Düsseldorfs Justizbunker ist fertig, berichtet AFP. Das bestgesicherte Gerichtsgebäude der Republik hat sogar einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach, so dass Angeklagte und gefährdete Zeugen eingeflogen werden können. Von mir ist in nächster Zeit kein Bericht aus dem 32-Millionen teuren Bau vor den Toren der Stadt zu erwarten. Terroristen und politisch motivierte Gewalttäter gehören derzeit nicht zu meinem Mandantenkreis.
Archiv für den Monat: Februar 2004
HOCHZEITSNACHT
Ein randalierender Bräutigam musste in Braunschweig seine Hochzeitsnacht in der Ausnüchterungszelle verbringen. Laut Angaben der Polizei soll die Braut darüber noch nicht mal böse gewesen sein. Die Feiernden gehörten der rechten Szene an, so der Bericht in rp-online.
ZERO EVOLUTION
… und spähte durch das Glas auf die dunklen Regale. „Der längste und kostspieligste Prozess in der der Geschichte des Vatikans. Vierzehn Jahre und sechshundert Millionen Lire. Es steht alles hier.“
„Ein paar Gerichtsakten?“
„Ich schätze, Anwälte haben sich im Lauf der Jahrhunderte nicht weiterentwickelt.“
„Genauso wenig wie Haie.“
Dan Brown, Illuminati, S. 263
GETRÖDELT
GETRÖDELT
Gerade Verwaltungsgerichte haben ein Talent darin, unbeliebte Sachen nicht zu bearbeiten. Über einen Fall hatte jetzt laut beck-aktuell das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden. Ein Frau beantragte wegen einer Sozialhilfesache Prozesskostenhilfe. Das Verwaltungsgericht machte dreieinhalb Jahre nichts. Die Beschwerdeinstanz blieb fast zwei Jahre untätig. Und dann wurden die Anträge der Frau auch noch ohne Rückfragen zurückgewiesen, weil den Richtern einige Angaben fehlten.
Das Bundesverfassungsgericht kritisiert nicht nur die Untätigkeit der Richter. Es findet auch deutliche Worte dazu, dass die Sache dann mit formalen Tricks abgewürgt wird – statt der Antragstellerin Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben.
Ein krasser Ausnahmefall? Ich wette, jeder der hier mitlesenden Anwälte und einige Betroffene haben schon ähnliches erlebt.
PROZESSALLTAG
Heute morgen mit erlebt, wie Josef Ackermann am Landgericht Düsseldorf aus einem schwarzen Daimler gefedert ist. Beruhigt zur Kenntnis genommen, dass selbst Starverteidiger ihre Akten selbst schleppen müssen. Und einen etwas verwirrten Blick ob der Leere rundherum registriert. Was, heute nicht mal Kameras? Der Prozessalltag hat offenbar begonnen.
Wenn man liest, was die ersten Zeugen aussagen, dürfte der angekündigte Verzicht auf weitere Victoryzeichen keine falsche Entscheidung sein.
Update: „We need to do this the chinese way“. Das manager-magazin protokolliert detailliert den letzten Prozesstag. Und zitiert einen Satz, der in unserer Geschäftswelt garantiert sehr beliebt werden wird.
KARRIERECHANCE
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag sucht 375 Mitarbeiter. Offene Stellen gibt es nicht nur für Juristen, sondern unter anderem auch für SAP-Berater und Büropersonal. Einzelheiten und eine Linkliste in der Süddeutschen Zeitung.
KEINE HAFTUNG
Immer wieder ein beliebter Zusatz auf Anwaltsbriefbögen:
Telefonische Auskünfte sind unverbindlich.
Entweder gebe ich telefonische Auskünfte. Und hafte dafür. Oder ich schreibe nur Briefe. Aber telefonieren und dann nichts davon wissen wollen? Kommt mir seltsam vor. Noch dazu ist der Vorbehalt als „Allgemeine Geschäftsbedingung“ natürlich so was von unwirksam. Da muss man sich ernsthaft fragen, wie einem der Anwalt zum Beispiel mit Verträgen kompetent weiter helfen soll, wenn er in eigener Sache solche Schrottklauseln verwendet.
Mildernde Umstände gibt es nur für die paar tausend Kollegen, die sich den Satz ebenso wie die Kaiser-Wilhelm-Schrifttype auf dem Briefbogen und einige tüttelige Omas als Mandanten im Wege des Praxiskaufes von ihrem Vorgänger haben andrehen lassen.
FATHER AND SON
Mit den Worten „Den könnt Ihr behalten!“ hat sich ein Vater im sauerländischen Brilon geweigert, seinen 24-jährigen Sohn aus der Polizeizelle auszulösen. Der junge Mann musste wegen Betrugs 400 Euro Geldstrafe zahlen oder für 20 Tage ins Gefängnis einrücken, wie ein Polizeisprecher am Donnerstag mitteilte. Nachdem der Vater nicht die Geldstrafe seines Stammhalters bezahlen wollte, wurde dieser in die Justizvollzugsanstalt Bielefeld eingeliefert.
FÄLSCHUNG
FÄLSCHUNG
Ziemlich erstaunt war einer meiner Mandanten, als er eine „Monatsabrechnung“ der Firma StarCom aus Berlin erhielt. Er hatte noch nie was von dem Unternehmen gehört. Auf Nachfrage erfuhr er, dass er einen Preselection-Vertrag für seinen Telefonanschluss abgeschlossen haben soll.
Hat er aber nicht. StarCom übersandte eine Kopie des angeblichen Vertrages. Eindeutig eine plumpe Fälschung. Die Unterschrift entspricht nicht der meines Mandanten. Und es sind lediglich die Daten ausgefüllt, die man einigermaßen einfach ermitteln kann. Die Kontonummer im Abbuchungsvertrag fehlt zum Beispiel. Auch ein Tarif ist nicht angekreuzt. Beim Datum fehlt die Jahreszahl.
Der Hinweis, dass es sich um eine Fälschung handelt und Strafanzeige erstattet wurde, ficht StarCom nicht besonders an. Vielmehr wird mein Mandant unter Fristsetzung zum 6. Februar 2004 aufgefordert, eine Kopie der Strafanzeige zu übersenden, „damit die Angelegenheit bei uns weiter bearbeitet werden kann“. Ansonsten wird mit dem Forderungseinzug durch das Phönix Inkassobüro gedroht.
Mal abgesehen davon, dass die Polizei grundsätzlich keine Kopien von Anzeigen oder Vernehmungen rausrückt (mit Ausnahme einer – kostenpflichtigen – Akteneinsicht über Anwälte), stellt sich natürlich die Frage, was sich StarCom von der Anzeige für Rückschlüsse erwartet. Sollte man nicht eher annehmen, dass die Firma ankündigt, sie werde sich den Vertreter, dem sie ja immerhin Provision gezahlt haben dürfte, mal zur Brust nehmen? Oder gar selbst Strafanzeige erstatten?
Interessant auch die versuchte Umkehr der Beweislast. Mein Mandant muss nicht beweisen, dass er das Papier nicht unterzeichnet hat. Vielmehr muss StarCom in einem möglichen Prozess belegen, dass die Unterschrift von meinem Mandanten stammt.
DIE BERATER
Die Zeit berichtet in einem interessanten Artikel über die „Berater-Republik“:
In den folgenden Wochen, berichten niedersächsische Haushaltsfachleute, hätten die Berater vor allem graue Aktenblätter in bunte Präsentationsfolien umgearbeitet. Der damalige Präsident des Landesrechnungshofs, Wolfgang Meyerding, schätzt, zwei Drittel des kostspieligen und als vertraulich eingestuften Haushaltsgutachtens, das der ZEIT vorliegt, bestünden aus nichts anderem als aus der bekannten Expertise der Verwaltung. „Der Erkenntniswert für Insider war gering, der Anschein eines Konsolidierungskonzepts für die Regierung war groß.“
Eine beachtliche Leistung, vor allem bei einem doch eher mickrigen Tagessatz von 2.500 – pro Berater.
(link gefunden im Handakte WebLAWg)
Update: Sigmar Gabriel, der sich im Bericht der Zeit kritisch äußert, soll mit Steuergeldern einen PR-Berater bezahlt haben, der ihm Auftritte in bundesweiten Talkshows verschaffen sollte. Näheres in der FAZ (via jurabilis).
NEUBAU
Mathias Schindler, der den law blog immer mit interessanten links gefüttert hat, bloggt jetzt selbst – im Neubau.
VOGELHÄUSCHEN
VOGELHÄUSCHEN
Mit einem nachgebauten Starenkasten schreckt eine Familie im Raum Bonn Autofahrer vom Rasen ab. Die Stadt Königswinter hat sich das „Vogelhäuschen“ angesehen und hält die Attrappe für erlaubt. Laut Express stellt die täuschend echt wirkende Kiste keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar.
Wenn es den ersten Verletzten nach einem Panikbremser gibt, könnte diese Auffassung allerdings unter Beschuss geraten.
MER STELLE UNS DUMM
Schreiben der Staatsanwaltschaft Düsseldorf:
… in o.g. Ermittlungsverfahren wird angefragt, ob Sie noch Kontakt zu Ihrem Mandanten haben und den derzeitigen Aufenthaltsort kennen. Es wird um Mitteilung gebeten.
Antwort:
… in dieser Angelegenheit bin ich nach wie vor als Verteidiger tätig. Sie treffen meinen Mandanten tagsüber in der Trattoria XY, wo er als Küchenhilfe arbeitet. Wenn Sie ihn lieber nachts verhaften wollen, versuchen Sie es in der Wohnung seiner Stiefmutter M-Straße 48. Oder bei seiner Freundin Caroline S., T-Straße 35.
Die Anfrage ist echt. Die Antwort ein Scherz.
BGH VS. BILD
BGH VS. BILD
Streit. Ein ungewöhnlicher noch dazu.
Das zweithöchste deutsche Gericht, der Bundesgerichtshof (BGH), schimpft beim Presserat über die BILD-Zeitung. BILD hatte massiv ein Urteil des BGH kritisiert, das zur Freilassung eines vorbestraften Vergewaltigers führte. Der Mann hatte im Schwimmbad zwei Mädchen an den Po gefasst und dafür vom Landgericht Bochum zwei Jahre Haft kassiert. Mit anschließender Sicherungsverwahrung!
Der BGH hob dieses Urteil als überzogen auf. Kurze Zeit später vergewaltigte der Mann eine Frau. BILD reagierte mit Wertungen wie „Saustall Justiz“ und „Skandalrichter“. Auf einem Foto waren die BGH-Richter mit Augenbalken wie Verbrecher abgebildet.
BGH-Präsident Günter Hirsch meint laut beck-aktuell, diese Berichterstattung sei nicht mehr durch die Pressefreiheit gedeckt. Hirsch: „Dem Opfer gehört unser ganzen Mitgefühl. Aber hierfür den BGH verantwortlich zu machen, der nach Recht und Gesetz entschieden hat, ist polemisch.“
Chefredakteur Kai Diekmann schießt zurück. Der BGH habe „gegen alle Warnungen von Polizei und Sachverständigen die Freilassung eines schwerstkriminellen sexuellen Serientäters veranlasst. Hierüber und über die berechtigte Empörung des Opfers über eine derartige Rechtsprechung haben wir in aller Schärfe berichtet. Der Fall dokumentiert die Entfremdung zwischen Bürgern und Justiz – solche Urteile sind nicht mehr vermittelbar.“ Diekmann gibt sich siegessicher: Auch der Presserat wisse, „dass in diesem Land die Justiz von Kritik nicht ausgenommen ist“.
Warum spielen die Richter die beleidigte Leberwurst? Jeder läuft Gefahr, von der Boulevardpresse mal durchgenudelt zu werden. In so einem Fall auf Ehre des hohen Hauses zu pochen und Respekt für die Justiz einzufordern, vergrößert doch die Verbitterung. Und weckt tatsächlich ein bisschen den Eindruck, die Richter hätten in der Sache nichts entgegen zu setzen.
Vor diesem Hintergrund können die Richter mit ihrer Eingabe an den Presserat nur verlieren. So oder so.
WERBUNGSKOSTEN
Kosten einer Promotion können als Werbungskosten abgesetzt werden, wenn der Doktortitel konkreten Nutzen für die Karriere hat. Mit dieser Entscheidung ändert der Bundesfinanzhof seine langjährige Rechtsprechung.
(Quelle: beck-aktuell)