In diesem Beitrag habe ich versucht zu begründen, warum der Satz „Ich steche dir die Augen aus“ nicht den Straftatbestand der Bedrohung erfüllt. Zumindest nicht, wenn er im Rahmen einer laufenden Attacke mit einem spitzen Stock geäußert wird, die – möglicherweise – genau auf dieses Ziel gerichtet ist. Damals gab es 34 Kommentare. Ich möchte deshalb die Fortsetzung nicht versäumen: Auch das Landgericht Düsseldorf teilt meine Meinung nicht. Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts, das meinen Mandanten immerhin teilweise freigesprochen hatte, wies die Strafkammer heute zurück.
Auch die Berufungsrichter sind der Meinung, dass das Abbrechen eines Stocks und die Verfolgung des Opfers noch keine „Ausführungshandlung“ darstellt. Damit habe der Versuch noch nicht begonnen; die mögliche Körperverletzung sperre also keinesfalls die Verwirklichung des Bedrohungstatbestandes.
Es ist schon erstaunlich, wie großzügig Richter den Versuchsbeginn hinausschieben, wenn es ins Konzept passt. Jemand, der mit einem erhobenen Stock hinter einem Flüchtenden herrennt, soll noch nicht die die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten haben? Es wäre wirklich nett, wenn das in anderen Fällen auch so großzügig gesehen würde.
Immerhin konzedierte der Vorsitzende, dass mein Mandant, der die Verfolgung ohne äußeren Druck abbrach, vom Versuch der schweren bzw. gefährlichen Körperverletzung zurückgetreten wäre. Und zwar straflos.
Allerdings meint das Gericht, genau deswegen sei der Bedrohungstatbestand sowieso in keiner Weise tangiert. Die Strafbarkeit wegen Körperverletzung sei durch den Rücktritt eben entfallen, deshalb sei die Bedrohung durch nichts geblockt.
Auch wenn die Argumentation besser klingt als die des Amtsgerichts, ist sie nicht richtig. Eine Bedrohung ist etwas, das in der Zukunft liegt. Der Bundesgerichtshof formuliert es so (NStZ 1984, 454):
Eine Drohung kann nur als Inaussichtstellung, als Hinweis auf etwas Zukünftiges begriffen werden. In der Verwirklichung eines Geschehens kann aber nicht zugleich seine Inaussichtstellung liegen.
Keine Frage, der Satz „Ich steche dir die Augen aus“ kommt zu der Verfolgung mit dem spitzen Stock hinzu. Aber die Ankündigung bezieht sich eben nicht auf ein künftiges Übel, sondern auf ein gegenwärtiges. Das Übel wird gerade verwirklicht. Selbst wenn noch kein Versuch vorläge, handelt es sich um ein geschlossenes Geschehen. Es ist jedenfalls ganz, ganz dicht am Versuch dran. Darf man die Ereignisse dann tatsächlich so aufspalten, dass es genau zum Nachteil des Angeklagten ausgeht? Und wenn ja, worin liegt denn eigentlich das eigenständige Unrecht der angeblichen Bedrohung?
Die vorläufig letzte Antwort steht noch aus. Jetzt hat das Oberlandesgericht das Wort.