76 FÄLLE

76 FÄLLE

Die Ärztin Mechthild B. aus Langenhagen, gegen die wegen fahrlässiger Tötung in 76 Fällen ermittelt wird, hat ihre Patienten meist nicht ausreichend aufgeklärt. Schwer kranke Opfer erfuhren offenbar weder, dass sie an einer unheilbaren Krankheit leiden, noch wussten sie von der tödlichen Wirkung der Schmerztherapie.

Mehr über die Halbgöttin in Weiß bei Spiegel online.

TRAUM

Anwalt in einer internationalen Großkanzlei – davon träumt der juristische Nachwuchs. Ich habe noch Kontakt zu einigen Studienkollegen, die sich damals für internationale Kanzleien entschieden haben. Dass viel Arbeit auf sie zukommt, haben sie ja geahnt. Was ihnen aber nicht klar gewesen zu sein scheint, ist die meistens anzutreffende Atmosphäre: Frostig und unkollegial geht es zu, weil jeder auf die knappen Partnerschaften schielt.

Mit Ende 30 haben es bislang nur 2 an die Futtertröge geschafft. Aber auch das scheint zu spät, denn die Rendite hat sich drastisch verschlechtert, weil ständig neue Büros eröffnet wurden. Gleichzeitig gibt es immer weniger Aufträge, noch dazu schlechter bezahlt, denn viele Kunden wandern einfach ab, wenn die ebenso renommierte Konkurrenz mit satten Rabatten auf die Stundensätze lockt.

Was aber grausam und zermürbend sein muss, sind die internen Willensbildungsprozesse. Wie bizarr es dabei zugehen muss, mag ein aktuelle Beispiel zeigen. Die Kanzlei PwC Veltins verliert ihren Namenspatron. Auf welchen Namen einigen sich die verbleibenden Partner? Die Kanzlei wird laut Juve Nachrichtendienst (via jurabilis) künftig schlicht unter Heussen firmieren. Und das, obwohl beim neuen Namensgeber schon feststeht, dass er Mitte 2004 nicht mehr aktiv in der Firma arbeiten wird.

Aus der gleichen Meldung:

Aus dem Umfeld der Kanzlei wurde bekannt, dass im Zusammenhang mit der Neustrukturierung mehreren Partnern in München, Frankfurt und Stuttgart gekündigt wurde. Im Zuge des Umbruchs der letzten Monate, waren auch Informationen über aufgelaufene Verbindlichkeiten in Millionenhöhe aufgekommen.

DUFTKERZEN

Nicht jeder Mieter oder Miteigentümer darf nach Belieben Duftkerzen im Treppenhaus abbrennen. Oder Parfümöl versprühen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf untersagte einem Wohnungseigentümer, seine Nachbarn einzuduften. Begründung des Gerichts: Vom gemeinschaftlichen Eigentum darf man nur so weit Gebrauch machen, wie es die anderen nicht stört.

Was mir zu denken gibt: Die beiden Vorinstanzen hatten nichts gegen die Geruchsattacke einzuwenden.

(Anwalt-Suchservice, gefunden über Vertretbar.de)

ERMAHNUNG

Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Entfernung einer bloßen Ermahnung oder schriftlichen Rüge aus der Personalakte. Das hat das Arbeitsgericht Frankfurt entschieden. In dem der Personalakte beigelegten Ermahnungsschreiben hatten die Vorgesetzten Arbeitsmängel bei der Buchführung festgehalten.

Genauere Angaben dazu oder eine Kündigungsandrohung für den Wiederholungsfall enthielt das Schreiben jedoch nicht. Damit rührt es laut Urteil nicht am Status des Arbeitsverhältnisses, wie zum Beispiel eine Abmahnung mit Kündigungsandrohung. Deshalb habe ein Arbeitnehmer auch nur in Ausnahmefällen ein Recht auf Entfernung, etwa bei ehrverletzenden Behauptungen.

(Quelle: Anwalt-Suchservice)

REISEN BILDET

Bei Sprachkursen und sonstiger Fortbildung im Ausland vermuteten die Finanzämter bisher immer ein Privatvergnügen. Deshalb konnten die Kosten nicht steuerlich abgesetzt werden. Der Bundesfinanzhof hat jetzt entschieden, dass es mit der Dienstleistungsfreiheit im vereinten Europa nicht mehr zu vereinbaren ist, Fortbildung im Ausland zu diskriminieren. Näheres bei beck-aktuell.

Klingt unspektakulär, kann aber weit reichende Folgen haben. Wer ist jetzt noch daran gehindert, zur Spanien- oder Italienreise, gemeinhin auch Jahresurlaub genannt, gleich noch ein Weiterbildungsprogramm vor Ort zu buchen und das ganze von der Steuer abzusetzen? Oder der Wochenendtrip nach London. Lässt sich doch prima mit einigen Stunden Fachkunde aufmotzen.

Ich denke an Strafprozessrecht auf Mallorca. Oder Kündigungsschutz in den Alpen. Mit 50%-iger Beteiligung des Finanzamtes bekommt sogar ein Urlaubsmuffel wie ich Lust, die einschlägigen Kataloge zu wälzen.

PINGUINE

Heute morgen am Landgericht. Eine Prozesspartei hatte ihren Sohn mitgebracht. Während vorne 10 Pinguine vor dem Richtertisch in der Schlange warteten, verstellte der muntere 8-jährige mal locker, still und heimlich die Zahlenkombinationen von 2 Anwaltskoffern. Als die Kollegen später ihre Akten verstauen wollten, gab es lange Gesichter. Der Kleine saß längst wieder bei Mama und Papa. Mit seiner perfekten Unschuldsmiene könnte er sich das Jurastudium glatt sparen…

Nachtrag: Handakte WebLAWg greift das Stichwort Pinguine auf und zeigt ein Musterbeispiel anwaltlicher Taktik:

ANWALTSSCHICKSALE

Drogen sollten sorgfältig aufbewahrt werden. Sonst fallen sie schon mal aus der Tasche. Pech, wenn dies im Gerichtssaal geschieht. Doppeltes Pech, wenn man Anwalt ist. Die ganze Story. (link via shithappens.)

Passend dazu das Schicksal eines Bonner Strafverteidigers . Der Kollege zählt auch angebliche Drogenbosse zu seinen Mandanten. Die Staatsanwaltschaft fand jetzt in seiner Garage unter einem Stapel Reifen und alten Lappen einen Hartschalenkoffer mit 3,5 Millionen US-Dollar in bar. Der Anwalt tauschte darauf hin seine Kanzlei auf der Adenauerallee mit der Gefängniszelle. Nachzulesen im Express.

UNMENSCHLICH

Ein Strafgefangener, berichtet beck-aktuell, war für einen Zeitraum von zwei Monaten gemeinsam mit einem weiteren Gefangenen in einem Haftraum mit einer Grundfläche von circa 7,5 Quadratmetern und einer nur durch eine circa 80 cm hohe Vorstellwand abgetrennten Toilette ohne separate Entlüftung untergebracht. Die Türen des Haftraums wurden täglich für vier Stunden geöffnet.

So geht es nicht, entschied jetzt ein Gericht. Die Unterbringung in einer doppelbelegten Einzelzelle mit offener Toilette stelle eine Brechung menschlicher Subjektivität unter Verletzung der körperlichen und psychischen Identität und Integrität dar, betonten die Richter. Die vorhandene Schamwand biete weder hinreichenden Sicht- noch Geruchsschutz, so dass im Falle der Toilettenbenutzung durch einen Gefangenen in unzumutbarer Weise beiden Gefangenen jeder Rückzugsraum genommen, in ihre Intimsphäre eingegriffen und ihre Menschenwürde negiert werde.

Schauplatz ist übrigens nicht Südamerika. Sondern Hessen.