EXTREM KRITISCH

Der Rechtsstreit war etwas bizarr Aber wenigstens hat meine Mandantin gewonnen. Das Amtsgericht Krefeld (4 C 28/06) hat die AXA Versicherung verurteilt, auch das Schadensgutachten zu bezahlen. Das hatte die Versicherung verweigert, weil der Nettoschadensbetrag angeblich unter der Bagatellgrenze lag.

Das Amtsgericht Krefeld stellt zunächst klar, dass es keine starre Grenze gibt:

Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht auf Seiten des Geschädigten wird in der Rechtsprechung im Bereich des Verkehrsunfallrechts aber angenommen, wenn der Geschädigte ein Sachverständigengutachten einholt, obwohl der Schaden an seinem Fahrzeug erkennbar unterhalb einer bestimmten Wertgrenze liegt und als Bagatellschaden einzuordnen ist. Der Bundesgerichtshof hat hierzu klargestellt (BGH NJW 05, 356), dass es jedenfalls nicht zu beanstanden ist, einen Schaden von € 715,81 nicht als Bagatellschaden anzusehen.

Eine Untergrenze ist damit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei einem Betrag von € 700,00 gerade nicht gezogen worden. In der Rechtsprechung und der Literatur wird im Übrigen die Bagatellgrenze teilweise mit € 700,- für die alten Bundesländer und € 500,- für die neuen Bundesländer angegeben (Palandt-Heinrichs, BGB, § 249, Rz. 40).

Dann beantwortet das Gericht die Frage, ob die Bagatellgrenze ein Brutto- oder ein Nettobetrag ist:

In den vorliegenden Entscheidungen wird häufig nicht danach differenziert, obwohl der angegebene Schadensbetrag einen Netto- oder einen Bruttobetrag darstellt. Unproblematisch gehört jedoch die angefallene Mehrwertsteuer zum ersatzfähigen Schaden. Das erkennende Gericht hält es daher nicht für sachangemessen, bei der Ersatzpflicht hinsichtlich der Sachverständigenkosten die Entscheidung davon abhängig zu machen, ob die Reparatur bereits durchgeführt wurde oder nicht, ob entsprechend Mehrwertsteuer angefallen ist oder nur die fiktiven Reparaturkosten ersetzt verlangt werden.

Hinzu kommt, dass es in dem Grenzbereich von um die € 700,- für den Laien auch nicht von vornherein absehbar ist, ob er die veranlassten Kosten ersetzt verlangen kann oder nicht. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ist hiernach nach Auffassung des erkennenden Gerichts nur gegeben, wenn auch für einen Laien absehbar die voraussichtlichen Kosten inklusive anfallender Mehrwertsteuer unterhalb von € 700,- liegen werden.

Die Versicherung hatte vehement behauptet, ein Kostenvoranschlag wäre völlig ausreichend gewiesen. Das Amtsgericht Krefeld sieht das etwas kritischer und lässt deutliche Kritik an der Regulierungspraxis der Versicherungen anklingen:

Bei der Erstattung von Sachschäden im Bereich des Verkehrsunfallrechts zeigt jedoch die Entwicklung der letzten Jahre, dass die (gegnerischen) Haftpflichtversicherungen verstärkt dazu übergegangen sind, Gutachten und Reparaturkostenrechnungen und -voranschläge extrem kritisch zu prüfen und eigene Gutachten gegenüber zu stellen. Der durch einen Unfall Geschädigte kann bei der gegenwärtigen Praxis nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass ein Kostenvoranschlag seiner Fachwerkstatt von der gegnerischen Versicherung unproblematisch reguliert wird. Gerade deshalb wird er die Feststellung der Schadenshöhe durch ein Gutachten veranlassen.