Das Oberlandesgericht Köln verneint ein „prozessuales Notwehrrecht“ von Strafverteidigern. In einem Aachener Prozess hatten Anwälte das Gericht boykottiert, nachdem ihnen mehrmals Pausen verweigert wurden. In den Unterbrechungen hatten sie Anträge zum Verfahren formulieren wollen.
Wie nicht anders zu erwarten, werden die Kollegen in der Pressemitteilung des Oberlandesgerichts als ziemliche Deppen dargestellt, die jetzt sogar die Kosten tragen müssen.
Wenn sich alle Seiten etwas anstrengen, sollte es normalerweise nicht zu so einer Situation kommen. Allerdings fällt schon auf, dass bei diversen Strafkammern nicht erst seit gestern folgende Maxime gilt: Wenn es dem Gericht unbequem wird, wird von einer Minute auf die andere unterbrochen. Am besten zwei Stunden. Damit sich alle erst mal auf dem Flur die Beine in den Bauch stehen. Und garantiert nicht vor 19 Uhr wieder im Büro sind.
In Zeiten von UMTS schreckt das allerdings längst nicht mehr so wie früher. Neulich musste so ein Richter notgedrungen in einer Gerichtskantine an mir vorbei. „Na, ein bisschen Daddeln?“ fragte er mit Blick auf mein Notebook. „Nö, ich lese gerade die Post von heute.“ Mehr als ein verwirrtes Grinsen war da nicht mehr drin.
Wenn allerdings Anwälte mal einen dringenden Antrag formulieren müssen, wird stur durchverhandelt. Zum Beispiel wollte ich mal die Frage an einen Zeugen beanstanden. Daraus entspann sich folgender Dialog:
„Herr Vorsitzender, ich beanstande diese Frage als unzulässig.“
„Sie können einen Antrag stellen.“
„Den stelle ich hiermit.“
„Einen schriftlichen Antrag.“
„Gut, ich verfasse jetzt den Antrag und bitte um Unterbrechung.“
„Nein, wir machen weiter, den Antrag können Sie später verlesen.“
„Wenn die Frage schon gestellt und beantwortet ist, macht der Antrag keinen Sinn mehr. Das Gericht muss zuerst über die Beanstandung entscheiden.“
„Muss es nicht.“
„Doch. Wenn Sie anderer Meinung sind, bitte ich um eine Pause für einen wirklich unaufschiebbaren Antrag.“
„Was wollen Sie denn noch beantragen?“
„Nichts, ich möchte Sie wegen Befangenheit ablehnen.“
Ein Beisitzer flüstert dem Vorsitzenden etwas ins Ohr.
„Öh, ja, also, Herr Staatsanwalt, müssen Sie die Frage wirklich stellen?“
Damit wären wir auch bei der traurigen Wahrheit: Wenn solche Konflikte auftreten, bleibt dem Verteidiger meist kein anderes Mittel als die ständige Drohnung mit einem Ablehnungsantrag. Bei der Drohung darf es selbstverständlich nicht bleiben, wenn das Gericht weiter auf der Strafprozessordnung rumzutrampeln gedenkt.
So eine Konfrontation kann durchaus auch ein klärendes Gewitter sein. Wichtig ist es, dann möglichst schnell wieder zu einem sachlichen Umgang zu finden. Da hilft in schwierigen Fällen ein zufälliges Zusammentreffen in der Cafeteria oder auf dem Parkplatz. Gerade die gröbsten Klötze erweisen sich erst als unbeholfen und dann als zugänglich, wenn man sie auf ungewohntem Terrain anquatscht, als seien sie der nette Nachbar von nebenan.
Wobei ich dem Zufall dann schon mal ganz gerne nachhelfe. Aber das bleibt unter uns, o.k.?