In einer Wirtschaftsstrafsache war ich als Pflichtverteidiger beigeordnet. Schon bei der ersten Akteneinsicht vor einigen Jahren übersandte mir der Staatsanwalt „10 Bände, 3 Sonderbände“.
Ich habe nach Abschluss des Verfahrens 623 Fotokopien angemeldet. Das ist exakt jene Zahl Seiten, die schon bei der ersten Akteneinsicht in unserem Kontenblatt notiert wurde. Danach ging die Akte noch ein paar Mal hin und her, es wurden dicke Gutachten geschickt, die auch kopiert werden mussten. Aber ich habe es wohlweislich bei der ersten Fotokopienzahl belassen.
Das Amtsgericht Essen honoriert meine Zurückhaltung nicht. Die Rechtspflegerin forderte mich auf, die Kopien einzureichen oder anzugeben, welche Seiten aus den Akten kopiert wurden.
Ich habe das abgelehnt, schon wegen dem damit verbundenen Arbeitsaufwand und den Kosten für ein Paket, die mir letztlich niemand erstattet. Jetzt schreibt mir das Gericht:
Es wird von hier aus nicht bezweifelt, dass die Kopien gefertigt wurden, jedoch ist zu prüfen, ob diese auch erstattungsfähig sind.
Als Verteidiger kann man sich mit Fug und Recht auf den Standpunkt stellen, dass die gesamte Akte kopiert werden muss. Wer weiß denn, ob früher oder später nicht ausgerechnet das unscheinbarste Stück Papier, und sei es eine Zahlungsanweisung, für das Verfahren relevant wird?
Abgesehen davon darf man sich gar nicht vorstellen, wie eine Beamtin jede Fotokopie darauf untersucht, ob sie „erstattungsfähig“ ist. Das bedeutet erst mal lesen und sich dann Gedanken machen, was der Anwalt wohl mit dem Blatt anfangen konnte. Das Ergebnis muss natürlich auch noch anschließend zu Papier gebracht werden, denn die Ablehnung der Fotokopierkosten erfordert ja eine nachvollziehbare Begründung.
Das klingt verdächtig nach Beschäftigungstherapie. Schon als Steuerzahler werde ich der Frau nicht die Freude machen und mich auf diese Diskussion einlassen. Auch auf die Gefahr hin, dann wieder dem Richter Arbeitszeit stehlen zu müssen, der über das Ansinnen der Rechtspflegerin entscheiden muss.