Die Financial Times Deutschland gibt eine ausführliche Wahlempfehlung: Vorfahrt für Merkel. Im Kapitel „Danke, Rot-Grün“ heißt es:
Inhaltlich ist es Rot-Grün bis heute nicht gelungen, aus dem in der Not geborenen Ad-hoc-Programm – nicht weniger, aber auch nicht mehr ist die Agenda 2010 – eine Gesamtstrategie zu entwickeln. Die Regierung konnte zuletzt kaum noch erklären, welche Schritte sie demnächst aus welchen Gründen in Angriff nehmen würde. Die Wahlprogramme von SPD und Grünen sprechen mehr über soziale Retuschen an der eigenen Politik als davon, wie diese Politik weiter vorangetrieben werden kann. Es sind Programme für die Opposition.
Machtpolitisch steckt Rot-Grün ohnehin hoffnungslos in der Sackgasse. Selbst ein überzeugender Wahlsieg könnte die Blockademehrheit der Union im Bundesrat nicht knacken, sondern sie allenfalls für eine Weile moralisch unter Druck setzen. Der Kanzler selbst hat die Neuwahlen damit begründet, dass er sich auf die eigene Truppe nicht mehr verlassen könne. Weshalb dies nach dem 18. September grundlegend und dauerhaft anders sein sollte, ist schwer nachvollziehbar.
Die Zeitung setzt zwar Hoffnung in Schwarz-Gelb, sieht aber auch das Risiko, der Zug könne gleich im Morast stecken bleiben:
Wie so viele Bürger sind allerdings auch wir noch nicht überzeugt, dass das relativ beste der politischen Angebote auch gut genug sein wird, die großen Probleme des Landes zu bewältigen. Wäre es möglich, dann würden wir unseren Stimmzettel mit einer scharfen Protokollnotiz abgeben: Schwarz-Gelb muss auf dem Reformpfad unbedingt darauf achten, nicht gleich wieder in solche ökonomischen Fallen zu stolpern wie Rot-Grün.
Die Union will den Aufschwung mit einer Kombination aus Visionen und perfektem Handwerk herbeiführen. Beidem scheint sie aber viel zu sorglos zu vertrauen. Wer Projekte vom Kaliber etwa einer Steuerreform angeht, sollte technische Probleme einkalkulieren. „Wir können es besser“ ist kein Rezept, sondern Überheblichkeit, die sich böse rächen kann.
Dass schöne ordnungspolitische Überschriften nicht reichen, hat die Partei in der Debatte um die Kirchhof-Pläne erlebt. Es zeigt sich aber erst recht bei der Mehrwertsteuer, die im Tausch gegen sinkende Sozialbeiträge erhöht werden soll. So überzeugend dieses Konzept im Prinzip ist – in der aktuellen Konjunkturlage ist die Belastung des Konsums extrem riskant. Das gilt umso mehr, wenn die Einnahmen dann auch noch zur Etatsanierung genutzt werden sollen, wie es einigen Ministerpräsidenten der Union vorschwebt.
Der FDP weist die Zeitung eine Schlüsselrolle zu:
Die Liberalen haben ein überzeugenderes Steuerkonzept vorgelegt und lehnen die Erhöhung der Mehrwertsteuer ab. … Der FDP-Vorschlag eines Bürgergelds, das Ökonomen auch „negative Einkommensteuer“ nennen, dagegen hat erhebliches Potenzial. Es ist nicht nur ein soziales Angebot, weil es den kritischsten Teil der Arbeitslosigkeit bekämpft. Es wäre zudem eine Maßnahme, die jenseits der Verzichtsszenarien den Menschen mehr Geld übrig lässt – also gut für die Konjunktur.
In der Innen- und Rechtspolitik, bei Fragen der Zuwanderung, womöglich auch beim Thema Türkei-Beitritt würde die FDP als Korrektiv auftreten. Die Union hat noch nicht verstanden, dass es für eine liberale und stark von der Globalisierung profitierende Wirtschaft wichtig ist, auch ein Land wie die Türkei zu integrieren; dass es angesichts der demografischen Entwicklung und des absehbaren Fachkräftemangels für Deutschland schon in ein paar Jahren überlebenswichtig sein wird, eine aktive Zuwanderungspolitik zu betreiben – statt den Fokus, wie die Union, auf eine Beschränkung der Zuwanderung zu legen.
Gelänge es der FDP auch, in der Wirtschaftspolitik stärkeren Einfluss zu gewinnen, würden wir dies stark begrüßen.