„ERNIEDRIGT UND BESCHMUTZT“

Verdächtig sind die Unverdächtigen. Mit seinem Urteil vom 27. April 2006 hat das Verwaltungsgericht des Saarlandes Unverständnis und Empörung ausgelöst. Corinna F. musste sich vor einem Fußballspiel nackt ausziehen. Ihr Vergehen: Sie trug einen Fanschal von Dynamo Dresden. Ich habe mit der 16-Jährigen über ihre Erlebnisse gesprochen.

law blog: Lag schon etwas in der Luft, als Sie zum Saarbrücker Stadion kamen?

Corinna F.: Nein, es war ein normales Auswärtsspiel. Eigentlich wollte mein Vater mitkommen. Er hatte aber dann keine Zeit. An Kontrollen ist man als Fan gewöhnt. Ich rechnete damit, abgetastet zu werden. Das kannte ich, und damit habe ich auch keine Probleme. Bei der Ausweiskontrolle fasste mich aber ein Polizeibeamter am Arm und führte mich vor ein Zelt. Dort sollte ich warten.

Ich fragte eine Polizistin am Zelt, was jetzt passiert. „Das werden Sie schon sehen.“ Ich habe gesehen, wie eine Frau aus dem Zelt kam. Die sah ziemlich geschockt aus. Ich habe versucht, meine Freunde übers Handy anzurufen. Die steckten jedoch gerade in einer anderen Kontrolle; ein Polizist drückte ihnen das Handy aus.

law blog: Was passierte im Zelt?

Corinna F.: Ich musste in eine Kabine eintreten. Es war die letzte von dreien. Auf dem Weg dahin konnte ich in die zwei vorderen Kabinen schauen. Da standen auch Frauen drin, teilweise entkleidet. Vor der Kabine nahm mir eine Polizistin die Tasche ab und legte sie auf einen Tisch neben der Kabine. Sie fragte, wo mein Ausweis ist. Ich sagte, dass ich ihr den Ausweis aus der Tasche hole. „Ne, das machen wir schon“, bekam ich zur Antwort. „Sie gehen bitte da rein.“ Während der Kontrolle haben sie meine Tasche durchwühlt.

In der Kabine musste ich mich ausziehen. Am Schluss verlangte die Polizistin, dass ich meinen Slip übers Knie ziehe und mich drehe.

law blog: Haben Sie nicht gegen diese Behandlung protestiert?

Corinna F.: Ich war geschockt. In dem Moment stand ich neben mir. Mit so etwas hätte ich nie und nimmer gerechnet. Ich habe nicht mal darüber nachgedacht, ob ich das jetzt noch abbrechen kann. Die Beamtin tat auch so, als sei das völlige Routine.

law blog: Wie haben Ihre Freunde reagiert?

Corinna F.: Die dachten zuerst, ich will sie auf den Arm nehmen. Die Männer wurden nämlich alle nur abgetastet. Im Stadion trafen wir dann eine andere Frau, die auch im Zelt war. Die hat die erste Halbzeit nur geheult.

law blog: Wie fühlten Sie sich?

Corinna F.: Erniedrigt und beschmutzt. Auch heute noch. Ich verstehe immer noch nicht, wieso man es nicht beim Abtasten belassen konnte. Das war eine große Demütigung. Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen mal überlegen, was sie empfinden würden, wenn ihnen so etwas passiert. Oder vielleicht ihren Kindern.

law blog: Was hätten Sie gemacht, wenn Ihnen die Beamten vorher gesagt hätten, dass Sie sich nackt ausziehen müssen?

Corinna F.: Ich hätte mich auf jeden Fall geweigert.

law blog: War den Beamtinnen eigentlich klar, dass Sie minderjährig sind?

Corinna F.: Die haben ja meinen Ausweis gesehen. Aber anscheinend spielte mein Alter keine Rolle.

law blog: Ist so etwas noch mal passiert?

Corinna F.: Ich bin seitdem nur noch abgetastet worden. Neulich in Karlsruhe war wieder ein Zelt aufgebaut. Ich habe schon beim Anblick Angst gekriegt. Aber soweit ich weiß, sind dort nur Männer kontrolliert worden.

law blog: Was sagen Sie zum Urteil des Verwaltungsgerichts?

Corinna F.: Ich hätte nie gedacht, dass die Polizei auch noch im Recht ist. Wir haben über die Sache bei anderen Spielen noch oft diskutiert, auch mit Polizeibeamten. Die staunten nur, dass so etwas zulässig sein soll. Im Prinzip kann jetzt doch jedem so etwas passieren – obwohl er nicht den geringsten Anlass gegeben hat.

law blog: Werden Sie das Urteil akzeptieren?

Corinna F.: Auf keinen Fall. Wenn die Berufung nicht zugelassen wird, überlegt mein Anwalt auch eine Verfassungsbeschwerde. Ich habe zum Glück genug Unterstützung, um das durchzuziehen.

law blog: Viel Erfolg.