Der ehemalige Chef der Steuerfahndung im Saarland ist wegen Steuerhinterziehung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden. Er hatte im großen Stil Zigaretten geschmuggelt.
Archiv für den Monat: November 2005
KEIN QUELLCODE – FREISPRUCH
In den USA weigert sich ein Hersteller von Atemalkoholmessgeräten, den Quellcode für die Software seiner Geräte herauszugeben. Dies hatten Anwälte verlangt – und vor Gericht Recht erhalten. Den gerichtlichen Verfügungen will die Firma allerdings trotzen. Die 150 Betroffenen können jetzt auf Freisprüche hoffen, berichtet GROKLAW.
Das könnte auch bei uns ein Thema sein. Zwar werden neue Geräte zentral überprüft und zugelassen. Die Richtigkeit der einzelnen Messung wird aber von einem Sachverständigen überprüft, sofern der vermeintliche Temposünder nachvollziehbare Bedenken hat. Man wird dann wahrscheinlich den Sachverständigen überzeugen müssen, dass er sich unbedingt näher mit dem Innenleben des Geräts beschäftigen muss.
Ähnliches Thema: Lasermessungen jetzt aus ein Kilometer Entfernung.
STREIT UMS KIND
Wie bekomme ich mein Sorgerecht zurück? Eine erste Antwort.
UNTERSUCHUNG NUR MIT KARTE
Ein Arzt muss Patienten nicht behandeln, wenn diese die Versichertenkarte nicht vorlegen. In Frankfurt wurde ein Mediziner vom Vorwurf des Berufsvergehens freigesprochen. Er hatte sich geweigert, eine Frau zu untersuchen. Auf die Zusage, dass die Versichertenkarte nachgereicht wird, ließ er sich nicht ein (Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Frankfurt).
EINE PIN FÜR ALLE
Die Eingangskontrollen bei Gericht sind streng. Ein gutes Beispiel: das Gericht, an dem ich heute Morgen einen Termin hatte. Eine Mutter musste vor uns sogar ihren Kinderwagen durch den Metalldetektor schieben. Das Handy meines Mandanten wurde gegen Quittung einkassiert.
Jenes Gericht ist nicht nur renommiert. Es wurde auch gerade renoviert. Die Kantine im unteren Stockwerk ist „öffentlich“ und durch einen Seiteneingang zu betreten, der auf der Rückseite des Gebäudes liegt. Ohne Kontrolle. Das geht auch nicht anders. Denn dort werden auch die Mitarbeiter umliegender Behörden verpflegt.
Mitarbeiter des Gerichts und Besucher wollen sich allerdings auch stärken. Deshalb ist der Kantineneingang innerhalb des Gerichtsgebäudes durch eine Doppelschleuse gesichert. Richter und Angestellte haben Mikrochips erhalten. Damit winken sie vor einem Display, dann geht die Schleuse auf.
Auch für die Besucher, die schon die Eingangskontrolle des Gerichts hinter sich haben, hat man eine Lösung gefunden. Neben dem Display steht auf einem Zettel eine handschriftliche PIN. Diese PIN gibt der Besucher ein, die Schleuse zur Kantine öffnet sich.
Der Besucher muss sich die PIN des Tages merken. Sie gilt zwar für alle Gäste, aber auf dem umgekehrten Weg durch die Schleuse ist sie nicht angeschlagen. Wer die PIN allerdings im Kopf behält, kann sie auf der anderen Seite der Schleuse wieder eingeben. Die Schleuse geht auf, der „Rückweg“ ins Gericht ist frei. Ohne Kontrollen.
Als ich mir ansah, wie die Justizwachtmeisterin am Haupteingang im Kinderwagen nach Waffen, Säure und Bomben kramte, tat mir die Frau fast ein wenig Leid. So viel Einsatz. Und alles sinnlos, weil die Architekten des Sicherheitssystems potentielle Gewalttäter offensichtlich für unterbelichtet halten.
Wenn sie sich da mal nicht irren.
IN NICHT VERJÄHRTER ZEIT
Der Berliner Generalstaatsanwalt Karge soll auf einer Podiumsdiskussion gesagt haben, er lasse sich bei der Kindererziehung einen Klaps nicht verbieten. Das berichten die Berliner Zeitung und der Tagesspiegel.
Das wäre wirklich eine bemerkenswerte Äußerung für einen Beamten – insbesondere für einen Chefankläger. Immerhin genießen alle Kinder in Deutschland einen Anspruch auf gewaltfreie Erziehung. Das ergibt sich nicht nur aus dem Grundgesetz. Auch in den Länderverfassungen (z.B. Artikel 6 in Nordrhein-Westfalen), im Bürgerlichen Gesetzbuch und etlichen anderen Vorschriften, zum Beispiel in den Gesetzen zur Jugendhilfe, ist das Gewaltverbot seit geraumer Zeit verankert.
Eigentlich müsste jetzt – durchaus im öffentlichen Interesse – ermittelt werden, ob und in welchem Umfang Herr Karge in nicht verjährter Zeit von seinem vermeintlichen Recht Gebrauch gemacht hat. Einen Anfangsverdacht wird man kaum verneinen können.
SCHNELLER IN DIE KARTEI
Für Beschuldigte und Verurteilte ist der Weg in die DNA-Kartei kürzer geworden. Bisher war in der Regel eine richterliche Anordnung erforderlich. Diese wird jetzt nicht mehr gebraucht, wenn der Betreffende schriftlich einwilligt. Er muss vorher darüber belehrt werden, wofür die Daten verwendet werden.
Die Unterschrift muss aus freien Stücken erfolgen. Sie darf nicht mit irgendwelchen (leeren) Versprechungen erkauft werden. Ob und wie man sich künftig daran halten wird, darf mit Spannung erwartet werden. Wenn man die Sorgfalt erlebt, mit der Beschuldigte mitunter über ihre Schweigerechte belehrt werden, sollte man sich allerdings keine zu großen Hoffnungen machen, dass jede Einwilligung auch eine solche ist.
Die Aufnahme in die DNA-Kartei wird insgesamt erleichtert. Künftig reicht es auch aus, wenn jemand mehrere leichte Straftaten begangen hat bzw. dieser verdächtig ist. Eine Serie wird also der sonst erforderlichen schweren Straftat gleichgestellt. Konkret bedeutet dies, dass sich die Sammelfreude künftig auch auf Schwarzfahrer, Ladendiebe und Sprayer erstrecken wird.
ANWALTSGEHEIMNIS
Manche Anwälte haben Nerven. Oder keine Ahnung.
Ein Kollege verlangt zum Beispiel von mir, dass ich ihm die Privatadresse eines früheren Mandanten gebe. Auf über zwei Seiten erklärt er mir, warum seine Auftraggeberin, eine Firma, ein „berechtigtes Interesse“ daran habe, die Adresse zu erfahren.
Ich sei angeblich zur Herausgabe der Adresse verpflichtet, weil der frühere Mandant meinen Namen auf seiner Internetseite erwähnt.
Schön und gut. Ich habe dem Kollegen allerdings schon telefonisch gesagt, dass ich mit meinem früheren Mandanten gesprochen habe. Früheren deshalb, weil ich in der aktuellen Sache eben noch kein Mandat habe. Und dass dieser frühere Mandant es untersagt hat, Daten über ihn an den Anwalt zu übermitteln. Das habe ich dem Juristen auch noch per Mail bestätigt.
Trotzdem werde ich nun unter Fristsetzung noch einmal aufgefordert, die Adresse herauszugeben. Oder meine Weigerung schriftlich („nicht per E-Mail“) zu begründen.
Dazu sage ich nur a) Anwaltsgeheimnis und b) ich verstoße nie gegen Weisungen meiner Mandanten. Der Kollege hat diese Info selbstverständlich auch noch einmal erhalten.
Per Mail.
VERSTOSSEN WÄRE NETT
Frau Z. hat sich von ihrem Mann scheiden lassen. Beide kommen aus einem Land im Nahen Osten, leben aber schon lange in Deutschland. Das Scheidungsurteil eines deutschen Amtsgerichts ist rechtskräftig. Seit Jahren. Jetzt möchte Frau Z. wieder heiraten.
Das geht laut Auskunft des Standesamtes aber nicht. Die deutsche Scheidung reiche nicht. Die Ehe bestehe nach islamischem Recht, der Scharia, fort, so lange der Ehemann nicht sein Einverständnis gegeben bzw. die Ehefrau verstoßen habe. Und zwar gegenüber einem Imam. Ohne entsprechende Bescheinigung dürfe Frau Z. nicht neu heiraten.
Die Wikipedia weiß dazu:
Scheidung ist für den Mann durch Verstoßung leicht möglich, für die Frau jedoch kaum. … Die Frau ist dem Mann in allen Bereichen untergeordnet, kann allerdings mit ihrem eigenen Geld wirtschaftlich selbstständig handeln. Nur Männer sind zum Unterhalt verpflichtet, der allerdings nicht eingeklagt werden kann. Eine maßvolle körperliche Züchtigung der Frauen durch ihre Ehemänner ist durch die Scharia gedeckt.
Der frühere Ehemann weigert sich beharrlich, eine Erklärung abzugeben oder seine frühere Frau zu verstoßen. Wie es derzeit aussieht, kann die Zustimmung nach islamischen Recht auch nicht ersetzt werden.
Mir fällt für die anstehende Diskussion mit dem Standesamt auch nur ein, dass man wohl mal an den ordre public denken muss. Es kann doch nicht sein, dass die Willkür des Ehemannes – davon kann man nach neunjähriger Trennung ja wohl sprechen – so brutal über das weitere Leben der Frau bestimmt.
WEITERE VERFOLGUNG
Jemand ärgert sich über einen Kommentar. Er mailt:
„Wir bitten um Übermittlung der Userdaten zur weiteren Verfolgung der Angelegenheit. Besten Dank.“
Ich antworte:
„Meinen Sie das wirklich ernst?“
Er schreibt:
„Nein, das war ein Test. Ich werde natürlich unsere Anwälte bitten, die nötigen rechtlichen Schritte gegen Unbekannt einzuleiten und bei der Staatsanwaltschaft beantragen zu lassen, Sie zur Speicherung und Herausgabe der entsprechenden Daten aufzufordern.“
Hurra, ich habe bestanden.
PROLLFLÜSTERER
Gerade noch jemanden zur Polizei gebracht, der mit Haftbefehl gesucht wird. Sicher keine schlechte Idee, sich zu stellen. Zumindest in seiner Situation.
Ich kopiere in solchen Fällen den Haftbefehl, damit der Beamte nicht erst alle Daten abfragen muss. Und am Ende möglicherweise doch nur bruchstückhafte Informationen aus dem Computer erhält.
Am Eingang warteten zwei Jünglinge, die wahrscheinlich ihr Handy als verloren melden wollten. Die hatten überhaupt kein Verständnis dafür, dass der Polizist uns an ihnen vorbei durch den Warteraum winkte, als er über die Sprechanlage erfahren hatte, um was es geht.
„Wir waren aber zuerst dran“, nölten die beiden und bauten sich am Tresen auf.
Ich habe selten Verständnis für polizeiliche Gewalt. Aber die Jungs wollten selbst auf den freundlichen Hinweis, dass unsere Sache eiliger ist und sie deshalb noch etwas Geduld haben müssen, kaum freiwillig das Feld räumen. Sie posaunten so arrogant rum, dass ich diesmal garantiert nicht gepetzt hätte, wenn ein Gummiknüppel ins Spiel gekommen wäre.
Der Beamte erwies sich allerdings als begnadeter Prollflüsterer. Ein, zwei zielgruppengerechte Sätze ließen die renitenten Burschen erbleichen. Sie traten schnellstmöglich den Rückzug an.
Dass dann doch erst einmal der Computer befragt werden musste, machte mich nicht stutzig. Eher ungewohnt war allerdings, dass der Polizist uns zehn Minuten allein im Wachraum stehen ließ, während er die Daten checkte. Ich kenne das nur so, dass man vorher doch in einen gesonderten Raum gebeten wird, den dann ein Kollege im Auge behält.
Hätte ja durchaus sein können, dass der Betroffene es sich in der Zwischenzeit anders überlegt, durch die offene Tür aus der Wache geht und in die nächste Straßenbahn steigt. Beim nächsten Mal hätte er dann aber alleine gehen müssen. Ich hatte nämlich heute Abend eigentlich was anderes vor.
DROHGEBÄRDEN
Ein juristisches Internetangebot, das derzeit nur aus der fragwürdigen Ankündigung einer Prangerfunktion besteht. Ach ja, und einer unverhohlenen Drohung gegen den law blog wegen angeblich beleidigender Kommentare. Seltsamerweise steht in der Einleitung der an sich freundlichen E-Mail, die mir Herr Dr. Neuling geschickt hat, etwas völlig anderes als im bisher einzigen Eintrag auf der Seite (Hervorhebung von mir):
… ich weiß, dass Sie nicht für alle Einträge in Ihrem LAWBLOG verantwortlich sind. Ich möchte Sie aber dennoch bitten …
Auf der Seite lese ich derzeit im Starteintrag:
Der Betreiber von lawblog.de scheint nicht zu wissen, dass er allein verantwortlich ist, für das, was dort über uns verbreitet wird, und vor allen Dingen in welcher Form dies geschieht.
Ja, was denn nun? Ein Blick ins Teledienstegesetz könnte da durchaus hilfreich sein.
Ich habe einige wenige, in der Tat fragwürdige Passagen aus den Kommentaren editiert, die Herr Dr. Neuling konkret beanstandet hat. Allerdings wird die – auch zu Recht zugespitzte – Diskussion um das angekündigte Angebot der Seite von mir nicht unterbunden. Wer sich mit so was öffentlich macht, wird auch die Kritik ertragen müssen.
Ich bitte allerdings – wie auch grundsätzlich – um die gebührende Sachlichkeit, da ich mich nebenbei auch noch um meine zwei Mandanten kümmern muss.
MERKMALE
In nigerianischen Geburtsurkunden finden sich auch biometrische Merkmale des Neugeborenen. Das sieht dann so aus.
SPAM STÖRT NICHT
Wie viel Spam begründet einen Unterlassungsanspruch?
Das Amtsgericht Dresden findet mit seiner 10-Sekunden-Argumentation Anhänger unter Leuten, bei denen keine unmittelbare Verknüpfung zwischen Arbeitszeit und Einkommen besteht.
Ein Richter am Amtsgericht Mettmann schließt sich jedenfalls ausdrücklich der Meinung an, dass unverlangte Werbemails superschnell erkannt und aussortiert werden können. Was sind schon 10 Sekunden, heißt es sinngemäß in einer Entscheidung vom 21. Oktober 2005 (PDF)?
Auf die Fragen, ob sich so „erstmals und einmalig“ zugesandte Werbemails nicht schlagartig potenzieren werden und wie hoch der gesamtwirtschaftliche Schaden wohl ist, wenn jeder am Tag nur zwei dieser Mails erhält, die womöglich durch den Spamfilter rutschen, geht der Amtsrichter leider nicht ein. Wahrscheinlich kamen sie ihm gar nicht in den Sinn.
Bemerkenswert ist auch der Hinweis, dass der klagende Rechtsanwalt Werbeanzeigen schaltet. Naturgemäß müsse er dadurch mit „Anfragen“ rechnen. Mit dieser Begründung könnte man auch Schwarzfahrer freisprechen, weil es kaum Kontrollen gibt. Oder einen Mann entschuldigen, der einer aufreizend gekleideten Frau zu nahe tritt.
(Vielen Dank an den Bonner Kollegen Boris Höller für das Urteil)
AM ENDE ZAHLEN WIR
Einstellung gegen Zahlung von ein paar hundert Euro? Das Angebot klingt oft verlockend. Leider machen es Staatsanwälte und Gerichte auch gerne, wenn dem Beschuldigten sowieso nichts nachzuweisen ist.
Derartige Verfahren blockieren nicht nur die Ressource Justiz; am Ende blutet auch der Steuerzahler. Ein exemplarischer Bericht von Rechtsanwalt Jürgen Melchior.