ERFRISCHEND

Meist ist es nur die Sonne, die in den Sitzungssälen des Verwaltungsgerichts dafür sorgt, dass es heiß hergeht. Die Behäbigkeit dieses Gerichtszweiges ist ja legendär.

Für Klimaanlagen hat das Geld offensichtlich nicht gereicht. Dafür stehen in einigen Sälen jetzt nagelneue Standventilatoren mit Fernbedienung. Natürlich absolutes Baumarkt-Lowtech, ähnlich wie dieses Modell.

Die Prozessbeteigten betreten den Sitzungssaal, bleiben aber weitgehend unbeachtet. Denn oben auf der erhöhten Sitzbank stecken 4 männliche Richter die Köpfe zusammen und grübeln, wie sie ihr neues Spielzeug in Betrieb setzen können. Dass die einzige Frau im Bunde kein Strickzeug rausholt, ist ein Wunder.

Während wir unten unsere Akten auspacken, wird oben diskutiert. „Stufe 3? Das macht sicher zu viel Wind.“ „Wie kriegt man das Ding dazu, sich zu drehen?“ „Sie müssen hier drücken, Herr Vorsitzender.“ „Ach was, lassen sie mal die Finger von, geben sie mir lieber die Gebrauchsanleitung.“

Dann erleben wir den Praxistest. Der Ventilator setzt sich auf Knopfdruck in Bewegung – und pustet erst einmal unsere Notizzettel vom Tisch. Der Vorsitzende entschuldigt sich wortwitzig „für die Turbulenzen“ und gibt an seinen Adlatus ab. „Machen sie die Feineinstellung, wir fangen schon mal mit der Sache an.“

Nach einigen Neupositionierungen läuft der Ventilator tadellos. Aber in einem Gerichtssaal von der Größe eines Tennisplatzes kann er natürlich keine spürbare Erleichterung schaffen. Alle Beteiligten schwitzen in ihren Roben genauso wie in ventilatorlosen Zeiten. So wie das Ding nach einer halben Stunde knarzt, dürfte seine Lebenserwartung ohnehin nur bei 3 bis 8 Tagen liegen.

Also wieder mal kein frischer Wind in unseren Gerichtssälen. Aber hat jemand etwas anderes erwartet?

SCHLÄUCHE ODER WÜRDE

SCHLÄUCHE ODER WÜRDE

Wer schon mal einen sterbenskranken oder tödlich verletzten Freund oder Angehörigen in den Fängen der Intensivmedizin erlebt hat, den wird dieses Thema aus Handakte WebLawG nicht kalt lassen:

In seinem lesenswerten Leitartikel vom 26.07.2003 setzt sich H. Prantl von der SZ kritisch mit dem Beschluss des BGH vom 27.03.2003 zu Anforderungen an Patientenverfügungen auseinander (kostenlos online bis 02.08., danach im Archiv). Jetzt dürfte der Ruf nach aktiver Sterbehilfe noch lauter werden – ob das die Absicht des BGH war?

IST DER RUF ERST …

IST DER RUF ERST …

Aus dem Express Düsseldorf:

Die Nacht zum Freitag. Sechs Polizisten und Polizistinnen in Zivil sind auf Zechtour. Es wird kräftig gebechert. Und dann kommt es zum Streit mit anderen Nachtschwärmern. Erst gibt’s harte Beschimpfungen, dann fliegen die Fäuste. Eine handfeste Prügelei bricht los. Schon kurz darauf stürmen Beamte in Uniform herbei, um die Kontrahenten zu trennen. Doch die Kollegen in Zivil geben nicht auf, schlagen weiter zu.

Passend hierzu § 57 des Beamtengesetzes:

Sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert.

Mal abwarten, wann sich die ersten Polizisten im Disziplinarverfahren mit dem Argument verteidigen: Welche Achtung? Welches Vertrauen?

SCHLAU

Samstäglicher Telefonanruf auf dem Handy:

„Wie können sie mir eine Pfändung schicken? Ich mache Strafanzeige gegen sie. Ich hetze meine Anwälte auf sie. Sie haben doch gar kein Urteil, das gibt´s doch gar nicht…“

Manche Schuldner fühlen sich besonders schlau. Wenn ihnen der Ärger über den Kopf wächst, ziehen sie einfach aus. Und melden sich nicht um. Ins Telefonbuch lassen sie sich natürlich auch nicht eintragen, und das Auto ist auf die Freundin zugelassen.

Besonders schlau?

Ziemlich doof. Wenn sich jemand nach unbekannt verabschiedet, gibt es die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung. Dazu muss der Gläubiger dem Gericht nachweisen, wo der letzte Wohnsitz des Schuldners war, dass er dort nicht mehr lebt und alle Möglichkeit ausgeschöpft sind, um die neue Adresse zu erfahren. Dazu gehören Postamts- und Einwohnermeldeamtsanfrage; manche Gerichte bestehen auch auf Anfragen an die Krankenversicherung oder den früheren Arbeitgeber.

Bleiben alle Recherchen erfolglos, kann die Klage an die Bekanntmachungstafel im Gericht geheftet werden. Der Schuldner erfährt also wahrscheinlich gar nichts davon, dass gegen ihn ein Prozess läuft. Und auch nicht, dass er auf Zahlung von € 32.000,00 verurteilt worden ist.

Wie unser Kandidat, der mich vor wenigen Minuten beschimpft hat. Nach anderthalb Jahren habe ich erfahren, dass er jetzt in Dortmund lebt und bei einer Brauerei als Techniker beschäftigt ist. Tja, und durch die Gehaltspfändung hat er jetzt mitgekriegt, dass es ein Urteil gegen ihn gibt. Selbst wenn er sich in der Sache hätte wehren können, das Urteil ist wasserdicht. Es gibt keinen Einspruch, gar nichts.

Ein bißchen kann ich schon verstehen, dass er sauer ist. Wer lässt sich schon gerne jeden Monat € 630,00 vom Gehalt abziehen?

HEUTIGES THEMA: SEX

HEUTIGES THEMA: SEX

Da es im law blog selten um Sex geht, freue ich mich, heute mal eine Ausnahme machen zu können.

Meiner Mandantin war an jenem Discoabend erst nach Tanzen. Als sie den niedlichen David kennen lernte, erinnerte sie sich spontan an einen Nebenraum zur Damentoilette, der meistens unverschlossen ist. Da jeder die Geschichte mit Boris und der Besenkammer denkt, spare ich mir die Details. Hergang und Ergebnis sind identisch.

Sophie ist mittlerweile 2 Jahre alt und meine Mandantin hat schon oft versucht, David auf der Handynummer zu erreichen, die er auf einem Bierdeckel notiert hat. Das Problem ist nur, die Rufnummer auf dem Zettel hat 6 Stellen. Wahrscheinlich war David noch in Trance und hat die 7. Ziffer vergessen. Welche Zahl er allerdings vergessen hat, ließe sich, wenn überhaupt, nur mit ein paar Millionen Telefonanrufen klären.

Obwohl meine Mandantin auch immer wieder zur Disco gegangen ist, David tauchte dort nicht mehr auf. Niemand kennt ihn und soweit meine Mandantin nach wenigen Worten und einigen Geräuschen schließen konnte, die sie von ihm gehört hat, ist es gut möglich, dass David aus Schweden oder Finnland stammt. Jedenfalls, so sagt sie, erinnerte sie sein Englisch an Benny und Björn von Abba. Aber David, sagt sie dann immer, sah deutlich besser aus.

So ein folgenreicher Quickie ist natürlich unvorstellbar für eine Dame vom Amt. Konsequent verweigert sie meiner Mandantin den monatlichen Unterhaltsvorschuss, der jeder Mutter zusteht, wenn der Vater des Kindes nicht zahlt:

?Die Schilderung der Antragstellerin ist lebensfern. Sie will offensichtlich die Identität des Vaters verschleiern.?

Wie gut, dass es auch junge Richter gibt, sogar am Verwaltungsgericht. Der liest das Gesetz so, wie ich es auch verstehe. Die Mutter muss alles angeben, was sie über den Vater weiß. Aber sie ist nicht verpflichtet, sich vor sexuellen Aktivitäten den Personalausweis ihres Partners zu kopieren.

Die Sache sieht also gut aus. Mal sehen, wie das Urteil ausfällt.

Don´t try this at home.

MAGER

Gesetze online und gratis? Vorbildlich ist das Angebot des Bundesjustizministeriums. Über eine alphabetische Liste lassen sich alle wichtigen Bundesgesetze abrufen und sogar als PDF speichern. Von der AbschlagsV bis zum ZuSEG.

Nordhrein-Westfalen hat auch ein paar hundert Gesetze. Jetzt halten wir uns aber mal fest: In der sogenannten „Rechtsbibliothek“ ist sage und schreibe ein einziges Gesetz online abrufbar: das Nachbarrechtsgesetz.

Wie heißt es doch so schön auf der Seite der Landesregierung:

Modernität und Innovationskraft, Internationalität und qualifizierte Arbeitskräfte sind Garanten dafür, dass NRW auch künftig die Chancen zusammenwachsender Weltmärkte und zunehmender Globalisierung nutzen wird.

WE HAVE A CRISIS

Gestern Abend stand ich mal wieder vor der üblichen Frage: italienisch, thailändisch, spanisch, chinesisch, griechisch oder ökologisch. Das ist der Vorteil in Düsseldorf-Derendorf, man muss nicht verhungern.

Ich entschied mich – darf man das jetzt noch zugeben? – für italienisch. Im „La Sicilia“ auf der Ulmenstraße saß glatt ein anderer Rechtsanwalt am Tresen. Vor sich ein Glas Rotwein, Grappa in der Hand. Er war schon länger da, wie man an seiner schleppenden Zunge merkte:

„Wissen sie, Herr Kollege, wir haben einen so wunderbaren Beruf – wenn nur nicht die Mandanten wären.“

Ich entschied mich spontan für Pizza zum Mitnehmen. Nur für den Fall, dass midlife crisis und Selbstmitleid ansteckend sind…

FROSTIG

Ich hatte auch das Vergnügen, bei diesem Mordprozess ein (kurzes) Gastspiel zu geben. Ziemlich frostige Atmosphäre im Gerichtssaal. Das Rückspiel wird sicher spannend, vor allem, wenn der Herr Schmitz als Zeuge die Karten auf den Tisch legen muss.

IM DIENSTE DES RECHTS: SCHWEISS UND URIN

IM DIENSTE DES RECHTS: SCHWEISS UND URIN

In NRW wird jetzt nach Drogen im Straßenverkehr gefahndet.

Die nagelneuen Tests sind noch nicht ausgereift:

Die Polizeibeamten fanden die Urintests im Praxiseinsatz angenehmer als die Schweißprobe. Immerhin muss der Polizist beim Schweißtest den Teststreifen etwa 20 Mal über die Stirn des Verdächtigen reiben. Für die vier gebräuchlichsten Drogen Cannabis, Kokain, Amphetamine und Opiate gibt es zudem vier unterschiedliche Streifen. Weiß der Beamte nicht, wonach er sucht, muss der Fahrer das Prozedere also unter Umständen gleich mehrmals über sich ergehen lassen.

Bin ich eigentlich verpflichtet, mir 80 Mal über die Stirn reiben zu lassen?

Auch Unschuldige können Ärger kriegen:

„Außerdem ist der Schweißnachweis schon dann positiv, wenn sich die getestete Person mit Marihuana-Konsumenten im selben Raum aufgehalten hat.“ Quelle

Zum ersten Mal macht mir der süßliche Geruch ernsthaft Sorgen, der bei heißem Wetter Tag für Tag aus den Fenstern der Werbeagentur gegenüber in mein Büro zieht.

(Seriöse Infos zum Thema bei HandakteWebLawG.)

DR.

DR.

Gerichtsbericht über unsere Eitelkeit:

Bankdirektoren, Immobilienmakler, Kfz-Sachverständige und ein BKA-Beamter waren unter den Kunden der Berliner Agentur „Akademus“ des Martin D. Bis zu 44.000 Euro bezahlten die Titel-Aspiranten für eine Doktor-Urkunde, die keine war. Auch ein 70-jähriger Pfarrer, der wollte, dass auf seinem Grabstein ein „Dr.“ steht. Sein Wille geschah. Mehr

Ich kenne einen Dr. med., der nicht ein Semester Medizin studiert hat. Im Operationssaal soll er immer super Arbeit geleistet haben. Er hat sogar … (hier beginnt das Anwaltsgeheimnis).

BLUFF

„Bitte ausreichend frankieren“ – „Freimachen, falls Marke zur Hand“. Der Spruch steht auf fast jeder Werbeantwortkarte. Nicht mehr als ein legaler Bluff, denn sobald „Antwort“ im Empfängerfeld steht, muss die Firma die Portokosten tragen, egal mit welchen Appellen sie diese Pflicht verschleiert.

Das war mir bislang nicht bekannt. Man sollte halt öfter die lebensnahen Artikel der Fachjournalisten von der Presseagentur „Fintext“ lesen. Fragen Sie mal bei Ihrer Lokalzeitung, warum die ihre Spalten immer nur mit langweiligen PR-Texten füllt.

Schleichwerbung Ende.

BLÜTENWEISS

BLÜTENWEISS

Ein Mandant beschwert sich, dass er beim Finanzamt 600 Euro Verspätungszuschlag zahlen muss. Seine Steuernachzahlung war zwar beim Finanzamt angekommen, aber erst ein paar Tage nach Ablauf der Frist. Dabei hatte mein Mandant das Überweisungsformular schon 5 Tage vor Ablauf der Frist bei seiner Bank in den Briefkasten geworfen.

Die Erklärung ist schnell gefunden: Ein Mitarbeiter der Bank hat das Geld angehalten und die Staatsanwaltschaft bzw. das BKA informiert. Dazu ist die Bank verpflichtet, wenn sie einen Verdacht auf Geldwäsche hegt. Die Prüfung dauert schon mal ein paar Tage, und dann war es passiert.

Die Frage ist jetzt eigentlich nur: Wie, um alles in der Welt, kann ausgerechnet eine Überweisung ans Finanzamt Geldwäsche sein?

Wie zu erwarten, stellte sich das Finanzamt stur: Der Steuerzahler müsse selbst dafür sorgen, dass sein Geld rechtzeitig ankommt. Auch die Bank winkte erst mal ab.

Aber jetzt kommt doch etwas Bewegung in die Sache. Ein höheres Tier hat sich die Sache angesehen und findet es auch etwas weit hergeholt, dass eine Zahlung ans Finanzamt Geldwäsche sein könnte. Er bietet an, die Hälfte des Schadens zu übernehmen.

Da mein Mandant zugestimmt hat, bleibt eine interessante Frage weiter ungeklärt…

SCHULNOTEN

Oh, eine hochoffizielle Umfrage in NRW:

Die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie die Notarinnen und Notare beurteilen die Justiz insgesamt mit einem „guten Befriedigend“, in Teilbereichen allerdings auch nur mit schwach befriedigend.

Sagt es nicht viel mehr als eine alberne Schulnote, wenn 85 % der angeschriebenen Anwälte erst gar nicht antworten?

WIRRE LOGIK

Heribert Prantl beleidigt in der Süddeutschen Zeitung unsere Verfassungsrichter:

Die juristischen Qualitäten des Bundesverfassungsgerichts sind über jeden Zweifel erhaben; Ausnahmen bestätigen die Regel. Zu diesen zählen seine Entscheidungen in Sachen Ausländer, Asyl und Abschiebung. Hier kann man den Eindruck richterlicher Bewusstseinstrübung haben, einhergehend mit verwirrter Logik. Ganzer Text

Oder sagt er nur die Wahrheit?

MOBBING

Mobbing ist ein ernstes Thema an den meisten Arbeitsgerichten. Das war nicht immer so. „Hat ihre Mandantin kein Durchsetzungsvermögen? Wenn sie sich nicht wehren kann, muss sie halt woanders arbeiten“, hat mir noch vor 4 Jahren ein Arbeitsrichter gesagt. Und geseufzt, dass er sich „solchen Psychokram“ nicht auch noch an die Backe binden will.

Das Klima hat sich gewandelt, bestätigt zu Recht auch dieser Hintergrundbericht. Allerdings werden sich Arbeitsgerichte kaum zuständig fühlen für die alltäglichen Nickeligkeiten. Unter nachweislichen gesundheitlichen Störungen wird nichts laufen. Und auch hierfür ist die Darlegungs- und Beweislast immer noch enorm hoch.

Häufig hilft aber schon eine sorgfältige formulierte Beschwerde mit dem Hinweis an den Arbeitgeber, dass dieser (mit)verantwortlich ist für ein erträgliches Betriebsklima.