre Tätigkeit nicht mehr geheim.

Anscheinend traut die Regierung dem Steuergeheimnis wenig zu, das die Finanzämter zu beachten haben.

(Link gefunden in der Handakte)

El Masris Anwalt abgehört

Die Polizei soll bis in die jüngste Zeit den von der CIA entführten Deutschen Khaled el Masri abgehört haben. Aber auch sein Anwalt soll belauscht worden sein. Focus online berichtet, das Münchner Amtsgericht habe am 11. Januar 2006 angeordnet, Festnetz und Handy des Anwalts abzuhören. Der Beschluss soll am 11. April 2006 verlängert worden sein.

Callboy-Prozess: keine Beleidigungen

Ein erster Bericht über die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht zwischen Callboy Torsten und einem Blogger. Torstens Anträge haben keinen Erfolg.

Der Blogger verpflichtet sich aber im Rahmen eines Vergleichs, Torsten künftig nicht zu beleidigen. Auch wird er seine Kommentare überprüfen, damit Torsten dort nicht beleidigt wird.

Nachtrag: Weiterer Prozessbericht auf Jurabilis und noch einer bei Josh K. Phisher

Nachtrag 2: Eine schöne Nachbetrachtung und ein zutreffender Ausblick auf Ich Blog Dich!

Zuletzt zum Thema: Nicht verklagt