WAR DAS DIE?

Auch Göttinnen haben Sorgen.

Zum Beispiel mit ihrem neuen Cabrio. Fast 70.000 Euro hat sie für ihren Flitzer bezahlt. Und ein Auto bekommen, das klappert. Göttinnen sind geduldige Menschen. Aber scheppernde Armaturenbretter und schlecht verdrahtete Navigationssysteme machen auch die schönsten Frauen wild.

Sie will Schadensersatz. Für den Ärger. Für den Stress. Und einen Abschlag auf den Kaufpreis. Juristisch gesehen ist das mehr als heikel. Vor allem bei der Summe, auf die sie sich eingeschossen hat.

Kein Wunder, dass mir etwas flau ist vor dem Gerichtstermin. Normalerweise sollte man eine Anspruchsgrundlage haben, wie Juristen das nennen. Aber andererseits soll man Göttinnen nicht enttäuschen. Denn die ähneln Schmetterlingen. Sind sie mit einem Anwalt nicht zufrieden, flattern sie zum nächsten. Das haben sie mit Wirtschaftskapitänen gemeinsam.

Die drei Richter blinzeln mir müde entgegen. Der dritte Fall für heute. Der Vorsitzende will mir gerade eröffnen, dass wir keine Chance haben. Der Gegenanwalt stützt gelangweilt das Kinn auf seine Hand.

Da schwebt sie in den Raum.

Schwarzes Netz, an den wichtigen Stellen ein bisschen Leder. Das Jäckchen von Versace. Und ein Lächeln, bei dem man(n) sogar freiwillig den Blick von ihren Kurven löst. Sie schildert den Ärger mit dem Autohaus. Flötet von der Inkompetenz der Werkstatt.

Der junge Richter rechts, direkt vor uns, ist hypnotisiert. Sein Blick wandert von ihren grünen Augen bis zu der Stelle, wo das Klägerpult alles weitere verbirgt. Es ist ein sehr niedriges Pult.

Der Vorsitzende kriegt langsam rote Wangen. Er ist plötzlich interessiert. Der Richter links verflucht den Moment, als er sich heute morgen für den Stuhl auf der Beklagtenseite entschieden hat.

„Ich kenne sie“, sagt der Richter. „Sie sind ja bekannt in der Medienwelt.“ Die Göttin schenkt ihm ein zauberhaftes Lächeln. „Ja, und eigentlich wollte ich mit dem Auto nur ein bisschen Spaß…“

Plötzlich stellt sich die Sach- und Rechtslage anders dar. Der Vorsitzende spannt die schlaffen Beamtenschultern und nimmt den Gegenanwalt in die Mangel. „Ein gewisses Prozessrisiko besteht für ihre Seite ja schon. Wenn das alles stimmt, was die Klägerin uns hier erzählt.“ Und dass so eine Frau nur die Wahrheit sagt, nichts als die Wahrheit, schwingt in seiner Stimme deutlich mit.

Fünf Minuten später ist der Gegenanwalt zu einem Vergleich geprügelt. Er hat sich noch nicht mal gewehrt.

Die Göttin ist hochzufrieden. „Mir ging´s in erster Linie ums Prinzip“, sagt sie hinter ihrer Sonnenbrille und rührt im Latte Machiato . „Ich habe ja zuerst gar nicht geglaubt, dass wir gewinnen.“ Dann strahlt sie mich an. „Es ist schon unglaublich, wie wichtig ein guter Anwalt ist. Ohne ihren Einsatz hätte ich den Prozess garantiert verloren.“

Ich wage nicht, zu widersprechen.

Gleich morgen, verspricht sie zum Abschied, will sie mich einer Kollegin empfehlen. Soweit ich weiß, keine Göttin. Aber immerhin ein Engel aus einer Vorabendserie. Und ausgerechnet dieser Himmelsbewohner hat Ärger mit einem Typen, der sichere Renditen versprach…

Zum Abschied – sie muss um halb eins den Flieger kriegen – fragt sie nach meiner Handynummer. „Für alle Fälle, falls mal was wichtiges ist.“

Auf dem Rückweg ins Büro treffe ich einen Kollegen. „Sagen sie mal, war das heute morgen die …“ „Anwaltsgeheimnis, Herr Kollege.“

Manchmal liebe ich diesen Job…