KUNDENKREDIT

Kautionen sind in Deutschland zwar erlaubt. Richter machen aber nur sehr zögerlich davon Gebrauch.

Wenn ich als Verteidiger mal eine Sicherheit ausgehandelt kriege, kann ich mich gleich auf eine unangenehme Situation einstellen. Der Mandant ist ja meist nicht in der Lage, das Geld zu beschaffen – zumindest nicht kurzfristig.

Könnten Sie die Kaution nicht für mich einzahlen?

Ich bin keine Bank.

Ja, aber glauben Sie mir, mein Bruder zahlt das Geld sofort wieder bei Ihnen ein.

Ihr Bruder hat mir am Telefon gesagt, er will mit Ihnen nichts mehr zu tun haben.

Dann meine Mutter.

Die klang auch nicht freundlicher.

Okay, aber ich laufe bestimmt nicht weg, dann kriegen Sie das Geld doch aus der Staatskasse wieder.

Aber wenn Sie weglaufen, bin ich 15.000 Euro ärmer. Und habe sogar noch ein Mandat weniger, um das Geld wieder zu verdienen.

Ich zahle Ihnen auch Zinsen. Wieviel wollen Sie? 10, 25, 50 Prozent? Von mir aus auch pro Monat.

Sie versprechen was, von dem Sie jetzt schon wissen, dass Sie es nicht einhalten können. Das ist kein gutes Zeichen.

Sie leihen mir die Kohle also nicht?

Sorry, ich habe gerade keine Kreditanträge dabei.

Aber hier im Knast sagen sie, dass es Anwälte gibt, die so was machen.

Wenn Sie so einen Kollegen finden, leihen Sie sich gleich ein paar Hundert Euro mehr, damit ich die Sache nicht als Pflichtverteidigung abrechnen muss.

Letztlich ist aber noch kein Mandant abgesprungen, weil er tatsächlich einen Verteidiger gefunden hat, der ihm die Kaution stellt. Mangels anderer Informationen gehe ich also davon aus, dass ich nicht der einzige bin, der einen Einstieg ins Finanzgeschäft eher skeptisch betrachtet.

DAS KLEINE B

Grußformel in einem Schreiben der Staatsanwaltschaft:

Hochachtungsvoll

Müller

Amtsanwalt (b)

Das kleine b bedeutet „beauftragt“.

So unterzeichnen Amtsanwälte, die zwar den Vorbereitungsdienst absolviert haben und im Amtsanwaltsdienst arbeiten, aber noch nicht zu Amtsanwälten ernannt sind. Das (b) darf frühestens nach zwölf Monaten gestrichen werden – wenn sich der Amtsanwalt, der keiner ist, im Amtsanwaltsdienst bewährt hat.

Oder so ähnlich.

Bei dieser Gelegenheit: Weiß jemand, was ein „Polizeihauptmeister m. AZ“ ist?

TERMIN

Und jetzt noch ein Vorführtermin. Dort wird über den Erlass eines Haftbefehls entschieden. Nicht alltäglich ist der Fall, weil der Mandant als Drogenkurier aus Übersee in ein Nachbarland eingeflogen ist und dort erwischt wurde. Da das betreffende Land aber relativ liberal ist, durfte er ohne Verfolgung mit dem Flugzeug nach Hause, erhielt aber eine Einreisesperre.

Bei der Einreise in Deutschland ist er dann wegen des Sperrvermerkes im Pass an der Grenzkontrolle aufgefallen. Jetzt will ihm die deutsche Justiz den Prozess für eine Sache machen, die sich komplett im Ausland abgespielt hat.

Es stellen sich knifflige juristische Fragen, unter anderem nach dem Umfang des Weltrechtsprinzips für Drogendelikte in § 6 Ziff. 5 Strafgesetzbuch und der Reichweite diverser europarechtlicher Vorschriften (Ziff. 9).

Nachtrag: Hätte schlechter laufen können. Ich hoffe nur, dass jemand aus der Familie in der Lage ist , die Kaution aufzubringen.

EMBARGO

Wer gegen ein UN-Embargo verstößt, muss sich warm anziehen. Nach § 34 Außenwirtschaftsgesetz stehen darauf mindestens zwei Jahre Freiheitsstrafe.

Klingt interessant, oder?

Ist es auch, vor allem als Mandat.

DEKADENT

Frau Sekretärin: Es ist dekadent, die Werbesendung mit dem sichtbar innen aufgeklebten Glückscent ungeöffnet in den Müll zu schmeißen.

Aber was ist es, wenn der Chef dann im Papierkorb wühlt?

LINKS

Eine kleine Zusammenfassung interessanter Links, auf die mich Leser hingewiesen haben:

Landesregierungen setzen auf private Gefängnisse: Lebenslänglich in der Knast AG (danke an Uwe Tetzlaff).

Anwalt klagt wegen Juristenwitzen (danke an Wapiti Mathias Schindler und Hartmut Nissen).

Fehler in Googles Gmail ermöglichte Lesen fremder Mails (danke an Frank).

Anwältinnen jetzt auch in Hosen (danke an Marc Wickel).

Neues Blog mit Mut zur Meinung: Beamtendreikampf (danke an Jaso).

Vorwiegend für Examenskandidaten: Prüfungsrechte des Bundespräsidenten (danke an Uwe Tetzlaff).

Kartenzahlung besser nur nüchtern (danke an Volker).

1 CENT

Die Bundesagentur für Arbeit zahlt an Arbeitslose mitunter eine Mini-Unterstützung von 1 Cent pro Monat. Das allerdings aus nachvollziehbaren Gründen, wie Spiegel online berichtet. Den Bedürftigen, denen das Einkommen des Partners angerechnet wird, soll die Krankenversicherung erhalten bleiben.

CANNABIS AM STEUER

Gelegentliche Cannabiskonsumenten werden sich über eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts freuen. Das Gericht gab auf Grund einer Verfassungsbeschwerde einem Autofahrer seinen Führerschein zurück, obwohl in dessen Blut noch der Wirkstoff THC nachgewiesen wurde. Tatsächlich hatte der Mann zuletzt 16 Stunden vor Fahrtantritt Haschisch geraucht. Die nachgewiesene Menge war nur knapp die Hälfte des derzeitigen Grenzwertes, ab dem eine Fahruntüchtigkeit angenommen wird.

Nach Auffassung des Verfassungsgerichts gilt auf Grund verfeinerter Nachweismethoden nicht mehr der Grundsatz, dass jemand schon deshalb „unter dem Einfluss berauschender Substanzen“ steht und damit zumindest ordnungswidrig handelt, bloß weil irgendwelche Konzentrationen nachgewiesen werden können. Da die Wirkstoffe mit den verbesserten Tests noch teilweise tage- und sogar wochenlang nachweisbar seien, müsse in solchen Fällen auch konkret festgestellt werden, ob die Konzentration tatsächlich die Fahreigenschaft beeinflusst.

Die Entscheidung dürfte auch auf Ecstasy- und sonstigen Medikamentenkonsum übetragbar sein.

Interessant ist auch, dass der Beschluss ausdrücklich eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 des Grundgesetzes rügt. Damit wird (erneut) klargestellt, dass der Eigenverbrauch von Cannabis ein Verhalten ist, das der Staat zu tolerieren hat.

Zur Pressemitteilung.