In den Kommentaren zu der kleinen Anwaltsrechnung werden einige interessante Fragen diskutiert:
1. Kann man einen Prozess für 80,00 Euro betriebswirtschaftlich sinnvoll führen?
Wir können es nicht. Als Zweierkanzlei haben wir ca. 320 Netto-Arbeitsstunden im Monat zur Verfügung, d.h. ohne Verwaltungs- und Organisationskram, Fortbildung etc. Ich ungefähr 200, meine Kollegin (wegen Familie) ca. 120. Die Gesamtkosten belasten jede Arbeitsstunde mit ca. 40 Euro. Wobei man fairerweise sagen muss, dass zwei Autos enthalten sind, die auch privat genutzt werden.
Besprechungen, Schriftsätze, Gerichtstermine werden auch im kleinsten Prozess insgesamt nicht unter zwei Stunden Gesamtaufwand zu leisten sein. Es bleibt also ein Verlustgeschäft.
2. Soll man kleine Streitwerte ablehnen?
Ich habe mir das mal überlegt, wie viele Anwälte auch. Allerdings kostet es auch Zeit, dies zu erklären. Ich als Mandant wäre enttäuscht, wenn mir mein Anwalt sagt, dass er mich in einer Bagatellsache nicht vertritt. Wahrscheinlich würde ich sagen: „Blödmann. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich auch mit meinem Arbeitsgerichtsprozess nicht zu Ihnen gekommen.“
Die Zeit für die Diskussion mit dem Mandanten kann man dann auch gleich in die Falllösung investieren. Ich stelle mir solche Gespräche auch frustrierend vor. Wenn jemand enttäuscht mein Büro verlässt und mir vielleicht noch droht, dass er mir die Kosten für die vergebliche Anreise aufs Auge drückt, trübt das auch meine Stimmung und damit auch meine Arbeitsleistung. Außerdem ist der Mandant für immer weg. Er wird mich im besten Fall nicht empfehlen, im schlechtesten wird er überall erzählen, wie arrogant der Vetter mit seinen Kunden umgeht.
Ähnliches gilt auch bei neuen Mandanten. Soll meine Sekretärin am Telefon klären, wie hoch der Streitwert ist? Bei manchen Mandanten braucht sie zehn Minuten, um denen zu erklären, was ein Streitwert ist. Selbst wenn es die meisten verstehen, kriegen sie ja gleich ein tolles Gefühl: Strengt sich mein künftiger Anwalt proportional zum Streitwert an?
Letztlich ist ein zufriedener Mandant auch in einer kleinen Sache ein künftiger Mandant. Wer weiß, welchen Ärger er nächste Woche hat? Oder wen er kennt. Zufriedene Mandanten, die ihren Anwalt empfehlen, sind immer noch die beste Quelle für neue Mandanten.
3. Wie soll man dann mit kleinen Mandaten umgehen?
Machen statt jammern. Ich persönlich fahre am besten damit, dass ich gar nicht groß an den Gegenstandswert denke. Wenn eine Sache auf dem Tisch liegt, wird sie – so der gute Vorsatz – ordentlich bearbeitet. Ist auch gar nicht so schwierig, denn ein kleiner Gegenstandswert bedeutet ja nicht unbedingt, dass die Sache juristisch oder verhandlungstechnisch uninteressant ist.
Trotzdem lehne ich schon mal Mandate ab. Wenn ich das Rechtsgebiet nicht beherrsche. Und wenn ich gleich merke, dass ich mit diesem Mandanten nicht klarkommen werde.