NOVITEL / OLBERTZ

Vor dem Amtsgericht Berlin Mitte wurde heute die Sache Novitel Berlin Vertriebs GmbH / Dirk Olbertz verhandelt. Dirk Olbertz betreibt den Weblogservice Blogger.de. In einigen der dort gehosteten Blogs werden auch die Arbeitsumstände diskutiert, die in dem Callcenter der Firma Novitel herrschen sollen.

Novitel hatte gegen Dirk Olbertz eine einstweilige Verfügung beantragt. Danach sollte er es unterlassen zu behaupten, der Bruder des Geschäftsführers befinde sich in Untersuchungshaft und gegen die Firma liefen Strafverfahren. Diese Äußerungen fanden sich in einem Kommentar, den ein gewisses „Strichmännchen“ im Weblog abgegeben hatte.

Außerdem wollte die Firma per gerichtlicher Anordnung erwirken, dass Dirk Olbertz sämtliche Daten im Zusammenhang mit dem beanstandeten Weblog/Kommentar herauszugeben hat. Überdies verlangte Novitel, dass das Gericht die Durchsuchung seiner Räume anordnet und seine Rechner beschlagnahmt.

Im Kern behauptete die Firma, Dirk Olbertz sei für die Äußerungen in den Blogs verantwortlich, weil diese kein eigenes Impressum hätten. Außerdem bestünden wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche.

In der mündlichen Verhandlung, in der ich Dirk Olbertz heute vertreten habe, ist das Gericht unserer Argumentation gefolgt. Die Ansprüche auf Datenherausgabe, Durchsuchung und Beschlagnahme waren ja von vornherein offensichtlich nicht gegeben. Derartige Rechte haben nur die Strafverfolgungsbehörden. In den Mediengesetzen ist sogar ausdrücklich geregelt, dass der Provider das Telekommunikationsgeheimnis seiner Kunden wahren muss. Das Amtsgericht Berlin Mitte sah sich auch außerstande, trotz des schneidigen Auftretens ihres Geschäftsführers für die Firma Novitel eine Ausnahme zu machen.

Aber auch bei den Unterlassungsansprüchen sah das Gericht keine Grundlage für ein Einschreiten. Grundsätzlich folgte die Richterin unserer Argumentation, dass der Webloghoster – wie andere Provider auch – nicht für die Inhalte auf den Seiten verantwortlich ist. Das sind ausschließlich die Nutzer der jeweiligen Seiten.

Das Gericht bejahte lediglich eine Verpflichtung des Providers, bei konkreten Hinweisen auf gesetzeswidrige, insbesondere strafbare Inhalte diesen Hinweisen nachzugehen. Das war allerdings unstreitig geschehen; jedenfalls wurde der beanstandete Kommentar nach dem Protest gelöscht.

Das Amtsgericht folgte insbesondere nicht der Argumentation, für ein Weblog ohne Impressum hafte der Hoster. Abgesehen davon, dass es eine Impressumspflicht eindeutig nur für gewerbliche Angebote gibt und Novitel nichts dafür vorgetragen hatte, dass das Weblog gewerblich war, war auch die Richterin der Meinung, dass es keine Durchgriffshaftung auf den Provider gibt, wenn der Content-Anbieter (Webloginhaber) gegen Ordnungsvorschriften verstösst.

Die Anträge auf Durchsuchung und Beschlagnahme nahm Novitel noch im Verhandlungstermin zurück. Über den Rest muss jetzt das Gericht entscheiden. Die Vorsitzende ließ keinen Zweifel daran, dass Novitel den Prozess komplett verlieren wird. Das schriftliche Urteil soll in einigen Tagen vorliegen.

Näheres auch in Dirk Olbertz‘ Weblog, insbesondere in den älteren Beiträgen.

(AG Berlin Mitte 15 C 1011/04)