AUFRECHNUNG

Eine Mandantin von mir hatte einen Verkehrsunfall mit einem Bus der örtlichen Verkehrsbetriebe. Sie war nicht schuld. Wie so häufig stellte sich die Schadensabteilung quer und regulierte nur das Nötigste. Wegen ein paar Euro klagen ist nicht jedermanns Sache.

Ich weiß nicht, ob sich meine Mandantin insgeheim entschlossen hat, den Restbetrag einfach abzufahren. Jedenfalls wurde sie vor einigen Tagen beim Schwarzfahren erwischt. Sie hat die Zahlung verweigert und dem verdutzten Kontrolleur erklärt, dass sie die Strafe von 40 Euro mit ihrer Restforderung aus dem Verkehrsunfall aufrechnet.

Da der Mann nicht wusste, was eine Aufrechnung ist, haben wir noch ein Fax geschickt. Ich bin gespannt, ob wir damit durchkommen.

KNAST-VERSORGUNG

In Sachsen-Anhalt gab es eine Großrazzia gegen Gefängniswärter. Sie sollen gegen Geld Häftlinge mit Drogen und Handies versorgt haben. Politiker sprechen von einem System organisierter Kriminalität, berichtet Spiegel online.

Mit diesem Problem hat allerdings nicht nur Sachsen-Anhalt zu kämpfen. Auch wenn man es anderswo vielleicht nicht zugeben wird.

UNTREUE ELTERN

Eltern können sich auch gegenüber den eigenen Kindern strafbar machen. Zum Beispiel wegen Untreue. 5 Monate Haft auf Bewährung verhängte jetzt das Amtsgericht Bonn gegen eine Mutter. Sie hatte 50.000 Euro Schadensersatz, die ihre damals 6-jährige Tochter nach einem Unfall erhalten hatte, für sich verwendet und das Geld nicht, wie vorgesehen, in eine Rentenversicherung investiert. Der Tochter blieben letztlich nur 7.000 Euro, berichtet der Express.

RAUSWURF

Freunde bzw. Lebenspartner können schnell auf die Straße fliegen, wenn sie sich nicht ausreichend vertraglich absichern. So entscheidet zum Beispiel das Amtsgericht Mettmann:

„Die ursprüngliche Räumungsklage des Klägers war … begründet. Der Kläger hat das Nutzungsverhältnis … wirksam durch fristlose Kündigung beendet.

Insoweit kann dahinstehen, ob zwischen den Parteien ein Mietverhältnis bestand und die Kündigung wegen Zahlungsverzuges erfolgte. Denn auch wenn die Beklagte unentgeltlich beim Kläger wohnen durfte, war er berechtigt, die sofortige Räumung zu verlangen.

Für den Fall, dass die Parteien eine nichteheliche Lebensgemeinschaft geführt haben, hat der in die Wohnung aufgenommene Lebenspartner diese auf Verlangen zu räumen, da er gegenüber dem Anderen über die Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft hinaus kein eigenständiges Recht zum Besitz hat (Weinreich, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 3. Auflage, Kap. 11, Rn. 72, 81).

Falls eine nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht bestanden hat, gilt dies erst recht.“

(Beschluss vom 3. Dezember 2004, 21 C 259/04).

ARBEITSLOSENHILFE

Die Agentur für Arbeit hat vielen Arbeitslosen möglicherweise zu Unrecht Arbeitslosenhilfe verweigert. Das Bundessozialgericht hat es in einem aktuellen Urteil jedenfalls der Behörde untersagt, Ablehnungen ohne weitere Prüfung darauf zu stützen, dass die Freibeträge in der Arbeitslosenhilfeverordnung überschritten werden. Das Gericht bemängelt, so berichtet beck-aktuell, eine fehlende Härtefallregelung. Im Ergebnis wird es also darauf hinauslaufen, dass die Agentur für Arbeit den Einzelfall genauer unter die Lupe nehmen muss.

Interessant kann das Urteil für alle Antragsteller sein, deren Bewilligungsbescheide noch nicht rechtskräftig sind.

VERDACHT

Der Präsident des Oberlandesgerichts Hamm Gero Debusmann steht unter dem Verdacht, einen Meineid geschworen zu haben. Und wenn er es nicht war, dann hat ein hochrangiger Beamter aus dem Justizministerium gelogen. Wie der Westfälische Anzeiger berichtet, geht es um die Ambitionen von Dr. Monika Anders, Präsidentin des Oberlandesgerichts Köln zu werden. Die Juristin ist zumindest jedem Examenskandidaten bekannt, denn sie ist Verfasserin eines Standardwerks zur Prüfungsvorbereitung.

Da sie derzeit als Präsidentin des Landgerichts Essen tätig ist, war Gero Debusmann für eine dienstliche Bewertung zuständig. Er soll Frau Anders „Illoyalität, falsches Zeitmanagement und mangelnde Wahrheitsliebe“ attestiert haben – was ihrer Bewerbung nach Köln natürlich nicht förderlich war.

Frau Anders behauptet, Gero Debusmann habe sich für sie „als Frau“ interessiert. Er soll sogar ihren Lebenspartner, den besagten Beamten aus dem Justizministerium, aufgefordert haben, sich von Anders zu trennen. Ansonsten werde er sie im Gerichtsbezirk isolieren. Die Bewertung wäre also nichts anderes als der Racheakt eines verschmähten Verehrers.

Nun hat jede Seite ihre Version vor dem Verwaltungsgericht geschildert. Obwohl es keine der Prozessparteien für nötig hielt, hat der Richter beide Zeugen vereidigt.

Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft. Könnte gut sein, dass hier mehr als eine Karriere den Bach runtergeht.

(Danke an Volker für den Link; weitere Quellen auch bei Google News)

SAMSTAGSARBEIT

Das WDR Fernsehen hat mich gerade dazu interviewt, ob und unter welchen Voraussetzungen Straftätern der genetische Fingerabdruck entnommen werden darf. Anlass ist der Bericht des Spiegel, wonach die Ermittlungsbehörden im Mordfall Levke geschlampt haben sollen.

Das Interview wird (voraussichtlich) heute Abend in der Aktuellen Stunde gezeigt, (WDR Fernsehen, 18.50 bis 19.30 Uhr).

RÜCKSTÄNDE

„Ich habe Rückstände“, seufzt die Sachbearbeiterin einer Versicherung. Und es klingt ehrlich. „Kann ich mir die Schadensnummer notieren und Sie zurückrufen? Am Montag, äh, besser am Dienstag?“

„Klar“, sage ich. Falls ich jetzt was gut habe, wünsche ich mir von einigen Mandanten ein klitzekleines bisschen Verständnis dafür, dass es auch Anwälte mit mehr als einem Mandanten gibt und die deshalb nicht den ganzen Tag sehnsüchtig auf den Postboten warten oder ihr Faxgerät anstarren, ja sogar solche, die auswärtige Termine haben. Und die deswegen mitunter nicht in der Lage sind, alles jetzt, sofort und auf der Stelle zu erledigen.

Das wäre dann auch alles, liebes Christkind.

UNTERSCHRIFT

Die ARD plant schon fest mit Harald Schmidt. Doch der Entertainer hat noch nicht einmal den Vertrag unterschrieben, obwohl er schon am 23. Dezember auf Sendung gehen soll. Das räumt die ARD gegenüber der Netzeitung ein.

Klingt das nur für mich blauäugig? Vor allem vor den Hintergrund, dass Schmidt schon seinen früheren Sender SAT 1 düpiert hat. Sein schneller Abgang dort soll ja nur möglich gewesen sein, weil sich bei SAT 1 niemand richtig um eine rechtzeitige Vertragsverlängerung mit Schmidt gekümmert hat.

WUNSCHERGEBNIS

Rumänische Prostituierte haben zwar grundsätzlich einen Anspruch darauf, auch in Deutschland selbstständig zu arbeiten. Zu diesem Zweck muss ihnen auch ein Visum erteilt werden. Das Verwaltungsgericht Berlin versagte drei rumänischen Klägerinnen allerdings die Einreise, weil sie keine Mittel zur Betriebsgründung vorweisen können, kein Geschäftskonzept haben und auch nicht ausreichend deutsch sprechen.

Die Zusammenfassung des Urteils bei beck-aktuell ist schon wegen der Verrenkungen lesenswert, die ein Gericht anstellen muss, um in Zeiten der legalisierten Prostitution und der Freizügigkeit noch zum „gewünschten“ Ergebnis zu kommen.

UNWISSEND

Ernst August Prinz von Hannover hat nun doch, wenn auch verspätet, Rechtsmittel gegen seine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung eingelegt, berichtet Spiegel online. Sein Verteidiger habe nicht gewusst, dass die Frist auch dann (nur) eine Woche beträgt, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht persönlich erscheint.

Der Anwalt ist Opfer einer klitzekleinen Gesetzesänderung geworden, die erst seit Herbst 2004 in Kraft ist. Bislang war es immer so, dass die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung des schriftlichen Urteils beginnt, wenn der Angeklagte bei der Verkündung nicht anwesend war. Praktisch relevant ist das in Strafbefehlsverfahren; dort kann sich der Angeklagte durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen.

Die Regelung führte in diesen Fällen dann immer wieder zu Verzögerungen, weil mit dem Rechtsmittel eben gewartet werden konnte, bis das Urteil schriftlich vorlag. (Außerdem mussten die Richter auch ausführlichere Urteile schreiben, weil sie ja nicht wussten, ob der Angeklagte in die nächste Instanz geht.)

Dies ist jetzt geändert worden. War der Angeklagte durch einen Verteidiger vertreten, beträgt die Berufungs- oder Revisionsfrist immer eine Woche., § 314 Abs. 2 StPO. Interessanterweise hat es der Gesetzgeber aber unterlassen, auch § 35a StPO zu ändern. Diese Vorschrift bestimmt, dass „der Betroffene“ nach der Urteilsverkündung über die Frist zu belehren ist. An sich müsste in den oben beschriebenen Fällen jetzt zumindest der Verteidiger belehrt werden. Zumindest im Fall von Ernst Augusts Anwalt hätte das sicher eine peinliche Diskussion zwischen Mandant und Anwalt erspart…