ERKANNT

„Der Angeklagte wird auf Kosten der Staatskasse, die auch seine notwendigen Auslagen zu tragen hat, freigesprochen.“

Sogar der Staatsanwalt hat nach dem ersten Zeugen heute auf eine weitere Beweisaufnahme verzichtet. Denn der Zeuge hatte gleich im ersten Satz klargestellt, dass mein Mandant nicht an der fraglichen Schlägerei beteiligt war. Vorher hatte schon der Mitangeklagte glaubwürdig beteuert, dass am 15. Juni 2004 zwar was vorgefallen ist. Mein Auftraggeber sei aber definitiv nicht vor Ort gewesen.

Wie kommt man also heute mir nichts, dir nichts zu dem zweifelhaften Vergnügen, einer Straftat angeklagt zu werden?

In diesem Fall genügte schon das Pech, einmal im Leben erkennungsdienstlich behandelt worden zu sein. Und mit einem Porträt Eingang in die speckigen Fotokladden gefunden zu haben, welche Polizeibeamte gerne Zeugen vorlegen.

Leider hat sich trotz etlicher Gerichtsurteile auf den meisten Polizeirevieren noch nicht rumgesprochen, wie so eine Lichtbildervorlage auszusehen hat. Oder man hat einfach keine Lust. Zu den Mindeststandards gehören:

– eigenständige, möglichst detaillierte Beschreibung des Täters durch den Zeugen;

– Vorlage einer größeren Zahl von Lichtbildern ähnlicher Personen, wobei keines der Bilder hervorgehoben sein darf;

– genaue Dokumentation der Merkmale, anhand derer die Person auf dem Foto erkannt wird.

Hier wurde mal wieder gar nichts dokumentiert. Nur der Umstand, dass der Zeuge den Täter „zu 100 %“ erkannt haben will. Die Schlamperei wird im Protokoll auch noch durch einen Alibisatz kaschiert:

„Ich bin bereit, diese Angaben vor einem Richter zu bestätigen.“

Ja, toll. Welche Angaben denn?

Jedenfalls darf es bei solchen Methoden nicht verwundern, wenn die Zeugen dann im Gerichtssaal die wirkliche Person anschauen und unisono erklären: „Nö, der war es bestimmt nicht. Der Täter war doch viel größer.“ (Aber nach der Körpergröße hat ja leider niemand gefragt.)

Ich kann jedenfalls nur jedem raten, der mal Kontakt mit dem Erkennungsdienst hatte, sich intensiv um die Löschung seiner persönlichen Daten zu kümmern. Sonst geistert man unendlich lange durch alle möglichen Kladden und Dateien. Wie man sieht, ist es nie ausgeschlossen, dass sich früher oder später der passende Belastungszeuge zu dem Foto findet.

(Autistisches Kaffeepausen-Blogging, Woyton am Stadtbrückchen)