Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)
Archiv für den Monat: März 2004
AUF EIGENE GEFAHR
Mit einem Warnschild „Auf eigene Gefahr“ kann man sich allenfalls für leichte Fahrlässigkeit freizeichnen. Das Oberlandesgericht Bamberg verurteilte deshalb eine Parkplatzinhaberin, weil ein Besucher auf einer eisglatten Rampe ausgerutscht war (beck-aktuell). Das Schild sei unbeachtlich, weil der Betreiberin grob fahrlässig gehandelt habe.
GRÜNE KARTE
GRÜNE KARTE
Wer in Deutschland in einen Unfall mit einem ausländischen Wagen verwickelt ist, sollte sich immer zuerst an das Deutsche Büro Grüne Karte e.V. wenden. Diese Einrichtung der deutschen Versicherer übernimmt normalerweise die komplette Abwicklung des Schadens und lässt sich, sofern erforderlich, sogar verklagen. In der Regel ist ein Unfall mit Auslandsberührung dann so unproblematisch wie ein normaler Schaden in Deutschland.
VIDEO-VERNEHMUNG
Der Bundestag hat das Opferrechtsreformgesetz beschlossen. Das Gesetz soll es Verletzten erleichtern, Schmerzensgeld und Schadensersatz direkt im Strafprozess zu verlangen. Dieses Ädhäsionsverfahren war zwar auch bisher möglich. Die Gerichte haben es jedoch stiefmütterlich behandelt.
Außerdem werden die Möglichkeiten zur Videovernehmung erweitert. Das soll Geschädigten eine nochmalige Vernehmung in der folgenden Instanz ersparen. Interessant und gleichermaßen zweifelhaft ist auch die Möglichkeit, Verdächtige aus Gründen des Opferschutzes direkt am Landgericht anzuklagen, weil es dann keine zweite Tatsacheninstanz gibt.
Näheres in einer Information des Bundesjustizministeriums (PDF).
Eine Reform. Mal wieder. Hat den Politikern eigentlich noch niemand gesagt, dass es in den allermeisten Gerichtssälen keine Videoanlagen gibt? Und erst recht niemanden, der sie ordentlich bedienen kann? Auch in Kriminalkommissariaten ist die moderne Technik noch nicht angekommen.
Falls wider Erwarten auch Geld für die hochtrabenden Pläne zur Verfügung gestellt wird, sollte es ohnehin zunächst bei der Polizei investiert werden. Wenn jede Vernehmung auf Video zeitecht aufgezeichnet müsste und alles, was nicht vor der Kamera gesagt wird, unververwertbar wäre, könnte der Rechtsstaat nur gewinnen. Dann wäre endlich Schluss mit den gar nicht seltenen Vernehmungsprotokollen, die mit dem Wunschdenken der Beamten mehr zu tun haben als mit dem, was der Beschuldigte wirklich gesagt hat.
Update: Strafverteidiger protestieren gegen die Neuregelung.
NACHTFALKE
Telepolis wittert Betrug beim „Nachtfalken“ auf Tele 5. Akribisch weist der Autor, der sich freimütig zum spontanen Wählen der gebührenpflichtigen 01379er-Nummer bekennt, in einem konkreten Fall die Publikumsverarschung nach.
(Danke an Mathias Schindler für den link)
JURISTEN-POESIE
Aus dem koewi.log, entdeckt von Mathias Schindler.
KURPRIVILEG
Trinkgelder bei Kuren sind steuerlich nicht mehr absetzbar. Der Bundesfinanzhof entschied laut beck-aktuell jetzt gegen ein Ehepaar, das den Tip für das Hilfspersonal bei einer Bäderkur von der Einkommenssteuer absetzen wollte. Kernargument: Auch wenn er kein Trinkgeld erbringe, habe der Steuerpflichtige Anspruch auf eine sachgemäße Behandlung seiner Krankheit. Bislang hatten die Finanzbehörden Trinkgelder anerkannt.
ZWEIEINHALB GLÄSER WEIN
ZWEIEINHALB GLÄSER WEIN
Warum sollte ich trotz Promistatus (semi) mit einem Anwalt sprechen – bevor ich einer Boulevardzeitung Interviews gebe? Was muss ich tun, um meinen Führerschein auf Lebenszeit zu verlieren (wegen charakterlicher Ungeeignetheit)? Gibt es auch Polizeigewalt, die nicht auf Willkür beruht? Antworten stehen hier.
FAHRERFLUCHT
Zettel am Auto eines Mandanten, der vor unserer Tür geparkt hat:
Ich habe Ihre Stoßstange angefahren. Tut mir schrecklich leid. Bitte ab 19 Uhr melden bei G. , Tel. 0211-49….
Abgesehen davon, dass neben der Stoßstange auch der Kotflügel rasiert ist, reicht so ein Zettel nicht – auch nicht bei kleinen Schäden. Das ist vielmehr ein klarer Fall von Verkehrsunfallflucht und kostet aller Voraussicht nach den Führerschein, wenn der Geschädigte die Polizei ruft. Bei einem Schaden von 1.500 Euro kann die Sperre locker sechs bis neun Monate betragen.
HATTEN SIE EINEN ORGASMUS?
BILD wittert einen neuen Justizskandal:
Birte M.* (27), Opfer eines brutalen Sexverbrechens, musste sich im Prozess von der Anwältin des mutmaßlichen Täters die Frage anhören: „Hatten Sie einen Orgasmus?“
Ein gut aussehender Mann soll auf der Straße Frauen angesprochen haben. Sie sollen ihm ihre Telefonnummern gegeben haben. Auf späteren Treffen soll es dann zu Vergewaltigungen gekommen sein.
Die Verteidigern sieht Anhaltspunkte, dass die sexuellen Kontakte einvernehmlich waren. Die Frage ist, wenn sie so gestellt wurde, sicher reichlich plump. Aber „abstoßend, menschenverachtend und widerwärtig“, wie es die Staatsanwältin nennt? Immerhin soll der Mann nach ihren Vorstellungen fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis.
FIFFI ERBT NICHT
Hunde sind keine rechtsfähigen Personen und können deshalb auch nicht erben. Mit dieser Begründung enttäuschte das Landgericht München nach einem Bericht des Anwalt-Suchservice eine Frau, die den testamentarisch bedachten Hund Berry nach dem Tod der Besitzerin aufgenommen hatte.
VIELEN DANK
Oh, Mann. Da war ich doch glatt zu spät. 4 Minuten. Was so ein richtiges Strafgericht am Niederrhein jedoch nicht daran hindert, mit der Sitzung zu beginnen. Sicher, Anwälte und Zeugen lässt das Gericht gerne warten. Notfalls stundenlang. Aber wenn ein Anwalt von auswärts anreist, fängt man pünktlich an. Auf die Minute. Oder sogar eine zu früh, wie mir mein Mandant erzählte.
Lustig wird es, wenn der Herr Gerichtsvorsitzende mit vorwurfsvollem Blick ins Protokoll diktiert: „Nunmehr erscheint auch Rechtsanwalt Vetter aus Düsseldorf als Verteidiger des Angeklagten zu 2).“ Vielen Dank. Damit hat sich das Gericht einen zwingenden Aufhebungsgrund nach § 338 Ziff. 5 Strafprozessordnung nicht nur gezimmert, sondern ihn auch noch beweiskräftig festgehalten. Denn angeklagt ist in dieser Sache ein Verbrechen (Delikt mit einer Mindeststrafe von einem Jahr). Hier darf nicht mal eine Minute ohne die Anwesenheit eines Verteidigers verhandelt werden.
Jetzt muss man nur noch in einem günstigen Augenblick dafür sorgen, dass dem Herrn Vorsitzenden nachträglich ein Licht aufgeht. Vielleicht gibt´s dann aus Angst vor schenkelklopfenden Richtern am Revisionsgericht ein so mildes Urteil, dass sich ein Rechtsmittel gar nicht mehr lohnt.
IMPRESSUM
Wie halten es die gestrengen Gerichte eigentlich mit dem Impressum auf ihrer eigenen Website? Eine aufschlussreiche Untersuchung von Silke Schümann.
ROLF UND DIE FOLGEN
(c) wulkan www.wulkan-comic.de
ABWERBUNG
Personalberater dürfen Abwerbekandidaten am Arbeitsplatz anrufen. Einmal. Und das Gespräch muss kurz sein. So hat es der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil entschieden.
(Danke an Mathias Schindler für den Hinweis)