KEINE ANTWORT

Das Landgericht Hamburg hat die verfassungsmäßigen Rechte eines Strafgefangenen verletzt – durch Untätigkeit. Eine Beschwerde des Mannes blieb jahrelang unbearbeitet. Selbst gegenüber dem Bundesverfassungsgericht, das dem Gefangenen jetzt Recht gab, zeigten sich die Hamburger Richter wenig kooperativ:

Auf Anfrage des Bundesverfassungsgerichts vom 22. April 2004 beim Landgericht Hamburg, ob mittlerweile eine Entscheidung ergangen sei, erfolgte keine Reaktion. Zweimaliger schriftlicher Aktenanforderung des Bundesverfassungsgerichts kam das Landgericht weder nach noch teilte es mit, aus welchen Gründen eine Aktenübersendung nicht möglich war. Erst nach mehrmaliger direkter telefonischer Aufforderung des zuständigen Richters wurden die Verfahrensakten dem Bundesverfassungsgericht zugeleitet.

(Link via Handakte WebLAWg)

DAMIT MÜSSEN SIE RECHNEN

Ein Einzelrichter am Verwaltungsgericht Düsseldorf lädt mich für neun Uhr zur mündlichen Verhandlung. In der Ladung steht folgender Hinweis:

Es wird darauf hingewiesen, dass für die Verhandlung zunächst eine Zeit von 45 Minuten angesetzt ist. Sollte eine längere Verhandlung erforderlich sein, müssen Sie damit rechnen, dass die Verhandlung unterbrochen und am Nachmittag fortgesetzt wird.

Zugegeben, die richterliche Bequemlichkeit ist ein hohes Gut.

Ich darf aber trotzdem schon mal ankündigen, dass ich mir den Nachmittag nicht freihalten werde. Die Verwaltungsgerichtsordnung sieht in § 104 eine durchgehende mündliche Verhandlung vor. Unterbrechungen sind nicht vorgesehen. Schon gar keine aus völlig unsachlichen Gründen.

Das gilt auch für den Umstand, dass sich ein Richter sehenden Auges zu wenig Zeit für seine Verhandlungen nimmt, dann aber eine missliebige Vertagung dadurch umgeht, dass er den anderen Prozessbeteiligten stundenlange Wartezeiten zumutet.

BESCHWERDE

Ein Beitrag im law blog hat mir eine Beschwerde bei der Anwaltskammer eingehandelt. Ist zwar weitgehend anonym, aber immerhin so formuliert, dass man unschwer den Juristen rausliest.

Deshalb auf diesem Wege: vielen Dank, Herr Kollege!

GELDSTRÖME

Auf der After-Show-Party habe ich mit den Jamba-Abgesandten Markus Berger-de León und Thilo Bonow geplaudert.

Klar ist, dass sich das Unternehmen Sorgen macht, die Risikogruppe Eltern könnte Amok laufen. Angeblich bleibt Jamba nämlich nur ein kleiner Teil der Abogebühren in der Kasse. Die Musiklabels sollen bis zu 50 % der Einnahmen als Lizenzgebühren verlangen; wesentlich mehr als noch vor zwei oder drei Jahren. Bis zu 40 % gingen an den Telefonprovider. Vom Rest muss Jamba die Kosten decken und Gewinn machen – so der Geschäftsführer. Erstattungsbeträge an Jugendliche schlagen somit voll auf die eigene Marge durch, denn weder Telkos noch Musikfirmen dürften bereit sein, das Risiko mit zu tragen.

Auf eine (Muster-)Klage wollen es die Jambas offensichtlich auf keinen Fall ankommen lassen. Ich hatte den Eindruck, dass ihnen ihr Anwalt auch nichts anderes erzählt hat, als sie in der Sendung zu hören kriegten. Insoweit bleibt wohl gar nichts anderes übrig, als auf Kundenfreundlichkeit zu switchen. Was heißt: Jeder, der einigermaßen nachvollziehbare Gründe vorbringt, wird ausgezahlt.

Das erfolgreichste Spiel bei Jamba ist übrigens „Wer wird Millionär“.

NEUES TÄTIGKEITSFELD

Jetzt lassen juristische Verlage schon Rechtsanwälte anrufen, um Werbung für ihre Produkte zu machen. Die Anruferin meldete sich jedenfalls als solche. Zu mir durchgedrungen ist sie aber nicht. Denn auf die Frage meiner Sekretärin, ob es sich um Werbung handelt, musste sie Farbe bekennen. Wie ich höre, war das Gespräch dann auch schnell beendet.

AUSKUNFT

Frau S. möchte Auskunft über eine Lebensversicherung zu ihren Gunsten. Sie meint, diese Versicherung habe ihr früherer Mann aufgrund eines Ehevertrages abschließen müssen. Ich habe schriftlich erklärt, dass es diese Versicherung niemals gab, nicht gibt und auch nicht geben wird. Die Gründe hierfür habe ich auch erläutert.

Was macht Frau S.?

Sie verklagt meinen Mandanten auf Auskunft darüber, bei welcher Gesellschaft die Versicherung abgeschlossen ist, wie lange die Versicherung läuft und wie hoch die Prämien sind. Mit der Begründung: „Die verlangte Auskunft ist abgelehnt worden.“

Ich habe die Auskunft nicht abgelehnt. Ich habe sie erteilt. Dass die Auskunft nicht wunschgemäß ausgefallen ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber das wäre nach meiner Meinung höchstens Thema für eine Schadensersatzklage.

Ich bin gespannt, ob die Klägerin für so was auch noch Prozesskostenhilfe kriegt.

HILFSBEREIT

Ich habe eben mit einer Sachbearbeiterin bei der Familienkasse Düsseldorf telefoniert, die den Fall meines Mandanten sofort im Kopf hatte. Ohne Aktenzeichen!

Außerdem war sie noch richtig nett und hilfsbereit.

(Die Familienkasse gehört zur Agentur für Arbeit. Deshalb ist das eine Erwähnung wert.)

MANNESMANN RELOADED

Die Bundesanwaltschaft befürwortet die Revision gegen die Freisprüche im Mannesmann-Verfahren. Das berichtet die FAZ. Jetzt muss der Bundesgerichtshof entscheiden, ob das Urteil des Landgerichts Düsseldorf Bestand hat.

Die Düsseldorfer Richter hatten den Untreueparagrafen sehr zugunsten der Angeklagten, darunter Deutsche-Bank-Chef Ackermann, ausgelegt.

Als Verteidiger bin ich sehr dafür, dem schwammigen § 266 Strafgesetzbuch Konturen zu geben. Dass dies allerdings im Sinne der Angeklagten geschieht, dafür würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen.

Ich sage, die Chancen für eine Verurteilung liegen bei 70 : 30.

(Link via Handakte WebLAWg)

VIELE PAUSEN

Seit der kleinen Reform der Strafprozessordnung im letzten Herbst reicht es, wenn zwischen zwei Verhandlungsterminen nicht mehr als drei Wochen vergangen sind. Früher waren es zehn Tage. Das reduziert die Zahl der Schiebetermine; entbehrlich werden sie jedoch nicht.

Heute Morgen hatte ich so einen Schiebetermin. Acht Uhr, nur ein Zeuge. Relativ unbedeutend. Nach ein paar Minuten war alles vorbei – jetzt ist zeitlich wieder Luft. Für mich bedeutet das die Möglichkeit auf einen Kaffee vor der Rückkehr ins Büro. Für den Angeklagten aber möglicherweise eine erheblich längere Wartezeit als früher, bis die Sache endlich ausgestanden ist.

Richtig problematisch wird die verlängerte Frist aber, wenn der Betroffene in Untersuchungshaft sitzt. Es macht schon einen gewaltigen Unterschied, ob man zwischen Hauptverhandlungstagen zehn Tage schmoren muss. Oder drei Wochen. Ich bin gespannt, wie die Oberlandesgerichte mit Haftbeschwerden umgehen, die gegen Gerichte erhoben werden, die ihren neuen Spielraum ausreizen.

Gleich kümmere ich mich aber erst einmal um eine Sache, in der der Ermittlungsrichter ausdrücklich in den Haftbefehl reingeschrieben hat, dass die Untersuchungshaft nur gerechtfertigt ist, wenn die Anklage „unverzüglich“ erhoben wird. Offensichtlich haben der Staatsanwalt und ich ein unterschiedliches Zeitgefühl.

HINGERISSEN

Ich habe mich hinreißen lassen. Und für meinen Mandanten, der ziemlich übel verprügelt worden ist, einen Adhäsionsantrag gestellt. Damit kann der Geschädigte seine Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche im Strafprozess geltend machen. Er muss also keine Zivilklage erheben. Das spart Zeit und Kosten.

Der Adhäsionsantrag ist bei Strafrichtern traditionell unbeliebt. In der alten Fassung bot ihnen die Strafprozessordnung auch immer ausreichend Gelegenheit, den Antrag als „untunlich“ abzulehnen. Nach der Refom des Adhäsionsrechts, speziell § 406 StPO, darf ein Adhäsionsantrag nur noch in engen Grenzen abgelehnt werden. Über einen Schmerzensgeldanspruch muss das Gericht praktisch immer entscheiden.

Der derzeit größte Adhäsionsantrag wird übrigens im Hamburger Falk-Prozess gestellt. Dort macht die die angeblich geschädigte Firmenkäuferin einen mehrstelligen Millionenbetrag geltend.

ROTE LATERNE

Die EU-Kommission geht laut Handelsblatt davon aus, dass Deutschland im Jahr 2005 das schwächste Wirtschaftswachstum aller EU-Staaten haben wird. Folgende Länder hängen uns demnach ab:

Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Dänemark, Finnland, Griechenland, Großbritannien, Irland, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien, Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern.

Congrats nach Berlin.

ÜBERTRAGUNGSFEHLER

Aus einem Schreiben des Amtsgerichts:

Die angeforderten Akten liegen an für 3 Wochen.

Dabei hatte die Richterin – übrigens mit schöner (schleim!) und leserlicher Handschrift – doch auf dem letzten Blatt der Akte verfügt:

Akte an obige RAe für 3 Tage.

Geht ja auch nicht anders. Es sei denn, sie hätte am 11. April die Verhandlung ganz ohne ihre Unterlagen leiten wollen.