Zum ersten Mal (am Rande) erlebt, wie schnell Behörden jetzt Bankverbindungen erschnüffeln können. Es funktioniert. Beängstigend gut.
Archiv für das Jahr: 2005
WIDERSPRÜCHLICH
Einen Schuldner musste ich erst mahnen, bevor er endlich seine Verbindlichkeit beglich. Die Kosten für das Mahnschreiben („Einleitung der Zwangsvollstreckung“) habe ich in Rechnung gestellt.
Jetzt schreibt er mir lang und breit, dass ich – Kurzfassung – einen an der Klatsche hätte. Denn seine Zahlung sei natürlich rechtzeitig erfolgt. „Deswegen betrachte ich Ihre Rechnung als gegenstandslos.“
Nun brüte ich schon Minuten dumpf über dem Kontenblatt und versuche, sein Schreiben mit den Zahlen in Einklang zu bringen. Aber auch meine Sekretärin kommt zu dem Ergebnis, dass die Rechnung mit bezahlt worden ist.
AUF VERLORENEM POSTEN
Ist es verwerflich, wenn ein Beschuldigter Berufung einlegt und zumindest gegen die Höhe seiner Strafe kämpft? Auch wenn es – zugegeben – aus juristischen Gründen nur um ein paar Monate gehen kann. Und überdies – das sei ebenfalls eingeräumt – die Chancen auch nicht prächtig sind, dass sich das Gericht überzeugen lässt.
Dass ein zulässiges Rechtsmittel aber bei einem Staatsanwalt nackte Verärgerung auslöst, er von „Uneinsichtigkeit“ schwadroniert und gleich damit droht, irgendwelche bösen Sachen zur Bewährung in die Urteilsgründe schreiben zu lassen – das habe ich bislang selten erlebt.
„Wissen Sie was“, polterte der Beamte im Gerichtssaal, „eigentlich hätten wir in Berufung gehen müssen.“ Hat die Staatsanwaltschaft aber nicht. Das ist wahrscheinlich der eigentliche Grund, warum er ob des Ansinnens, die Strafe zu mildern, an die Decke gegangen ist. Wenn nämlich nur der Angeklagte Rechtsmittel einlegt, kann die Strafe nicht zu seinem Nachteil abgeändert werden (§ 331 Strafprozessordnung).
Mein Mandant hat also nichts zu verlieren, und spätestens an diesem Punkt lohnt es sich nach meiner Meinung in jedem Fall, auch mal auf mehr oder weniger verlorenem Posten zu kämpfen. Immerhin geht es nicht um € 3,50, sondern um die persönliche Freiheit.
Stichwort verlorener Posten. Eine kleine Überraschung habe ich natürlich auch für den nächsten Termin in petto.
LIGHTVERSION
Hans Olaf Henkel hat heute Morgen auf WDR 5 gesagt, wohin sich dieses Land dank Müntefering & Co. seiner Meinung nach derzeit bewegt: DDR light.
Ich gebe das nur mal so wieder.
DIE EU SCHLÄFT
Kaum zu glauben, aber in der EU gibt es noch immer unterschiedlichste Loch-Standards. Vor allem die Schweden tanzen aus der Reihe und sorgen für ästhetische Komplikationen. Wie man auf Verwaltet nachlesen und betrachten kann, versaut dieses skandalöse Regelungsdefizit die schönste Ablage.
EI-OUH-JUH
Wissen Sie, was ein IOU ist?
War mir doch tatsächlich bekannt.
Dem Frager war es nicht so recht. Er ahnte wohl, dass damit seine Chancen sanken, mir so etwas als „Bezahlung“ andrehen zu können.
GUT GLÜCK
Eine Mobilfunkfirma beantragt jeden Tag Mahnbescheide – manche auf gut Glück. Über „Zwangsvollstreckung auf Verdacht“ berichtet die Süddeutsche Zeitung.
(Danke an R. für den Hinweis)
BINDUNG FÜR MIETER
Wohnungsmieter können durch Kündigungsverzicht bis zu vier Jahren an den Vertrag gebunden werden. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden, berichtet das Handelsblatt.
Mit der Entscheidung dürfte sich ein wichtiges Ziel der Mietrechtsreform ins Gegenteil verkehren. Der Gesetzgeber hatte die gesetzliche Kündigungsfrist für Mieter extra auf drei Monate festgeschrieben. Nur die Fristen für Vermieter verlängern sich je nach Mietdauer.
Wenn davon vertraglich wieder abgewichen werden kann, wird es mit der vielgepriesenen Flexibilität auf Mieterseite kaum etwas werden.
ANWALT ODER TÄTER
Die Berliner Zeitung berichtet über die Anklage gegen einen Anwalt, der eine „kriminelle Vereinigung“ unterstützt haben soll. Er soll unter anderem verurteilte Täter aufgesucht und ihnen Schweigegeld sowie juristische Vertretung angeboten haben. Das grundlegende Problem wird auch gleich erwähnt:
Neben der Einflussnahme auf Zeugen legt die Staatsanwaltschaft dem Anwalt auch zur Last, die Gruppe um K. bei Grundstücksgeschäften unterstützt zu haben, um deren kriminelle Interessen durchzusetzen. Allerdings dürfte es den Anklägern in diesen Fällen schwer fallen, U.s juristische Aktivitäten als Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, da es sich zumindest der Form nach um normale Rechtsvorgänge handelt.
Eine Lösung leider nicht.
SOG. PROFIS
Mein wichtigster Eindruck vom Fischer-Marathon ist, dass wir nicht besonders professionell regiert werden. Wobei die Leute auf der anderen Seite allerdings auch keinen wesentlich besseren Eindruck machen.
Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)
GELDTRANSFER
Wenn ausländische ebay-Verkäufer um Zahlung per Western Union bitten, kann man einem Mandanten wohl kaum grünes Licht geben. Auch wenn es so ein schönes Schnäppchen gewesen wäre.
METHODE
Vertraulich: Kooperationsanfrage für den Bereich Klagewellen
Sehr geehrter Herr Vetter,
wir sind seit 10 Jahren spezialisiert auf die Abbildung von komplexem, regelbasiertem Wissen und dessen handlungsorientierte Einbindung in juristische Projekte. Wir definieren und visualisieren Regeln, Abläufe und Gesetze u.a. für Organisationen wie die Bundesregierung, das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium der Justiz, den DIN und die DATEV.
In der jüngeren Vergangenheit hat sich in Zusammenarbeit mit Partnern wie der Allianz Prozessfinanz GmbH herausgestellt, dass unsere Methode das Geschäft mit Massenklagen in Deutschland in der Durchführung effizienter und in der strategischen Planung akzentuierter gestaltet.
Wir möchten uns auch in Zukunft auf unsere Methodenkompetenz konzentrieren und in diesem Bereich mit einer Kanzlei kooperieren. Gerne würde ich mit Ihnen ein erstes Telefonat über dieses Thema führen. Meine Kollegin Frau Saller wird Sie in Kürze kontaktieren, um zwischen Ihnen und mir einen Telefontermin zu vereinbaren. Ich freue mich auf das Gespräch mit Ihnen und verbleibe bis dahin
mit freundlichen Grüßen
Oliver Seyboldt
Geschäftsführer
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Zentrale: +49 30 726169 090
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mailto: oliver.seyboldt@knowledgeTools.de http://www.knowledgeTools.de
Lieber Herr Seyboldt,
es ist mir ziemlich egal, mit welch wichtigen Firmen und Institutionen Sie zusammenarbeiten. Fakt ist, dass Ihre Firma rechtswidrig Spam versendet. Nicht nur das, Sie kündigen sogar einen weiteren Rechtsverstoß an: unverlangte Werbeanrufe.
Damit eines klar ist: Kommt der Anruf, folgt die Abmahnung.
Mit freundlichen Grüßen
Udo Vetter, RA und Fachanwalt für Strafrecht
RUBRIZIERT
So einen Briefanfang kriegen nur Juristen hin:
Sehr geehrter Herr Kollege Vetter,
in der rubrizierten Angelegenheit nehmen wir Bezug auf Ihre Telefax-Nachricht vom 22. April 2005.
FERNSEHSTUNDE(N)
Ich bin gespannt, ob der Live-Stream von Phönix oder n-tv hält, wenn der Außenminister aussagt. Sonst muss ich mir womöglich ein paar Akten einpacken, wieder nach Hause fahren und dort gucken. Schon seltsam, dass im Gegensatz zu früher niemand einen portablen Fernseher greifbar hat. Aber wegen des digitalen Antennensignals würde der wahrscheinlich sowieso nicht funktionieren.
Ist die Vernehmung auch in einem Onlineradio zu hören?
PRALL
Zehn prallvolle Ordner Hauptakte, dazu noch fünf weitere mit Dokumenten. Kann man das in zehn Werktagen durcharbeiten? Eine vernünftige Verteidigungsstrategie ausarbeiten? Eigene Ermittlungen anstellen?
Geht. Vielleicht. Aber nur, wenn man ansonsten nichts zu tun hat. Das ist aber nicht der Fall. Deshalb muss ich beantragen, das Verfahren zunächst auszusetzen. Falls das Gericht dem nicht stattgibt, geht es zumindest ein erhebliches Risiko ein. Denn zu wenig Vorbereitungszeit kann als unzulässige Beschränkung der Verteidigung gewertet werden; ein absoluter Revisionsgrund (§ 338 Ziff. 8 Strafprozessordnung).