Eine Verständigung im eigentlichen Sinne war es nicht. Der Staatsanwalt widersetzte sich nämlich meiner Rechtsauffassung, dass wir es nur mit einfacher Körperverletzung zu tun haben. Der Strafverfolger beharrte auf der gefährlichen Körperverletzung, die er auch angeklagt hatte.
Mein Mandant hatte allerdings nur einige Fausthiebe verteilt. Der Schlag mit einer Flasche, der das Opfer zu Boden streckte, kam von einem Dritten. Und zwar auf eine Art und Weise, die es für mich zweifelhaft machte, ob man meinem Mandanten diese, zugegeben, brutale Attacke juristisch zurechnen und ihn so zum Mittäter machen konnte.
Von der Straferwartung war das kein Pappenstiel. Der Mann mit der Flasche hat für seine Tat schon ein Jahr und drei Monate Gefängnis erhalten. Ohne Bewährung. Mein Mandant konnte sich also ausmalen, wo die Reise für ihn hingeht, wenn er für den Schlag mit der Flasche ebenfalls in die Haftung genommen wird.
Aber ausnahmsweise waren mal Verteidiger und Strafrichter einer Meinung.
„Zurechnung geht nicht“, signalisierte der Vorsitzende. Und weil ich schon bei zwei anderen Gelegenheiten im Laufe dieses langen Tages vorgefühlt hatte, ob man sich nicht verständigen kann, signalisierte er, was er für die einfache Körperverletzung maximal verhängen würde. Acht Monate. Aber immerhin, und das war schon mal am allerwichtigsten, auf Bewährung.
Wider Erwarten war es mein Mandant, der sich mit dem Ergebnis anfreunden konnte. Ich hielt acht Monate Gefängnis für indiskutabel. Für zwei Faustschläge gibt es sonst einen Strafbefehl. Leute, die wie mein Auftraggeber einschlägig noch nicht aufgefallen sind, kommen fast immer mit einer Geldstrafe davon.
Als das Gericht dann auf Nachfrage (aus Schaden wird man klug) auch noch eine ziemlich hohe Geldzahlung als Bewährungsauflage verlangte, riet ich meinem Mandanten draußen auf dem Gerichtsflur dringend ab. Aus guten Gründen, meine ich.
Bei der Rückkehr in den Gerichtssaal appellierte der Richter noch einmal inbrünstig an meinen Mandanten. Er solle sich doch nicht so stur stellen und auf seinen Verteidiger hören. „Der Herr Vetter hat das studiert, seiner Empfehlung sollten Sie folgen.“
Ich habe dann ohne mit der Wimpfer zu zu zucken erklärt, dass mein Mandant für den Fall, dass die genannte Strafe nicht überschritten wird, in dieser Instanz keine weiteren Beweisanträge stellt. Aber nicht, weil ich ihm dazu geraten hatte, sondern weil er sich unbedingt die Bewährung sichern wollte.
Mein Rat sah ganz anders aus. Aber in den Augen des Richters bin ich jetzt wahrscheinlich der Held, der seinen renitenten Mandanten notfalls zum Deal prügelt.
Wirklich glücklich ist letztlich, dass sich die Staatsanwaltschaft nicht mit ins Boot nehmen ließ. Ich verzichte natürlich unter keinen Umständen auf Rechtsmittel, wenn nicht auch die Gegenseite so eine Erklärung abgibt. Da der Staatsanwalt das Ergebnis aber insgesamt nicht mittrug, stand überhaupt nicht zur Debatte, auf die nächste Instanz zu verzichten.
So dass es demnächst heißen wird: neues Spiel, neues Glück.