Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)
Archiv für den Monat: März 2004
VERBOTEN
Im Prozess um die seit knapp drei Jahren vermisste Peggy hat die Verteidigung der Polizei vorgeworfen, sie habe den (geistig zurückgebliebenen) Angeklagten mit einem Täuschungsmanöver zu einem Geständnis bewogen. Beamte hätten dem beschuldigten Gastwirtssohn eröffnet, man habe Blutspuren an seiner blauen Arbeitsjacke entdeckt. Tatsächlich habe der Gerichtsmediziner aber nur vom Verdacht von Blutanhaftungen gesprochen. Laut Spiegel online haben zwei Beamte das in der Hauptverhandlung eingeräumt.
Täuschung ist eine verbotene Vernehmungsmethode (§ 136a Strafprozessordnung).
KLEINKRIMINALITÄT
KLEINKRIMINALITÄT
In Bochum hat sich ein Dieb selbst in einem Altkleidercontainer gefangen. Erst die Polizei konnte ihn befreien. Der Express berichtet – mit Bildern vor der Befreiung.
VOLKSVERHETZUNG?
„Stoppt den Synagogenbau – Vier Millionen fürs Volk!“ Mit diesem Motto hatte die NPD zu einer Demonstration in Bochum aufgerufen. Das Bundesverfassungsgericht bewertete laut beck-aktuell das Motto jedenfalls nach summarischer Prüfung als Volksverhetzung. Deswegen überwiege das öffentliche Interesse am Verbot der Veranstaltung, so dass die NPD keine aufschiebende Wirkung für ihren Widerspruch bekomme. Damit ist die Demonstration faktisch verboten.
Das flugs geänderte Motto lautet: „Keine Steuermittel für den Synagogenbau! In Bochum soll eine Synagoge gebaut werden. Wir sagen Nein!“ Diesen Aufruf stuft das Bundesverfassungsgericht nicht als volksverhetzend ein.
Als Befürworter weitestgehender Meinungsfreiheit lasse ich es mal offen, ob man auf den ersten Slogan wirklich mit der Keule der Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch) eindreschen muss. Die Messlatte für künftige Verbote wird hier jedenfalls ziemlich niedrig gehängt.
VERABSCHIEDET
Der umstrittene europäische Haftbefehl kommt. Der Bundestag hat das entsprechende Gesetz verabschiedet.
Undurchsichtiger als das bisherige Auslieferungsrecht kann es ja kaum werden.
KAMPAGNE
Studenten entwerfen laut Spiegel online eine Kampagne für den Weißen Ring. Herausgekommen ist unter anderem dieses Plakat:
Ob man mit solchen (Stil-)Mitteln Bewusstsein schafft? Ich habe da so meine Zweifel.
NICHTS ZU BEFÜRCHTEN
NICHTS ZU BEFÜRCHTEN
Aus dem Fax eines Schuldners:
Ich bin wegen Betrug und Untreue vorbestraft. Außerdem habe ich die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Bitte verschonen Sie mich mit weiteren Mahnungen.
Zufällig habe ich erfahren, dass der Gute zwei Straßen weiter eine Wohnung angemietet hat. Der Vermieter tut mir jetzt schon leid.
PANNE
Gründlich über das Ziel hinaus schießt eine Fahndungsseite des Bundeskriminalamtes. Die Behörde plaudert dort so viele Details über einen Doppelmord aus, dass die Staatsanwaltschaft Mainz regelrecht angesäuert ist. Näheres berichtet die Allgemeine Zeitung.
HOSE RUNTER
Verteidiger müssen sich beim Besuch einer Justizvollzugsanstalt mit einer Metallsonde untersuchen lassen, sofern ein Durchlauf-Metalldetektor ein Signal liefert. Allerdings darf der Verteidiger nicht weiter abgetastet oder sogar zum Entblößen seines Körpers gezwungen werden, wenn auch die Sonde keine eindeutige Quelle für das Signal liefert. Mit diesem Beschluss vom 13. Januar 2004 (PDF) zieht das Oberlandesgericht Nürnberg übereifrigen Justizbeamten deutliche Grenzen. Im konkreten Fall hatten sie die Verteidigerin noch gezwungen, ihre Beine zu spreizen, die Hose bis unter das Gesäß und die Bluse bis über den BH zu ziehen. Außerdem stellt das OLG Nürnberger erneut fest, dass das Durchblättern der Handakte des Verteidigers unzulässig ist.
KAISERSCHNITT
Eine 29-jährige Frau steht in den USA unter Mordanklage, weil sie einen Kaiserschnitt verweigert hat. Angeblich wollte sie auf keinen Fall Narben auf dem Bauch. Dabei blieb sie auch, als die Ärzte sie auf die Lebensgefahr für ihre ungeborenen Zwillinge hinwiesen, berichtet der Express.
ILLEGAL
Der Prozess gegen Sänger R. Kelly steht vor dem Aus. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung hat der Richter entschieden, dass die belastenden Videos im Prozess nicht verwendet werden dürfen. Die Polizei habe das Material rechtswidrig erlangt, als sie ohne ausreichenden Grund Kellys Haus durchsuchte.
In Deutschland würden die Gerichte um so was einen Affentanz veranstalten, der letztlich zu Lasten des Angeklagten ausgeht. Zwar werden Durchsuchungen nach Grundsatzurteilen des Bundesgerichtshofes mittlerweile häufig für rechtswidrig erklärt. Zu einem Verwertungsverbot führt das aber in den wenigsten Fällen.
Bei uns wird nämlich eine „Gesamtabwägung“ für erforderlich gehalten. Auf der einen Seite stehen die Verfahrensrechte des Beschuldigten, auf der anderen Seite das Strafinteresse des Staates. Mit den Floskeln „erhebliche kriminelle Energie“ und „Höhe der Strafdrohung“ wird es dann regelmäßig gerechtfertigt, dass rechswidrig gewonnene Beweise gegen den Beschuldigten verwendet werden können.
Deshalb werden bei uns auch munter weiter Wohnungen und Firmen wegen „Gefahr im Verzug“ durchsucht. Die Ermittler wissen längst, dass ihnen zwar per Gerichtsbeschuss die Rechtswidrigkeit bescheinigt wird, dies aber meistens keine Auswirkung auf den späteren Prozess hat.
Na ja, wir haben Jahrzehnte darauf gewartet, dass Beschwerden gegen bereits vollzogenene Durchsuchungen überhaupt zulässig werden. Jetzt können wir nur darauf hoffen, dass sich in unserem Land mutige Strafrichter finden und illegal gewonnene Beweise einfach nicht mehr akzeptieren.
DEPPENBILDSCHIRM
Endlich gibt es den „Deppenbildschirm“. Speziell für Juristen. Außerdem geplant: Browser, die nur sichere Informationen aus dem Intranet anzeigen, Links, die nicht funktionieren und Computer, auf denen zum Schutz vor Raubkopien keine Programme installiert werden können.
GERICHTSSTEMPEL BEI EBAY
Bei ebay gibt es bis morgen noch einen Stempel des Amtsgerichts Hamburg zu ersteigern. Auch wenn es keiner mit Dienstsiegel ist, bezweifle ich, dass sich fritz-frutz (bisher 0 Bewertungen) mit dieser Auktion eine Freude macht.
NICHTS GEMERKT
Wer versehentlich eine farbige statt einer schwarzen Druckerpatrone kauft, kann diese nicht zurückgeben, wenn er den Irrtum bemerkt. Dies hat das Amtsgericht Daun zumindest für den Fall entschieden, dass die Patrone bereits geöffnet war. Durch das Aufreißen der Verpackung erlösche das an sich vorhandene Rücktrittsrecht zwar nicht. Jedoch müsse die Käuferin ihrerseits dem Verkäufer nach dem Gesetz Wertersatz für die unverkäufliche Patrone leisten, weil sie fahrlässig die Verwechslung nicht bemerkt habe. Immerhin stehe groß auf der Packung drauf, welche Farbe die Patrone hat. (AG Daun, Beschluss vom 22.12.2003, AZ: 3 C 222/03)
STRANGE
Verstößt der Versand einer unverschlüsselten e-mail mit MS Outlook Express gegen den Datenschutz? Wer Spaß an skurrilen juristischen Streitigkeiten hat, kann sich hier über 44 Seiten (PDF, 6 MB) durchaus amüsieren.