Um 21 Uhr ruft mich Frau G. an. Sie ist gerade auf einer belebten Düsseldorfer Straße von der Polizei aus ihrem Auto geholt worden – wegen Suizidgefahr. Wie sich herausstellt, hat ihre Mutter telefonisch bei der Polizei behauptet, Frau G. wolle sich das Leben nehmen. Darauf nahm die Polizei den Wagen kurzerhand in die Fahndung.
Jetzt sitzt Frau G. auf der Wache. In Handschellen. Die Beamten wollen Frau G. einweisen lassen. Da sie das nicht entscheiden können, bitte ich Frau G., mich später aus dem Landeskrankenhaus noch einmal anzurufen, wenn sie mit dem Arzt und dem Beamten des Ordnungsamtes spricht.
Das tut Frau G. Kurz vor Mitternacht. Der im Zimmer anwesende Arzt weigert sich, mit mir zu sprechen. Nicht einmal auf den Hinweis, dass ich Frau G. kenne und ihm vielleicht wichtige Informationen zu ihr und ihrem familären Umfeld geben kann.
Der Herr vom Ordnungsamt will ebenfalls nicht telefonieren. Erst als ich ihn durch meine Mandantin nach seinem Namen, seiner Amtsstellung und dem Namen des Arztes fragen lasse, ist er dran.
Ich erkundige mich bei ihm, welche tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Suizidgefahr sprechen – außer den Anrufen bei der Polizei. Zunächst erzählt er was von einer Fahndung und zwei Polizeiberichten. „Da war ja mächtig was los, bis die Ihre Mandantin gefunden habe.“ Ich bohre weiter, will wissen, was er an verwertbaren Belegen in der Hand hat.
Da es anscheinend nichts gibt außer der Panikmache einer (psychisch erkrankten) Mutter, schwenkt er plötzlich um. „Ich sage gar nichts mehr, ich weiß doch gar nicht, ob Sie wirklich Anwalt sind. Ich kann Ihnen doch nicht einfach am Telefon Informationen geben.“ Ich frage ihn, ob Frau G. nicht den Wunsch geäußert habe, mit mir zu sprechen. Er bejaht. Ob sie das noch immer möchte. Frau G. bejaht. Er merkt, wohin die Reise geht und zieht die Notbremse. So lange ich mich nicht „legitimiert“ habe, diskutiere er nicht mehr. Außerdem habe man es eilig. „Wir müssen ja auch mal weiter.“
Ich will ihm vorschlagen, dass ich meinen Anwaltsausweis faxe, da ist das Gespräch abrupt beendet.
Bisherige Erkenntnisse aus dem Fall:
1) Es genügt ein Anruf bei der Polizei, um jemanden festnehmen und in die Psychiatrie bringen zu lassen. Es reicht völlig, wenn man sich als besorgter Angehöriger ausgibt und behauptet, die Person wolle sich das Leben nehmen.
2) Wenn ein Betroffener in einer schwierigen Situation seinen Anwalt einschaltet und dieser unbequeme Fragen stellt, ist es dagegen oberstes Gebot, die Diskussion mit irgendwelchem Datenschutz-Nonsens abzuwürgen.
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