„Ich bin enttäuscht von Ihnen.“
Ich beginne Telefongespräche gern mit erfreulicheren Aussagen. Aber es war eine Fast-Mandantin, die mir diesen Satz entgegenschleuderte.
Was war geschehen?
Die Dame hatte schon zum wiederholten Male angerufen. Und mir ihre Geschichte erzählt, die sich um einen Haftbefehl dreht. Der ist nach einigen Wochen außer Vollzug gesetzt worden, aber das Verfahren geht nicht voran. Ihr Verteidiger tut nichts, hat keine Ideen. Sagt sie. Ob ich helfen kann?
Gute Frage. Aber ohne Aktenkenntnis seriös nicht zu beantworten. Ich habe ihr deshalb angeboten, mir die Ermittlungsakte zu schicken. Dann würde ich mir mal reinsehen und sagen, was die Einarbeitung und der Entwurf eines Strategiepapiers kosten.
Ich kriegte drei prall gefüllte Leitz-Ordner. Offensichtlich kein Fall für fünf Minuten. Ich kalkulierte drei Stunden und teilte das der Frau mit. Verbunden mit der Bitte, einen Kostenvorschuss zu überweisen, wenn ich für sie tätig sein soll.
Dass ich für meine Arbeit bezahlt werden möchte, führte dann zu dem denkwürdigen Satz:
„Ich bin enttäuscht von Ihnen.“
Mit dieser Enttäuschung muss ich wohl leben, wenn ich früher oder später nicht verhungern will.