Vor einem Monat und drei Tagen ist Herr S. zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Urteilsverkündung ging schnell und schmerzlos. Die Vorsitzende Richterin begründete das Urteil nicht in freier Rede. Sie las den ca. 10-seitigen Entwurf vor.
Obgleich das Urteil also schon bei der Verkündung fertig war, ist es mir nach einem Monat und drei Tagen immer noch nicht zugestellt. Ja klar, kann man sagen. Das Gericht hat sechs Tage verhandelt. Da hat es sieben Wochen Zeit, um das Urteil zu schreiben und zur Akte zu geben (§ 275 Abs. 1 Strafprozessordnung).
Darf ein Urteilsentwurf aber einfach wochenlang zurückgehalten bzw. nicht fertig gestellt werden? Für mich ist diese Frage schon wichtig. Denn ohne Urteil kann ich die Revision nicht begründen. Und damit zügig die durchaus vorhandenen Chancen meines Mandanten nutzen, einen Freispruch oder zumindest eine mildere Strafe zu erhalten.
Herr S. schmort also, obwohl das Urteil definitiv schon geschrieben war. Es hätte innerhalb kürzester Zeit in eine Endfassung gebracht und zugestellt werden können. Zeit, die Herrn S. im Falle eines Freispruchs keiner wieder gibt.
Das Bundesverfassungsgericht hat erst neulich in einem Beschluss klargestellt, dass in Haftsachen nicht alle gesetzlichen Fristen bis zur Neige ausgeschöpft werden dürfen. Vielmehr gilt auch dort das Beschleunigungsgebot. Problem ist halt, dass es sicher nicht reichen wird, dem Gericht laxen Umgang mit den Fristen zu unterstellen. Oder gar bösen Willen. Ich müsste auch den Nachweis führen.
Derzeit habe ich keine Ahnung, wie mir das gelingen könnte.