Auf Landstraßen müssen Autofahrer bei Dunkelheit kein Fernlicht einschalten. Sie müssen auch nicht damit rechnen, dass plötzlich Fußgänger von der Seite in die Fahrbahn laufen. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (AZ: 9 U 115/06).
Die Klägerin überquerte an einem Abend im Januar bei Dunkelheit eine Landstraße, um zu ihrem Auto zu kommen. Kurz vor ihrem Auto wurde sie vom Beklagten erfasst und erlitt schwere Verletzungen, unter anderem den Verlust des Geruchs- und Geschmacksinns.
Sie rechnete sich selbst ein Mitverschulden von 50 Prozent an und verlangte vom Beklagten 15.000 Euro Schmerzensgeld und entsprechenden Schadensersatz. Sie argumentierte, dass der Beklagte gegen das Sichtfahrgebot verstoßen habe, da er nur mit Abblendlicht fuhr. Er habe zumindest die Lichthupe einschalten müssen.
Die Richter wiesen die Ansprüche ab. Zwar habe ein Gutachten ergeben, dass der Unfall vermeidbar gewesen wäre, wenn der Beklagte sein Fernlicht eingeschaltet hätte. Es gebe aber keine grundsätzliche Pflicht, auf Fernstraßen bei Dunkelheit mit Fernlicht zu fahren.
Da der Autofahrer nur mit 55 bis 65 km/h bei erlaubten 70 km/h unterwegs war, habe er innerhalb des Lichtkegels des Abblendlichtes das Auto stoppen können. Damit liege kein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot vor.
Es bestehe auch keine Verpflichtung eines Autofahrers, so langsam zu fahren, dass er noch rechtzeitig vor einem Hindernis anhalten kann, welches von der dunklen Fahrbahnseite kommt. Dann dürften Autofahrer zur Unfallvermeidung praktisch nicht mehr oder nur noch mit geringster Geschwindigkeit auf Landstraßen fahren.