KLAPPE, AB JETZT

Herr M. hat jemanden verprügelt. Angeblich. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Kein Tatverdacht. Aber die Krankenkasse des vermeintlichen Opfers lässt nicht locker. Zum fünften oder sechsten Mal droht sie Herrn M. per Formschreiben mit einem Mahnbescheid, wenn er nicht knapp 900 Euro Behandlungskosten zahlt.

Was mich nur wundert: Ausweislich unserer Akte habe ich der Krankenkasse schon dreimal geschrieben, dass Herr M. nichts zahlen wird. Er lässt es – angesichts der klaren Sachlage – auch auf einen Prozess ankommen.

Diese beharrliche Papier- und Portoverschwendung, verbunden mit der unproduktiven Nutzung von Arbeitskraft, ist vielleicht auch ein kleiner Grund für die Misere des Gesundheitssystems.

Ich werde mich im Interesse der Versichertengemeinschaft nicht mehr äußern. Vielleicht merkt dann ja mal einer was.

DEFEKT

Aus dem Schreiben einer Mandantin:

„Mein Festnetzanschluss ist zur Zeit defekt.“

Ich schwanke zwischen Mitgefühl und Neid.

GEBÜHREN SCHINDEN

Bei Abmahnungen sind die Anwaltskosten nicht immer zu erstatten. Das AG Lübbecke verweigerte einem Anwalt jetzt seine Gebühren, weil er nicht nur für die Dachfirma, sondern auch für deren Töchter aufgetreten war. Dies hatte zur Folge, dass sich seine Kostenforderung mehr als verdoppelte. Reine Gebührenschinderei, befand das Amtsgericht und setzte die gesamte Forderung auf Null.

heise online gibt anlässlich dieses Falles einen Überblick über aktuelle Entscheidungen. Lesenswert. Urteil des AG Lübbecke (PDF).

RAAB UND DIE HYMNE

Stefan Raab hat sich Sarah Connors gesanglichem Missgeschick angenommen. In seiner Fernsehsendung blödelte er rum und sang eine von ihm persönlich verhunzte Version der Nationalhymne.

Dafür soll er jetzt bestraft werden – fordert zumindest CSU-Rechtspolitiker Norbert Geis laut Netzeitung. In einem Punkt hat der Christsoziale Recht. Es gibt tatsächlich einen Paragrafen, der die Verunglimpfung der Nationalhymne unter Strafe stellt. § 90a des Strafgesetzbuches droht dafür bis zu drei Jahren Gefängnis an.

Ansonsten ist das Ganze nicht mehr als Schlagzeilenhascherei. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich schon 1990 entschieden, dass auch die Nationalhymne Gegenstand satirischer Auseinandersetzung sein kann und nachgedichtet werden darf.

Das Gericht wertete auch drastische Verhunzungen durchaus als Kunst und klärte emsige Strafverfolger darüber auf, dass hier ein Spannungsfeld zwischen der Kunstfreiheit und dem Straftatbestand aufzulösen ist. Hierbei sei es den Gerichten untersagt, einfach die Interpretation der Persiflage zu wählen, bei der man zu einer Bestrafung kommt (NJW 1990, 1985; hier online).

Wenn dann Raabs Harmlostext dann auch noch mehr auf Frau Connor abzielte als auf die Nationalhymne selbst, kann man sich ja ausmalen, wer am Ende eines Ermittlungsverfahrens mal wieder blamiert dastünde.

Stefan Raab sicher nicht.

(Thema entdeckt bei wirres.net)

ANGEPASSTE OPTIK

Macht Macht schön? fragt der Tagesspiegel. Auffällig ist, wie toll Angela Merkel derzeit medial rüberkommt. Abgesehen von der offensichtlichen Imagekorrektur (neue Frisur, bessere Kleidung, professionelles Make up, dezentere Hintergründe) tragen auch die Bildlieferanten dazu bei. Zitat eines Fotojournalisten an der Berliner Front:

Ich passe mich bei meinen Motiven und meiner Bildauswahl der vorgefundenen Stimmung an. Meine Auftraggeber würden es nicht verstehen, wenn ich an einem solchen Tag ein Merkel-Foto mit heruntergezogenen Mundwinkeln schicken würde.

Mehr Gedanken zum Thema bei Spreeblick.

JACKO WARTET

Die Roadmap für das Urteil gegen Michael Jackson. Eine amerikanische Juristin erklärt auf heute.de einige Hintergründe:

Die Beratungen der Jury können noch eine ganze Weile dauern. Es kommt jetzt darauf an, wie schnell sich die Jury-Mitglieder einig werden. Das Gesetz sieht hier kein Zeitlimit vor. Im kalifornischen Recht kann der Richter die Jury-Mitglieder nur unter engen Voraussetzungen von ihrer Pflicht befreien. Beispielsweise wenn es ihm völlig unwahrscheinlich erscheint, dass die Jury sich jemals einigen wird. Dies jetzt zu beurteilen ist unmöglich.

MILLIARDENKLAGE

Wenn Beamte Mist machen, muss der Staat haften. Möglicherweise. Das Gesetz selbst sieht viele Fallstricke vor, an denen Ansprüche scheitern können. Geschädigte der Firma Flowtex verlangen jetzt vom Land Baden-Württemberg 1,1 Milliarden Mark.

Das Landgericht Karlsruhe muss entscheiden, ob die Finanzbehörden schon frühzeitig von den Scheingeschäften des Unternehmens wussten. Angeblich hatten Betriebsprüfer lange Jahre Informationen , dass bei Flowtex Luft gebucht wird. Maßgeblich dürfte die Frage sein, ob eventuelles Fehlverhalten von Behördenmitarbeitern dem Land zugerechnet werden kann. Und ob ein Versäumnis des Landes eine Art „Schutzwirkung“ für private Unternehmen entfaltet.

Hintergründe in der FAZ.

IST JA NICHT UNSER GELD

Ein Sozialhilfeempfänger kann jederzeit ein Erbe ausschlagen. So jedenfalls die Auffassung des Landgerichts Aachen. Es sei nicht sittenwidrig, wenn ein Sozialhilfeempfänger auf das Erbe verzichte, auch wenn deswegen das Sozialamt keinen Zugriff auf das Vermögen erhalte.

Die Richter halten die Erbausschlagung für ein höchstpersönliches Recht jedes Erben. Dieser könne nach dem Willen des Gesetzgebers nicht gezwungen werden, sich mit einem Erbe zu „belasten“.

Anders hat das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden (NJW 2001, 3484). Die dortigen Richter stellten die Erbausschlagung mit einem Unterhaltsverzicht gleich. Ein Unterhaltsverzicht ist aber meistens sittenwidrig, wenn er jemanden in die Sozialhilfe treibt.

Tut mir Leid, aber mir bleibt bei solchen Entscheidungen die Spucke weg. Ein Sozialhilfeempfänger kann also nach Gusto ein werthaltiges Erbe ausschlagen? Obwohl ihn die Annahme für einen gewissen Zeitraum in die Lage versetzen würde, seinen Lebensunterhalt zu decken?

Schon mal was von der Subsidiarität der Sozialhilfe gehört, liebe Richter? Schon mal einen Gedanken darauf verschwendet, dass es für einen Steuerzahler durchaus schlichtweg „unerträglich“ (= sittenwidrig) sein könnte, dass er für den Lebensunterhalt eines Dritten aufkommen muss, bloß weil dieser keine Lust zum Erben (!) hat?

Was ist denn das einzige denkbare Motiv des Erbberechtigten? Richtig, er kriegt das Erbe nicht, sondern in der Regel seine Geschwister. Die wiederum sind ihm nicht unterhaltspflichtig, so dass das Sozialamt bei ihnen nichts holen kann. Was die Geschwister mit dem Erbe machen, ist ihnen freigestellt. Sie können dem bedürftigen Bruder oder der armen Schwester ja dann mit Bargeld unter die Arme greifen. Natürlich, ohne dass es auffällt.

Aber solche Gedanken muss man sich als Richter wahrscheinlich nicht machen. Schließlich kommt das eigene Gehalt ja auch vom Steuerzahler.

(LG Aachen 7 T 99/04; veröffentlicht in NJW-RR 2005, 307)

SCHEINVERDACHT

Aus der Verfügung einer Staatsanwältin:

… erhebt der Anzeigenerstatter neue Vorwürfe (Bl. 81 und 83). Diese begründen den Anfangsverdacht auf versuchte Untreue. Die Ermittlungen werden deshalb wieder aufgenommen.

Ich bin guter Dinge, dass sich die Sache schnell erledigen lässt. Versuchte Untreue ist nicht strafbar.

STUNDENSÄTZE

Selbstständige müssen anders kalkulieren als Angestellte. Wie man zu realistischen Stundensätzen kommt, erklärt ein Artikel auf akademie.de. Ein Excel-Kalkulationsblatt ermöglicht die Probe aufs Exempel.

Mitunter genügt aber auch ein Blick auf die BWA. Die entscheidende Zahl steht jeden Monat auf der ersten Seite unten links.

(Link gefunden im HandakteWebLAWg)

KLINGT NACH VERWICKLUNGEN

Die Leasingrate für mein derzeitiges Auto beträgt im Juni nur um die 30 Euro. Allerdings endete der Vertrag laut Kontoauszug auch am 2. Juni. Was wahrscheinlich nichts anderes heißt, als dass ich ab sofort schon für den neuen Wagen zahle.

Allerdings würde ich den dann auch gerne mal haben…

ZUFÄLLIG

In einem Urteil äußert sich der Bundesgerichtshof kritisch zu einer 100-seitigen Revisionsschrift:

Mit Recht hat das LG die vom Verteidiger des Angekl., Rechtsanwalt Dr. K., in der Hauptverhandlung als Einlassung des Angekl. verlesene Erklärung – die Beute sei dem Angekl. von dem wahren Täter zugeworfen worden, als er, zufällig mit einer durchgeladenen Pistole bewaffnet, in einem Waldstück nahe einer Straße seine Notdurft verrichtet habe – als völlig lebensfremd und schlechterdings nicht nachvollziehbar bezeichnet.

(NStZ 2005, 341)

EINMALIGE GELEGENHEIT

Durchsuchungen sind in der Regel nur zulässig, wenn ein Richter sie angeordnet hat. Wie oft darf aber durchsucht werden? Kann die Polizei zum Beispiel am nächsten Tag noch einmal kommen, wenn sie feststellt, dass sie nicht die richtigen Unterlagen mitgenommen hat? Oder die falsche Festplatte?

Darf sie nicht. Mit der Beendigung der Durchsuchung durch ausdrückliche Erklärung oder schlüssiges Verhalten ist die richterliche Anordnung verbraucht. So hat es das Bundesverfassungsgericht entschieden (Strafverteidiger 2004, 633, 634). Die Beamten dürfen also erst wieder kommen, wenn der Ermittlungsrichter eine neue Durchsuchung angeordnet hat.

So, theoretisch gut gestärkt, sehe ich einem angekündigten Anruf gelassen entgegen.