OHNE ZWEIFEL

Es ist riskant, mit Fotos in der Polizeikartei vertreten zu sein. Schon allein das kann zu einer Anklage führen – wenn einen die Opfer einer Straftat wieder erkennen. Oder dies zumindest meinen. Gerade Jugendlich geraten immer wieder in die Mühlen des Strafprozesses, bloß weil jemand auf ihr Foto in einer Lichtbildmappe tippt.

Heute Morgen wieder so ein Fall. Zwei Jugendliche sind in der Düsseldorfer Altstadt beraubt worden. Die Polizei protokolliert nur vage Angaben. Dass die Täter Ausländer sind, vermutlich Türken; dass der Wortführer „fett“ und ein anderer „athletisch“ wirkte. Auf der Wache werden den Opfern aber keine Fotos gezeigt. Grund: Die Opfer seien nicht sicher, ob sie jemanden erkennen würden.

Schon diese Erwägung ist absurd.

Das Gedächtnis wird mit der Zeit nicht besser. Dennoch folgte die Polizei dieser Logik. Nach elf Tagen wurden den Zeugen dann Fotos gezeigt. Wieder einmal versäumte es der Beamte, vorher eine möglichst genaue Beschreibung aufzunehmen. Stattdessen durften die Jungs munter in Mappen blättern, wo sie dann schließlich auf eine Person stießen, die sie für einen der Täter hielten.

Mit keinem Wort wird erwähnt, wie viele Bilder den Zeugen gezeigt wurden. Ebenso wenig, ob die Vergleichspersonen wenigstens ansatzweise auf die ursprüngliche Beschreibung passten. Die einzige Angabe ist, die Zeugen hätten meinen Mandanten „ohne jeden Zweifel“ erkannt und seien bereit, dies auch vor einem Richter zu bestätigen.

Mir blieb nur, vor Beginn der Beweisaufnahme auf diese Fehler hinzuweisen. Glücklicherweise sind mittlerweile auch viele Richter dafür sensibilisiert, dass Fotovergleiche wirklich nur dann Gewicht haben, wenn sie auch korrekt durchgeführt worden sind. Es gibt etliche Urteile des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte, in denen regelrechte Fahrpläne für einen Fotovergleich aufgestellt werden.

Das Schöffengericht konzedierte jedenfalls schon in diesem Stadium, dass die Lichtbildvorlage nicht „lege artis“ war.

Mit entsprechend kritischem Blickwinkel war die Vernehmung der Zeugen dann fast nur noch Formsache. Jedenfalls ab dem Zeitpunkt, als der erste Zeuge zwar angab, den Täter damals auf dem Foto erkannt zu haben, jetzt im Verhandlungssaal aber nicht sicher war, ob es der Angeklagte ist, den er damals erkannt hat. (Da war es mal günstig, dass der Angeklagte noch immer exakt aussah wie auf dem Foto.)

Der andere Zeuge sagte aus, er habe den Angeklagten damals zu 90 % erkannt. Wieso die Polizei aber 100 % Sicherheit protokolliert hatte, konnte er auch nicht erklären. Allerdings kam es darauf nicht mehr an. Denn der zweite Zeuge meinte, angesichts des Angeklagten sei er aber heute zu 95 % sicher. Klar, weil er gar nicht den damalige Räuber erkannte, sondern in erster Linie die Person, die er auf dem Foto gesehen hat. Ein altes Problem, das mitunter aber schlicht und einfach nicht zur Kenntnis genommen wird.

Am Ende hieß es: im Zweifel für den Angeklagten. Freispruch. Zur „schlampigen Arbeit“ der Polizei fand der Richter übrigens ein paar passende Worte. Aber auch diese bleiben wahrscheinlich ungehört, wie so viele zuvor.