PAUSCHALEN

Eine Mandantin streitet sich vor Gericht mit ihrer Notarin über eine Kostenrechnung. Wir bringen seitenweise Einwände vor; die Notarin schreibt emsig zurück. Die Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts fällt dagegen in der Sache ziemlich kurz aus. Die Notarin hat nämlich die Paragrafen bei den einzelnen Kostenpositionen nicht penibel zitiert. Außerdem hat sie „Schreibauslagen“ geltend gemacht. Korrekt muss es aber „Dokumentenpauschale“ heißen.

Schon deswegen soll die Kostenrechnung aufzuheben sein, und zwar „ohne weiteres“. Als Beleg führt der Präsident des Landgerichts ein Dutzend Urteile an. Im Rechtsstreit geht es zwar nicht um Dokumentenpauschalen. Aber ich habe mich trotzdem gefreut. Und auch geärgert. Aufgefallen war mir dieser schrecklich gravierende Fehler nämlich nicht. Ich muss dringend meinen bürokratischen Spürsinn schärfen.

SPEZIALISTEN

Anwälte dürfen sich jetzt auch „Spezialist für Verkehrsrecht“ nennen. Das Bundesverfassungsgericht hat es einem Kollegen gestattet, diesen selbstgestrickten Titel in seinen Briefkopf aufzunehmen.

Nichts dagegen. Gleichzeitig wertet das Gericht aber Fachanwälte ab, indem es Folgendes schreibt:

Fachanwälte sind aber nicht notwendig Spezialisten. Dies ergibt sich schon aus § 43 c Abs. 1 BRAO, der die Führung von zwei Fachanwaltsbezeichnungen erlaubt. Angesichts der Weite der Tätigkeitsfelder, für die Fachanwaltschaften eingerichtet sind, wird insoweit keine Spezialisierung vorausgesetzt.

Fachanwälte machen einen zermürbenden Kurs, schreiben fünfstündige Klausuren über Examensniveau und stellen sich einer mündlichen Prüfung. Sie müssen mit Falllisten auch nachweisen, dass sie im jeweiligen Rechtsgebiet nachhaltig Erfahrung und Praxis haben.

Aber trotzdem soll das einen geringeren Grad der Spezialisierung ausdrücken als das nackte Eigenlob „Spezialist“? Darüber schüttele nicht nur ich den Kopf. Sondern auch der Kollege Gaius von der Locht aus München, der mir den Link geschickt hat. Er zeichnet seine Mail schon mal mit „Fachanwalt für ArbR und SteuerR und Spezialist“, augenzwinkernd selbstverständlich.

FUNDSACHE

Ein Pärchen aus Österreich hat 1,2 Millionen Schilling in einem Abbruchhaus gefunden. Das Geld brachten die beiden nicht zum Fundbüro, sondern gaben es zum größten Teil aus. Das Linzer Schöffengericht hat sie vom Vorwurf der Unterschlagung freigesprochen. Und die beiden haben sogar Aussicht, die restlichen 20.000 Euro zu bekommen, berichtet orf.at.

(danke an Helge für den link)

STRANGE PLACES

Meine Meinung ist, dass Haftprüfungen in Gerichtssälen stattfinden sollten. Oder, von mir aus, im Dienstzimmer des Richters.

Aber im Hausgefängnis des Gerichts?

In Düsseldorf gibt es dort noch nicht einmal einen abgetrennten Raum für Haftprüfungen. Alles findet in einem Foyer statt. Unter den Augen der Wachleute, die hinter einer Glaskuppel sitzen. Auf Polsterstühlen, die schon mal bessere Tage gesehen haben. An zwei zusammengeschobenen Tischen aus dem Inventar. Im fahlen Lichtmix vergilbter Neonröhren und nackter Glühbirnen.

Wenn man Pech hat, spricht am Nachbartisch ein anderer Verteidiger gerade mit seinem Mandanten. Dann kann man sich schon mal anpflaumen, wer jetzt etwas leiser zu sein hat. Oder es werden andere Tagesgäste vom Zellentrakt zu ihrem Gerichtstermin geführt.

So eine Atmosphäre fördert nicht unbedingt die Erfolgsquote. Das ist zumindest mein Eindruck. Zum Glück wählt nach meiner Kenntnis derzeit nur ein Jugendrichter in Düsseldorf diesen Ort für Haftprüfungstermine.

Womit ich natürlich nur generell etwas anmerken wollte. Denn der Haftbefehl gegen meinen Mandanten ist gestern an Ort und Stelle außer Vollzug gesetzt worden. Ehrlich gesagt, wider Erwarten.

HILFSSHERIFFS

Vorab als Fax 6025 2929

Staatsanwaltschaft Düsseldorf

Postfach 101122

40002 Düsseldorf

Befangenheitsantrag, hilfsweise Gegenvorstellung

Sehr geehrter Herr Staatsanwalt,

in o.g. Angelegenheit lehnt mein Mandant die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU) wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Sollte dieser Antrag als unzulässig angesehen werden, bitte ich ihn als Gegenvorstellung zu betrachten.

1. Bei einer Durchsuchung in der Wohnung meines Mandanten wurden 2250 CDs beschlagnahmt. Hieraus ergab sich bei der Polizei der Verdacht, mein Mandant habe illegal Kopien gefertigt und diese unter Umständen weiter verkauft.

Nach Rücksprache mit Ihnen hat der ermittelnde Kriminalkommissar die CDs an die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU) weitergegeben, und zwar zur Auswertung und ggfls. Stellung eines Strafantrages.

Ein Mitarbeiter der GVU, Herr B., hat am 22. Juli 2004 folgende Gegenstände von der Kriminalpolizei ausgehändigt erhalten:

3 Kartons mit insgesamt 2235 CDs (Bl. 11).

Wie Sie mir auf Rückfrage telefonisch sagten, wird die GVU als „Sachverständiger“ tätig.

2. Die Aushändigung der Unterlagen an die GVU ist rechtswidrig.

a) Sachverständige können nur natürliche Personen sein (vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 72 Rdnr. 2). Private Organisationen, insbesondere Vereine und Gesellschaften des Privatrechts scheiden als Sachverständige aus (ebenda).

Die Überlassung „an die GVU“ ist schon deshalb rechtwidrig, weil diese ein eingetragener Verein und keine natürliche Person ist. Ausweislich der Akte ist auch kein konkreter Sachverständiger benannt, so dass weder etwas zu dessen eventueller Existenz noch zu seiner Eignung gesagt werden kann.

b) § 73 Abs. 2 StPO schreibt vor, dass andere Personen nur zu Sachverständigen gewählt werden sollen, wenn für gewissen Gutachten Sachverständige nicht öffentlich bestellt sind.

Es gibt ausreichend öffentlich bestellte Sachverständige, welche in der Lage sind, Beweismaterial auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu untersuchen.

c) Die GVU ist auch kein geeigneter Sachverständiger. Es handelt sich hierbei um einen Interessenverband der Film- und Musikindustrie, der sich die aktive Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen auf die Fahnen geschrieben hat.

So rühmt sich die GVU auf ihrer Homepage:

„Parallel dazu wird für jede Mitgliedsfirma auf Wunsch das strafrechtliche Beweismaterial zur Durchführung zivilrechtlicher Maßnahmen aufbereitet.“

Hieraus ergibt sich zwanglos, dass die GVU nicht die für einen Sachverständigen erforderliche Neutralität besitzt. Vielmehr steht die GVU eindeutig auf Seiten der vermeintlich Geschädigten und ist mit diesen – über Mitgliedsbeiträge und Zuwendungen – wirtschaftlich verflochten.

Überdies ist es bemerkenswert, dass der Sachverständige als solcher die Unterlagen auch erhält, damit er ggf. einen Strafantrag stellen kann. Dies bedeutet – auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden – faktisch eine Identität zwischen Geschädigtem und Sachverständigen. Dies führt nicht nur zur Besorgnis der Befangenheit, sondern zu einer Ausschließung kraft Gesetzes (§§ 161a, 73, 22 Ziff. 1 StPO).

d) Vorsorglich weise ich darauf hin, dass die Auswahl der GVU auch gegen Nr. 70 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren verstößt. Danach hätte mir Gelegenheit gegeben werden sollen, an der Auswahl des Sachverständigen mitzuwirken.

3. Die vorgenannten Punkte rechtfertigen die Ablehnung. Denn die grundsätzliche Ungeeignetheit der GVU als Sachverständiger, das Vorhandensein vorrangiger Sachverständiger und die offensichtlichen Interessenkollisionen bei der GVU begründen vom Standpunkt meines Mandanten verständigerweise ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der GVU als Sachverständiger.

4. Die Ablehnungsgründe werden glaubhaft gemacht durch Bezug auf Ihre dienstliche Äußerung sowie die eventuelle Äußerung der GVU zu diesem Ablehnungsantrag.

5. Sollten sich der Antrag als unzulässig erweisen, bitte ich ihn als Gegenvorstellung zu werten. Sollten Sie dieser Gegenvorstellung nicht abhelfen wollen, legen Sie den Vorgang bitte der Behördenleitung vor.

Ich erbitte eine Nachricht über die weitere Behandlung dieses Antrages und eine Information über die Abschlussentscheidung.

Mit freundlichen Grüßen

Vetter, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

BLUTDRUCKSTEIGERND

Vielleicht sollte die Rechtsanwaltskammer Einladungen zu Seminaren nicht mit dem Vermerk „Persönlich/Vertraulich“ versenden. Solche Schreiben verkürzen meine Lebenserwartung. In exakt gleicher Aufmachung werden nämlich Beschwerden von verärgerten (ehemaligen) Mandanten und sonstigen bösmeinenden Zeitgenossen zugesandt.

DRINGEND

Ich halte meine Durchwahl nicht wirklich geheim. Deshalb kommt es schon vor, dass die Anruferliste flasht, während ich telefoniere. 11 Versuche in knapp anderthalb Minuten, das habe ich auch noch nicht erlebt. Zumindest bis letzten Freitag.

RÄUBERISCH

RÄUBERISCH

Vier Wochen saß ein amerikanischer Tourist in München in Untersuchungshaft. Er soll versucht haben, in einem Brauhaus einen Maßkrug mitgehen zu lassen. Spiegel online berichtet, dass der zuständige Richter die lange Haft nachträglich „bedauerlich“ fand.

Das Problem war, dass sich der Tourist gegen einen Mitarbeiter des Brauhauses gewehrt haben soll. Dabei ist dann schnell die Schwelle zum „räuberischen Diebstahl“ überschritten, für den drakonische Strafen drohen.

HELLBOY

Eine Filmfirma hat ihr Sicherheitspersonal bei einer Autogrammstunde für den Streifen „Hellboy“ angeblich illegale Filmkopien konfiszieren lassen. Dumm, dass der Studioboss wohl ziemlich martialisch aufgetreten ist. Noch dümmer, dass es sich nach dem Bericht bei heise online um DVDs handelte, die sich die Zuschauer ganz legal aus dem Ausland besorgt haben.

Je nach Ablauf könnte die Aktion Diebstahl oder sogar Raub gewesen sein. Rausreden dürfte nicht ganz einfach sein. Sicherlich hätte man ja die Polizei holen können, so dass noch nicht einmal ein Festnahmerecht vorlag.