Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. Das gilt auch für das leidige Thema Dialer. Gerade überschwemmt eine Klagewelle das Land. Viele Telekommunikationsanbieter wollen offensichtlich noch schnell ihre vermeintlichen Außenstände eintreiben, bevor die neuen Dialer-Regeln in Kraft treten.
Hier eine Fassung unserer „Standard“-Klageerwiderung, natürlich auf einen konkreten Fall zugeschnitten.
„In dem Rechtsstreit
I. Inkasso GmbH / S.
begründen wir den Klageabweisungsantrag wie folgt:
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein vertraglicher Anspruch auf Zahlung von € 50,62 zu.
Die Klage ist derzeit unschlüssig, weil die Klägerin weder einen konkreten Nachweis für die behauptete Verbindung noch über die geschuldete Leistung und deren Erbringung vorlegt.
Die sog. „Einzelverbindungsübersicht“ kein geeigneter Nachweis.
Auf dem Dokument ist schon vermerkt: „Nur Anzeige, zum Ausdruck nicht geeignet.“ Es kann sich also nicht um einen technisch korrekt erstellten Verbindungsnachweis handeln.
Außerdem ist noch nicht einmal erkennbar, welche konkrete Rufnummer vom Anschluss der Beklagten gewählt worden sein soll.
Ausweislich der Fußzeile ist das Dokument am 6. Januar 2003, also zehn Monate nach der angeblichen Verbindung, über die Internetseite einer Institution namens chat-clearinghouse.de erstellt worden. Die Beklagten bestreiten, dass es sich hierbei um eine Stelle handelt, die technisch und organisatorisch in der Lage ist, beweiskräftige Einzelverbindungsnachweise zu erstellen.
Vom Erscheinungsbild her kann die „Einzelverbindungsübersicht“ an jedem beliebigen Computer mit einem ganz normalen Textprogramm erstellt worden sein. Insoweit kommt ihr keinerlei Beweiswert zu.
Immerhin lässt sich der Übersicht entnehmen, dass die Klägerin offenbar eine Verbindung über eine sog. 0190er-Nummer abrechnet, auch wenn sie diese Nummer nicht konkret benennt.
Die Beklagten machen sich den Vortrag zu eigen, dass über die angeblich gewählte Nummer lediglich eine Internetverbindung hergestellt worden ist.
Diese Internetverbindung kostete für 1 Minute und 53 Sekunden € 50,62. Das entspricht einem Sekundenpreis von € 0,48 und einem Minutenpreis von € 28,80! Pro Stunde würde die Verbindung also € 1.728,00 (in Worten: eintausendsiebenhundertachtundzwanzig) kosten.
Schon hier stellt sich die Frage, wieso die Beklagten eine Internetverbindung zum aberwitzigen Preis von € 28,80 pro Minute herstellen sollten, wenn bei einem seriösen Betreiber wie t-online oder AOL eine Minute selbst im höchsten Tarif nicht mehr als € 0,02 (2 Cent) kostet.
Es widerspricht jedweder Lebenserfahrung, dass sich jemand wissentlich für eine Internetverbindung entscheidet, die exakt 1440mal so teuer ist wie eine genauso gute andere Verbindung, wobei es noch zahlreiche andere Anbieter gibt, über die man sich für 0,99 bis 1,99 Cent pro Minute sogar noch billiger einwählen kann.
Bei den Beklagten kommt hinzu, dass der Beklagte zu 1) Journalist ist. Für diese Berufsgruppe räumen t-online monatlich 18 und AOL monatlich 15 Freistunden im Internet ein.
Dieses Angebot nutzen die Beklagten, so dass sie schon seit jeher überhaupt keine Kosten für den privaten Internetzugang haben.
Angesichts des geltend gemachten „Tarifes“ spricht entgegen der Ansicht der Klägerin noch nicht einmal der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass eine Telefonnummer stets wissentlich gewählt wird und durch die Anwahl der Nummer ein Angebot auf Vertragsschluss abgegeben wird.
Zunächst bestreiten die Beklagten nachdrücklich, dass über ihren Anschluss diese Telefonnummer gewählt wurde.
Sofern es überhaupt eine Verbindung über die – nicht konkret genannte – Rufnummer gab, war hierfür ein sog. Dialer verantwortlich. Ein Dialer ist ein Computerprogramm, welches sich beim Surfen im Internet durch die aufgebaute Datenverbindung auf den Computer des Nutzers installiert.
Dieses Dialerprogramm lädt sich unbemerkt herunter und startet entweder automatisch im Hintergrund oder indem der Nutzer durch – irreführende – Hinweise („Bitte starten Sie die Sicherheitssoftware“ bzw. „Starten Sie die Gratis-Zugangssoftware“) zu einem Mausklick verleitet wird. Dies geschieht, ohne dass der Nutzer entsprechend den gesetzlichen Vorschriften über die entstehenden Kosten hinreichend aufgeklärt wird.
Nach dem Start ersetzt der Dialer die programmierte Internetverbindung und stellt automatisch die Verbindung zu überteuerten 0190er-Nummern her.
Dies geschieht ohne Wissen und Kenntnis des Computerbesitzers. Es fehlt also an allen essentiellen Bedingungen für eine Willenserklärung im Sinne eines rechtlichen Angebotes. Es liegen nämlich weder Erklärungsbewusstsein noch Rechtsbindungswille vor.
Somit fehlt es schon an dem für einen Vertragsschluss erforderlichen Angebot.
Vielmehr handelt es sich offensichtlich um eine unerlaubte Handlung durch einen Betrug, wenn man Internetnutzern Wählprogramme unterjubelt, die ohne deren Wissen und deren Kenntnis Verbindungen zu exorbitanten Preisen herstellen.
Wenn die Klägerin behaupten will, die Beklagten hätten von sich aus bewusst eine Internetverbindung über die nicht näher benannte 0190er-Nummer hergestellt, wird dies schon jetzt vorsorglich und entschieden bestritten.
Das würde ja voraussetzen, dass die Beklagten aufgrund einer invitatio ad offerendum Interesse an dem Angebot gehabt hätten, welches möglicherweise hinter der 0190er-Nummer steckt. Dann hätten die Beklagten ihren Computer so programmieren müssen, dass dieser gezielt die Verbindung zum Internet über die 0190er-Nummer aufbaut.
Es wird gerichtsbekannt sein, dass dies nicht so einfach wie am Telefon dadurch geschieht, dass man den Hörer abnimmt einige Wähltasten drückt. Vielmehr muss der Computer entsprechend programmiert werden. Dazu muss man das Menü Systemsteuerung aufrufen und unter der Rubrik Verbindungen eine komplexe Abfrageroutine durchlaufen und die Verbindung dann freigeben (alles, was der Dialer in Fällen wie diesem unbemerkt und unerwünscht selbst erledigt).
Vor diesem Hintergrund widerspricht es schon wieder jeder Lebenserfahrung, dass die Beklagten all diesen Programmierungsaufwand auf sich nehmen, um für € 28,80 pro Minute im Internet zu surfen, obwohl sie dies auch umsonst machen können.
Dieser völlig abwegige Verlauf verpflichtet die Klägerin darzulegen, welches Angebot denn hinter der Nummer steckte, das so „gut“ gewesen sein muss, dass die Beklagten wissentlich und willentlich ihren Computer auf die 0190er-Nummer umprogrammierten, um in den Genuss dieses Angebotes zu kommen.
Insbesondere trifft die Klägerin die Darlegungs- und Beweispflicht dafür, aufgrund welcher Modalitäten die Einwahl denn erfolgt sein soll. Hierzu müsste die Klägerin auch darlegen, wie sich der Dialer, sofern er überhaupt auf dem Bildschirm erscheint, ggf. dem Kunden präsentiert, welche Kostenhinweise er enthält und welches Angebot einer Dienstleistung damit gemacht worden ist.
Die Situation ist vergleichbar mit einem Fall, in dem ein Bäcker behauptet, ein Kunde habe bei ihm ein Brötchen für € 360,00 erworben, obwohl ein gleichartiges Brötchen wenige Geschäfte weiter nur € 0,25 kostet. Auch in diesem Fall müsste der Bäcker aufgrund des offensichtlichen Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung darlegen, wieso der Kunde sich zu einem derart ungünstigen, ja offensichtlich sittenwidrigen Vertragsschluss entschließt. Beweiserleichterungen können hier nicht eingreifen.
Die Klägerin wird sich auch nicht darauf herausreden können, die Fa. Talkline habe die 0190er-Nummer an einen Unteranbieter weiter vermietet, für dessen Dienstleistungen diese keine Verantwortung hat.
Die Firma Talkline trifft jedenfalls eine Mitwirkungs- und Überwachungspflicht, um Betrugs- und Missbrauchsfälle zu verhindern. Insoweit müsste sich Talkline selbst vergewissern, welche Dienstleistungen denn mit € 1.728,00 pro Stunde abgerechnet werden. Die Firma müsste weiter prüfen, ob ein derart absurder Stundensatz auch nur in irgendeiner Weise durch das Angebot gerechtfertigt ist.
Talkline stellt den Nutzern der Nummern offensichtlich die komplette Netzinfrastruktur sowie das Inkasso zur Verfügung und wird hierfür vergütet. Dementsprechend trägt das Unternehmen zumindest eine Mitverantwortung dafür, dass keine sittenwidrigen (§ 138 Abs. 1 BGB) oder gar betrügerischen Verbindungen aufgebaut werden.
Den Beklagten steht insoweit sogar ein Schadensersatzanspruch gegen die Fa. Talkline zu, weil diese ihren Sorgfaltspflichten als Netzbetreiber nicht genügte. Kein Netzbetreiber darf es zulassen, dass derart sittenwidrige, ja sogar betrügerische „Abzocke“ unter Inanspruchnahme seiner Einrichtungen geschieht. Auf das in der Anlage beigefügte Urteil des Kammergerichts Berlin vom 27. Januar 2003 wird verwiesen.
Dass eine banale Internetverbindung zu einem 1440 x mal überhöhten Preis nicht mehr mit den guten Sitten zu vereinbaren ist, bedarf sicherlich keiner näheren Erläuterung. Immerhin schlägt schon eine einstündige „Nutzung“ mit einem Kostenrisiko ins Gewicht, das dem monatlichen Nettoeinkommen der meisten Haushalte entspricht.
Vorsorglich machen die Beklagten auch geltend, dass der Dialer entgegen den Vorschriften der Telekommunikationsverordnung keinerlei ausreichenden Hinweise über die Höhe der anfallenden Gebühren enthielt.
Abgesehen davon, dass sich das Programm unbemerkt installiert haben muss – sofern der Klägerin der Beweis der Anwahl überhaupt gelingt – , enthielt der Dialer keinerlei Hinweise auf die entstehenden Kosten. Der Telekommunikationsanbieter ist jedoch verpflichtet, seine Tarife so rechtzeitig transparent anzugeben, dass der Nutzer sich vor dem Gebührenanfall hinreichend informieren kann.
Ergänzend überreichen wir als Anlagenzusammenstellung B 1 einige aussagekräftige Urteile, die sich mit gleichen oder ähnlichen Sachverhalten beschäftigen.
Die Mahnkosten werden bestritten.
Inkassokosten sind keinesfalls erstattungsfähig.
Die Beklagten haben bereits mit ihrer Weigerung gegenüber der Telekom, den Rechnungsbetrag zu bezahlen, zum Ausdruck gebracht, dass sie sachliche Einwände gegen die Forderung erheben.
Außerdem haben die Beklagten die als Anlage B 2 beigefügten Schreiben an die Fa. Talkline gesandt.
Es kann also keine Rede davon sein, dass die Beklagten keine Einwendungen erhoben haben. Die Fa. Talkline konnte also nicht davon ausgehen, dass die Forderung unbestritten bleibt.
Rechtsanwalt“